Kultur

Für eine realistische Gesellschaft

Christoph Leischwitz

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Platform3 im Münchner Süden zeigt die Ausstellung „The Fountainhead and other artworks“ von „Société Réaliste“ aus Paris – ein Spiel mit Symbolen von Kapitalismus bis Kommunismus.

Eigentlich hat diese Ausstellung zwei Eingänge, und sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Da ist zum einen der Durchgang zu einem großen Raum, in dem ein Film von 1949 in Endlosschleife läuft: „The Fountainhead“ von King Vidor, basierend auf dem gleichnamigen Buch der Autorin und Philosophin Ayn Rand.

Nur: Alle Menschen und alle Geräusche wurden aus dem Film entfernt. Was bleibt ist vor allem die schwarz-weiße, bombastische Skyline von Manhattan und seine Büroräume. Manche erinnert das große Gebäude am Schluss des Films an ein Phallus-Symbol. Ein paar Mal fällt unter den Besuchern auch der Name Leni Riefenstahl. Diese Assoziation ist durchaus gewollt, aber ist sie auch richtig? Oder ist es egal, ob es richtig ist oder falsch? Es geht jedenfalls um etwas anderes.

Der zweite Eingang, eigentlich der Haupteingang. In der Schwelle das kleine Abbild eines historischen Ereignisses: Der Soldat, der am 2. Mai 1945 die sowjetische Fahne am Reichstag wehen lässt. Eine Inszenierung, wie sich nach Stalins Tod herausstellen sollte. Aber auch hier wurde nicht nur inszeniert, sondern auch retuschiert: Eine Uhr am Arm des Soldaten. Denn sie war vermutlich geplündert oder geklaut worden, was ja dem Abbild eines heroischen Soldaten nicht unbedingt entspricht.

Es folgt ein 180 Quadratmeter großer Raum, in dem die Ausstellungsobjekte erst einmal zu fehlen scheinen. Nur hier und dort ist etwas aufgehängt oder steht im Raum, scheinbar zusammenhanglos. Das Hauptobjekt ist die Wand, in unterschiedlichen Grautönen gestrichen. Es ist das Symbol für die stufensweise Retuschierung des Reichstag-Bildes. Und dann steht da noch, in altdeutscher Schrift auf einer weißen Tafel: „Die Zukunft ist die Fortsetzung der Vergangenheit unter Einbeziehung anderer Mittel.“

Und so geht es auch um Symbole in dieser Ausstellung, die in der „platform3“ bis zum 13. Oktober zu sehen ist. Société Réaliste aus Paris sind zu Gast, ein französischer und ein ungarischer Künstler. Für die 111-minütige Retuschierung des Filmes haben sie einen Cutter beauftragt, der 14 Monate mit diesem Projekt beschäftigt war.

Symbole werden dort gebraucht, wo Menschen alleine nicht ausreichen, eine wie auch immer geartete Gemeinschaft zu bilden. Manchmal ist auch Angst vor Auflösung einer Gruppe der Grund, denn Symbole schweißen zusammen. Société Réaliste spielen mit diesen Symbolen, machen sie nackt und berauben sie genau dadurch ihrer ursprünglichen Absicht. Inwieweit werden wir in unserem Leben von Symbolen gelenkt?

Ferenc Grof von Société Réaliste sagt, man habe den Film „The Fountainhead“ bewusst ausgewählt, denn in den Romanen von Ayn Rand geht es – unter anderem – um die Darstellung des Kapitalismus durch die Architektur. Der von ihr begründete Objektivismus sei durch die Entfernung der Menschen im Film auf die Spitze getrieben und dadurch entblößt.

Doch bekommt man dabei den Eindruck, dass sich die Künstler, im wahrsten Sinne, oberflächlich mit dem Objektivismus als Philosophie befasst haben. Das Wort mag dazu einladen, das Subjekt unwichtig erscheinen zu lassen.

In Wahrheit geht es im Objektivismus aber darum, dass es nur um den Menschen und sein Ich geht. Das Weglassen des Menschen ist deshalb keine Überhöhung, sondern das genaue Gegenteil des Objektivismus im Randschen Sinne. Weil aber Ayn Rand ein Hass-Objekt der amerikanischen Linken ist – und das zurecht – bietet sie reichlich Angriffsfläche und die Möglichkeit, ein Opfer auf dem Altar der Systemkritik zu werden, oder besser: der Symbolkritik.

Doch es gibt eine Gemeinsamkeit zu dem Soldaten auf dem Reichstag: Ayn Rand verließ die Sowjetunion, weil ihre Familie nach der Oktoberrevolution enteignet und zum Teil ermordet wurde. Sie flüchtete in die USA, wurde zur Verfechterin des Kapitalismus und des Individualismus, und schuf dafür den philosophischen Unterbau.

Und so wird doch auf subtilere Weise deutlich, was gemeint ist: Selbst die ärgsten Feinde machen sich dieselben Mittel zu eigen – sie retuschieren die Wahrheit. Es kann keine Ideologie ohne Verfälschung geben. Jedes System ist es wert zu hinterfragen – und das gelingt am besten über seine Symbole.

platform3 stellt Räume für zeitgenössische Kunst aus und wird vom Referat für Arbeit und Wirtschaft gefördert. Ziel ist es, Objektmanagern, Ausstellungstechnikern und jungen Akademikern durch aufwendige Projekte in den Beruf einzuführen.

Ausstellungsraum: Kistlerhofstraße 70, Haus 60, 3. Stock

15. September – 13. Oktober

Montag-Samstag 11-19 Uhr, Mittwochs 12-20 Uhr

Foto: Petra Vidovic

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