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INTERVIEW MIT PHILIPP WALULIS

“Fernsehmacher dürfen nicht zu Fernsehverwaltern werden” – Ein Gespräch über Zustand und Zukunft des Fernsehens. von Philipp Großmann

phw_autor

(c) Chris Fay

Philipp Walulis ist Hörfunk- und Fernsehmoderator. Er begann seine Karriere bei M94.5 und wechselte später zum Bayerischen Rundfunk, bei dem er auch für die Jugendprogramme on3 und Zündfunk arbeitete. Nach verschiedenen anderen Stationen ist er mittlerweile bei EinsPlus und moderiert dort seine eigene Sendung „Walulis sieht fern“. 2012 gewann er den Grimme-Preis in der Kategorie „Unterhaltung“.

Am Montag ist er beim DOK.forum zu Gast als Teilnehmer der Podiumsdiskussion NEUE WEGE ZUM JUNGEN PUBLIKUM, die im Rahmen des Interactive Media Kongress stattfindet.
Mo 12.05 19.00 Uhr HFF- Audimaxx (Eintritt ist frei)

Sie kommen gerade aus dem Film ES WERDE STADT – 50 JAHRE GRIMME PREIS von Dominik Graf. Wie hat ihnen der Film gefallen?

Ich fand es sehr interessant, was Dominik Graf da aufgezeigt. Es deckt sich mit meinem Eindruck, dass eine vollkommene Mutlosigkeit um sich gegriffen hat. Wenn man sich das Hauptprogramm ansieht, sieht man Zombies: seien es die Gesichter der Menschen oder, noch viel schlimmer, die Formate, die eigentlich schon tot sind und die nur am Leben gelassen werden, um weiterhin mit der immer gleichen Masche zu unterhalten. Es wirkt, als würden aus denselben Unterhaltungsbausteinen, die früher funktioniert haben, ständig Permutationen von neuen Sendungen gebaut, wie in einem Frankensteinlabor. Der Mut fehlt. Es gibt Leute, die diesen Mut besitzen, aber die können sich nicht durchsetzen gegen den Apparat aus Verwaltung, Quote und Verantwortungsvermeidung. Das ist sehr schade und ich fand, dass Dominik Graf das beeindruckend dargestellt hat.

Also ist das Fernsehen am Ende?

An sich ist die Idee eines öffentlich-rechtlichen Fernsehens ja ein toller Gedanke, der viele Möglichkeiten bieten könnte. Aber man kann den Zustand heutzutage mit einem jungen Sportler vergleichen, der mittlerweile dick geworden ist und gelähmt vom Quotengift nur noch vor sich hin vegetiert. Doch es gibt immer wieder Leute, bei denen noch die Fernsehbegeisterung in den Augen funkelt. Ich würde fast sagen, in ARD und ZDF gibt es sowas wie den kreativen Untergrund. Und ich hoffe sehr, dass dieser geheime Zirkel auf jeder Ebene kämpft, um das lähmende Verwaltungsmonster wieder zurückdrängen.

Was wäre das Ergebnis? Ein komplettes Umkrempeln des Hauptprogramms?

Ich möchte niemandem das Helene-Fischer-MIDI-Spektakel streitig machen. Aber sollte das Hauptprogamm nicht eher ein Schaufenster sein, das den Blick auf die bunte und vielseitige Welt der Öffentlich-Rechtlichen frei gibt? Ich glaube ja nicht, dass der Zuschauer so lethargisch und anspruchslos ist, wie er von manchen Fernsehverwaltern gehalten wird. Und ich verstehe nicht, warum man glaubt, dass ältere Leute sich nicht für Neues interessieren sollten.

Können Sie uns noch mal kurz die Veranstaltung „Neue Wege zum jungen Publikum“, die im Rahmen des Interactive Media Congress stattfindet, beschreiben und erläutern, warum dieses Thema relevant ist.

Es wird darum gehen, wie und ob junge Menschen heute fernsehen und auf welchen Wegen man sie erreichen kann. Das Thema ist natürlich sehr relevant, da das öffentlich-rechtliche Fernsehen die jungen Menschen leider nicht mehr in dem Maße erreicht, wie das der Fall sein sollte. Wir suchen nach Wegen aus dieser Misere. Es wird interessant sein, zu sehen, ob in Zukunft ein Jugendkanal das Allheilmittel sein kann…

Sehen sie die Notwendigkeit eines solchen Senders?

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben wenige Programme, die sich an junge Zuschauer richten. Diese Programme müssen zuerst einmal sichtbar gemacht werden, damit man sie wahrnimmt. Wie, ist eigentlich egal – ob Jugendkanal, Youtube, Hauptprogramm oder per DVD an die beiden zwei verbliebenen jungen Zuschauer schicken. Ein Jugendkanal sollte aber auf keinen Fall ein Feigenblatt sein, während im Hauptprogramm alles gleich bleibt, wir immer den gleichen Mist zeigen und bei Fragen nach innovativen Inhalten auf den Jugendkanal verweisen. Das geht auf gar keinen Fall.

Was halten sie vom trimedialen Reformvorschlag, der Zusammenführung von Fensehen, Hörfunk und Online?

Generell ist guter Inhalt das Wichtigste. Egal, auf welchem Kanal. Und guter Inhalt wird sich auch durchsetzen. Klar, in Zukunft werden wir Fernsehen vielleicht nicht mehr auf dem Fernsehgerät sehen, sondern auf dem Computer. Das wird alles verschmelzen. Aber man sollte keinen Müll verschmelzen.

In ihrer Sendung „Walulis sieht fern“ setzen Sie sich satirisch mit den bekannten Sendungen des deutschen Fernsehens auseinander. Aber wie beurteilen sie andere Programme? Wie gefällt ihnen das Angebot an Informations- und Kultursendungen auf den Öffentlich-Rechtlichen?

Mit diesen Sendungen werden wir uns auch noch auseinandersetzen. Das kommt schon noch. Ein paar Sachen müssen wir uns ja auch noch aufheben und die Kultur kommt ja immer zuletzt. Ich finde, dass es durchaus sehr gute Sendungen gibt. Auch wenn man sie nicht immer anschaut. Man muss ja jetzt nicht alle „Aspekte“-Folgen aufnehmen oder sie die ganze Zeit in der Mediathek anschauen. Aber es ist extrem wichtig, dass die öffentlich-rechtlichen Angebote ein breitgefächertes Kulturangebot beinhalten.

Mit der steigenden Wichtigkeit des Internets und neuen Medien, hat das Fernsehen eine Überlebenschance?

Wenn man Fernsehen nicht als den Verbreitungsweg sieht, sondern als einen Ort, an dem Menschen gerne Geschichten erzählen, unterhalten, aufdecken und erklären, dann definitiv. Es gibt sehr viele junge Fernsehmacher, die total begeistert sind, die neue Erzählweisen ausprobieren, die im Internet und im klassischen Fernsehen zuhause sind und in denen vor allem die Leidenschaft für gute Inhalte brennt. Diese Leidenschaft darf nicht mit einer Löschdecke aus Quotenhörigkeit, Mutlosigkeit und internen Grabenkämpfen gelöscht werden. Es wäre wünschenswert, dass diese Leute ihre Motivation nicht verlieren und nicht von Fernsehmachern zu Fernsehverwaltern werden. Klar, wenn man jetzt vom Hauptprogramm aus die Tür zu den Leuten öffnet, die für neues Fernsehen brennen, dann kann es durchaus zu einem Backdraft-Effekt kommen und Rosamunde Pilcher die Perücke ankokeln – aber das Risiko sollten wir eingehen!
Interview: Philipp Großmann

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