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In der Kunst ist es nie ausreichend – 100 Jahre MK

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Stolz sind wir in München – auf unsere Münchner Kammerspiele! 100 Jahre hat das Theater auf dem Buckel und ist noch immer nicht verstaubt. Dem Anspruch der Modernität verschrieben, musste natürlich auch die Geburtstagsfeierei den Nerv der Zeit treffen. Mit der Theater-Club Veranstaltung “La Ritournelle”, dem Bürgergipfel “100 Tische” und weiterem Rahmenprogramm ist das Jubiläums-Wochenende vom 11. bis 14. Oktober jetzt schon wieder Geschichte. Ein Rückblick.

Die internationale Speerspitze des kunstaffinen Bereichs elektronischer Tanzmusik ist also zur Feier des 100 jährigen Bestehens zu Gast im “einzigen erhaltenen Jugendstiltheater Deutschlands “. Groß aufgewartet haben die Münchner Kammerspiele bei ihrem “One-Night-Festival” und es mindestens so mächtig kuratieren lassen von Tobias Staab, Branimir Peco und Tobias Schneider: Münchner Szene Liebling Pollyester, Londons Pop-Synth Sternchen The Hundred In The Hands, UK-Post-Dubstep-Genie Gold Panda und der immer vor der Zeit und vor den Trends aber überzeitlich abmischende Brite James Holden waren zur Theater-Clubnacht gebucht. Das Sahne-Häubchen auf der Line-Up Geburtstagstorte war aber – der Günter Jauch der elektronischen Remix-Culture – DJ Koze (aka der Mann mit den gewitzten Pseudonymen).

Die begrenzten Tickets waren im Vorfeld nach kurzer Zeit ausverkauft – in der Facebookveranstaltung häuften sich die Suchanfragen für Restkarten. Zu Recht. Die Münchner sind eben Feinschmecker, das gilt auch für elektronische Tanzmusik in einer Umgebung von durchkomponiertem Jugendstil. Nach Pollyester und The Hundred In The Hands, war es dem Publikum dann aber zu leise. “Lauter, lauter“, schrie es aus der Menge. Das technoide Kennerohr ist ja schließlich schon halb taub und braucht ein wenig mehr auf die Ohren. Den Gefallen gab es leider nicht, dafür aber Seifenblasen und eine an Damien Hirst erinnernde Totenkopf-Installation, die bei James Holden hinter ihm auf der Bühne gelüftet wurde. Der aus Holz gebaute Totenkopf war Projektionsfläche für beeindruckende Visuals von Betty Mü.

Während dem DJ-Wechsel von Holden zu Koze wurde versehentlich das Notlicht ausgelöst, das ein wenig zu genau die zerfeierten Gesichter der Tanzwütigen beleuchtete und kurzzeitig auf die Stimmung drückte. Zum Glück lässt sich ein Herr Kozalla aber nicht so schnell verunsichern und routiniert brachte er und sein Alter Pavian Ego die Menge wieder zum Feiern.

Schluss war erst in den frühen Morgenstunden und eigentlich lohnte es sich danach kaum noch schlafen zu gehen, denn um 12 Uhr stand 100 MK 100 TISCHE – BÃœRGERVERSAMMLUNG ZUR ZUKUNFT DER STADTGESELLSCHAFT auf dem Programm. Für die Nachtvögel hieß das Frühstücks-, für die Ausgeschlafenen Mittagspicknick-Debatte auf der Maximilianstraße vor den Kammerspielen. Denn der Mensch lebt nicht vom Feiern und seinen Luxusproblemen alleine.

Die Welt brennt. Aber mitten in München?“, fragt Intendant Johan Simons in seinem sehr lesenswerten offenen Brief. Und ja, es gibt viel zu tun auf dieser Welt, das zeigten die Tischgespräche. Soziale Ungerechtigkeit gibt es auch im reichen München. Die Anliegen des Bürgergipfels trugen die Schauspieler der Münchner Kammerspiele vor – als Persönlichkeiten aus der Protestgeschichte. Allen voran brannte die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum, neuen Investitionsalternativen zu Luxusimmobilien und ob Münchens Kreative in Zukunft aufgrund der überhohen Mieten abwandern? Geredet wurde am Sonntag viel auf der Maximilianstraße, die Bürger waren sich einig: “Ein Picknick auf der Maximilianstraße sollte es öfter geben!” Sollte es – genauso wie..? “Es muss vieles.” – schreibt Johan Simons und dass es in der Kunst nie ausreiche, was man tut. Reicht aus was wir tun, um München und die Welt ein Stück besser zu machen? Lasst uns zusammen mit den Münchner Kammerspielen und den weisen Worten Simons ausholen: Zu “einem Faustschlag, in die Fresse einer Welt, die sich beschäftigt mit Vernichtung.

Die bewegende Geschichte der Münchner Kammerspiele als Podcast vom Bayerischen Feuilleton B2 könnt ihr euch hier anhören.

Fotos: Veronika Christine Dräxler/ Natalie Mayroth

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