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Halbmond in der Münchner Frauenkirche

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Ãœber 200 Jahre hing ein von den Osmanen erbeuteter Banner in der Münchner Frauenkirche bis er im Verlauf des Zweiten Weltkrieges verloren ging. Unter dem Titel “Hilal- above the rubble” macht der italienische Künstler Delio Gennai den Münchnern nun erstmals seit der Jahrhundertmitte das Werk durch eine exzeptionelle virtuelle Installation wieder zugänglich. Neben dem Exponat selbst können auch die fachwissenschaftlich wertvollen Beiträge, wie z.B. von Prof. Dr. Shalem, oder der iranische Film “Women without Men” dazu einladen, Vergleiche zwischen Ost und West, Christentum und Islam sowie Vergangenheit und Gegenwart anzustellen.

Der Pressetext lautet:

In dieser, eigens für die Galerie Gedok München geschaffenen Installation verarbeitet Delio Gennai ein beinahe schon in Vergessenheit geratenes Zeugnis der Türkenkriege des 17. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um ein erbeutetes osmanisches Banner, das in der Münchner Frauenkirche für über 200 Jahre als Zeichen des christlichen Sieges über die Osmanen ausgestellt wurde. Die Fahne ging im zweiten Weltkrieg verloren und nur wenige Abbildungen dokumentieren sie und ihre ehemalige Anbringung als Trophäe im Kirchenraum.
Unter dem Titel „HILAL – above the rubble“ wird Delio Gennai die verlorene „Türkenfahne“ der Münchner Frauenkirche nun virtuell wiedererstehen lassen, indem er die markanten Symbole des Banners wie Spolien aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herauslöst und den Blick des Betrachters so auf diese konzentriert. Neben dem legendären Schwert Mohammeds, mit dem dieser und später auch sein Schwiegersohn Ali die frühen Siege der Truppen des Islam errungen hatten, nahm das Motiv des Halbmondes (arab.: Hilal) auf dem Banner eine zentrale Position ein. Besonders unter den Osmanen wurde der Halbmond geradezu zum Signum des Islam obwohl er in der christlichen Ikonographie eine mindestens ebenso lange Tradition hat.
Die Technik Gennais regt mit ihrem Spiel von Materialität, von Transparenz und Geschlossenheit unmittelbar zur Reflexion über die Vermischungen und Widersprüchlichkeiten der Fahnensymbolik und ihrer politischen sowie historischen Konnotationen an. Der freie Umgang des Künstlers mit dem Vorbild hebt seine Arbeit über das bloß dokumentarische hinaus und lädt zum Weiterdenken über Symbole und Bedeutungen ein. Damit ermöglicht er einen Brückenschlag in die Gegenwart mit ihrem andauernden Ringen um Freiheit und Selbstbestimmung, in deren Zentrum im Moment die muslimische Welt steht. Was ist Freiheit und wer darf Licht und Schatten definieren?

Um diese Deutungsvielfalt auszuloten wird die Ausstellung unter dem Titel „Tell us about the splintered flag“ von drei Abenden mit kurzen Vorträgen begleitet. Neben der „Biographie“ der Münchner Fahne und historischen Schlaglichtern wird der Blick auf die moderne und zeitgenössische Kunst die Kontinuität und das Fortwirken von Symbolen aufzeigen, die weit über die „Türkenfahne“ hinausreichen. Den Abschluss des Programms wird eine Präsentation des Films „Women without Men“ von Shirin Neshat bilden.

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