Kultur, Live

Fass mich an

Juliane Becker

So mancher Künstler entwickelt mit steigendem Ruhm eine gewisse Arroganz – bei Watsky hingegen hieß es am Sonntag jedoch: Anfassen erwünscht.

© Eleanor Stills

© Eleanor Stills

Es mag an der Location liegen, dass das Ganze wie ein netter Barbesuch unter Freunden wirkt. Das Ampere neben der Muffathalle ist nicht mal voll, maximal hundert, vielleicht hundertzwanzig Leute sind da. Wer ganz hinten steht, ist trotzdem nur knapp sechs Meter vom Bühnenrand entfernt. Wofür man sich bei größeren Bands stundenlang vorher anstellen muss, kommt man bei Watksy auch noch 30 Minuten vor Beginn easy hin – ganz nach vorne, praktisch zu Füßen des Künstlers.

Der lässt allerdings auf sich warten. Knapp anderthalb Stunden und zwei Vorbands müssen überwunden werden, bis sich George Watsky blicken lässt. Seine Supporter sind dabei recht unterhaltsam: Neben Anderson Paak, der ein wenig zu sehr auf seinen Namen fixiert ist (“What’s my mothafuckin’ name?!” – Nach dem fünfzehnten Mal wussten es dann alle) hat er auch die schottische Band The Lafontaines verpflichtet, die ordentlich Stimmung machen.  Vermutlich spielt da auch der schottische Akzent mit rein – die fünf Jungs aus Glasgow müssen danach die wenigen Mädels des Abends richtiggehend abwimmeln.

Gaby Esensten

© Gaby Esensten

Ohne große Ankündigung kommt dann aber schließlich Watsky auf die Bühne gejumpt und startet die Show mit Bet Against Me. Kaum hat er die letzte Silbe gesprochen, geht es schon weiter. Atempausen gönnt sich der 28jährige kaum. Zwischen seinen Songs gibt es immer wieder Poetry-Einlagen, die er in gewohnter Schnelligkeit auf das Publikum niederprasseln lässt. Und verdammt, er ist gut. Nicht umsonst ist er mit College-Slams berühmt geworden, seine Texte sprühen vor Intelligenz und Wortwitz. Sobald der letzte Laut seine Lippen verlässt, beginnt der nächste Song, er hüpft, er schreit, er setzt sich sogar ans Schlagzeug. Der schmächtige George Watsky definiert den Begriff “Energiebündel” neu – und er ist so publikumsbezogen, dass man ihn am liebsten auf die nächste Party mitnehmen würde. Da werden Hände geschüttelt, Fistbumps verteilt und das Lächeln erwidert, nach dem Konzert geht er erst gar nicht hinter die Bühne, sondern gesellt sich zu seinen Fans, quatscht hier und da ein wenig und posiert ungefragt für Fotos. Es ist fast ein wenig verwirrend – er ist doch irgendwie ein Star, sollte er sich nicht auch so verhalten? Normalerweise ist man gewohnt, dass der Künstler verschwindet und nur für eine Zugabe wieder kommt, aber Watsky ist da, vor mir, und oh mein Gott,  ich kann ihn anfassen!

Bleibt zu hoffen, dass der Rapper so bodenständig bleibt. Zumindest in Europa ist sein Bekanntheitsgrad doch noch eher gering – das erklärt auch die fairen Ticketpreise von gerade mal 16 Euro. Wermutstropfen: seine Musik scheint unverständlicherweise hauptsächlich männliche Minderjährige mit Hang zum Grabschen anzuziehen. Die bilden nämlich das Hauptpublikum an diesem Abend, auch wenn sie vor 24 Uhr verschwinden, weil Mami den Elternzettel nicht unterschrieben hat.

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Besucht seine Website unter www.georgewatsky.com

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