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Kaufhaus-Pleiten: Soll sich die Stadt mehr einmischen?

Nach Corona-Krise, Kaufhof-Insolvenz und Benko-Pleite standen in den vergangenen Jahren viele Kaufhäuser in ganz Deutschland zum Verkauf. Wie sollen die Konsum-Tempel in Zukunft genutzt werden? Diese Frage stellt sich auch deshalb, weil immer mehr Menschen fast ausschließlich im Internet bestellen. Sind Kaufhäuser noch zeitgemäß? Wir blicken in andere Städte und haben bei den Münchner Rathausfraktionen nachgefragt.

Diese Münchner Kaufhäuser wurden in den letzten Jahren geschlossen!

Zunächst mal: In München ist das Kaufhaussterben nicht so dramatisch wie andernorts. Als 2024 bekannt wurde, dass 16 von damals 92 Galeria-Filialen deutschlandweit schließen müssten, konnten die Münchner*innen aufatmen: Keins der vier Häuser aus dem Stadtgebiet war betroffen (dafür drei in Berlin, drei im Rest von Bayern und drei in NRW). Vor allem beim Rotkreuzplatz war die Erleichterung im Viertel groß, dass der Galeria-Standort gehalten werden konnte.

Vor 2024 gab es aber auch in München Schließungen. Der Konzern Galeria-Karstadt-Kaufhof hatte in den letzten Jahren schließlich ganze drei Insolvenzen durchlebt.

Den Betrieb eingestellt haben zuvor schon Galeria Kaufhof am Stachus (2022), Karstadt am Hauptbahnhof (2023) und Karstadt am Nordbahnhof (2021). Weiterhin offen sind die Einkaufszentren OEZ und PEP an der nördlichen beziehungsweise südlichen Stadtgrenze.

So agieren andere Städte

Dauerhaft können die Standorte aber nur erhalten werden, wenn sie rentabel sind (und die Leute auch dort einkaufen). Wo das nicht klappt, stellt sich die Frage, wie man die Immobilien zwischen- oder nachnutzen kann. Nachdem Investor*innen und Banken derzeit eher zaghaft am Markt agieren haben sich mancherorts die Kommunen selbst ins Spiel gebracht. Schließlich sind die Immobilien oft in zentralen Top-Lagen gelegen.

Hamburg: Das „Jupiter“ macht aus Kaufhaus einen Kunstplaneten:

In Hamburg wurde ein ehemaliges Karstadt-Sport-Gebäude zum „Kreativplaneten Jupiter“ umfunktioniert – nachdem es zuvor einige Zeit leer stand. Kreative Köpfe bespielen das Haus derzeit mit Kunst, Musik, Design und Aktionen auf sechs Etagen und 8.000 Quadratmetern – darunter auch Hamburger Ausstellungshäuser. Im Erdgeschoss ist ein Pop-Up-Store mit afrikanischen Produkten. Laut Angaben der Stadt Hamburg ist das Projekt derzeit „Deutschlands größte innerstädtische Zwischennutzungsfläche für Kreative“.

Dank günstiger Mieten (1,50 €/m²) sind auch nicht-kommerzielle Projekte möglich. Die Stadt Hamburg trägt selbst nur die Nebenkosten und vermietet unter. Dieser Deal wurde mit dem Eigentümer des Gebäudes R+V Lebensversicherung AG ausgemacht.

Neuss: Leerstand-Prävention und Misch-Nutzung in der Einkaufsstraße

Die Schließung des Galeria-Kaufhauses in Neuss bei Düsseldorf im Sommer 2024 hat die lokale Politik alarmiert. Bevor es ein anderer oder keiner tut, hat die 160.000-Einwohner-Stadt den Betonklotz aus den 1970er Jahren für etwa 12 Millionen Euro prompt selbst gekauft. Man wollte damit auch verhindern, dass ein längerer Leerstand negativ auf die umliegende Einkaufsstraße wirkt und ein Domino-Effekt entstehen könnte. OB Reiner Breuer: „Die Zeit der großen Warenhäuser ist vorbei.“ Man konzipiert derzeit eine Mischnutzung unter dem Namen „Der Konvent“.  Im Erdgeschoss soll eine Markthalle entstehen, während die oberen Etagen, inklusive des ehemaligen Galeria-Restaurants mit Terrasse, möglicherweise von der IHK genutzt werden. Auch Hotels zeigen wohl Interesse. 2026 soll der Erdgeschoss wieder öffnen. OB Reiner: „Wir brauchen weniger Verkaufsfläche Die Frage ist, was man außer dem Paterre, das immer gut laufen wird, darüber machen soll.“

Nürnberg: Aus Galeria Kaufhof wird ein Bildungsstandort

Galeria Kaufhof, die nächste: Auch der 1950 eröffnete Standort in Nürnberg musste 2023 schließen (Größenordnung: 23.000 Quadratmeter). Die Kommune hat die Immobilie 2024 dann für etwa 30 Millionen erworben. Langfristig plant sie dort ein Zentrum für Bildung. Und vielleicht auch ein schönes Café auf dem Dach. Nürnberg hat derzeit allgemein mit Leerstand in der Innenstadt zu kämpfen. Sowohl die Universitäten als auch die Handelskammer hätten Interesse bekundet, in das Projekt mit einzusteigen, heißt es. Auch ein mittelgroßes Kongresszentrum fehlt der Stadt – hier könnte es Platz finden.

Langfristig will die Kommune die Immobilie wohl wieder veräußern, wenn der Standort entwickelt ist. Kurzfristig ist eine Belebung durch kulturelle Zwischennutzungen und Pop-Up-Stores geplant.

Das sind nur drei Beispiele, wie ehemalige Kaufhausimmobilien durch aktive Kommunalpolitik umgenutzt werden. Man findet weitere. Etwa in Offenbach, wo die Stadt den ehemaligen Kaufhof erworben hat und dorthin eine moderne Bibliothek mit Arbeitsplätzen, Makerspace und Gaming-Bereichen plant. Oder in Braunschweig und Düsseldorf, wo jeweils ein Konzerthaus aus ehemaligen Kaufhaus-Immobilien werden soll.

Was kann die Stadt München tun?

Was denken die Politiker*innen in München zum vielzitierten Innenstadtsterben, zu drohenden Leerständen in den hiesigen Kaufhäusern? Wir haben nachgefragt bei Grünen, CSU und SPD*.

Auch Sebastian Weisenburger, Fraktionsvorsitzender Die Grünen – Rosa Liste, beobachtet den Wandel in Innenstädten: „Was wir erleben, ist, dass für die Menschen beim Innenstadtbesuch zunehmend das Besuchserlebnis im Vordergrund steht und weniger die reine Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen.“ Online-Shopping und auch Homeoffice führten zu geringeren Besucher*innenfrequenzen in den Fußgängerzonen.

Münchens verbliebene Kaufhäuser sieht er nicht in Gefahr. „Die Kaufkraft in München ist seit vielen Jahren mit Abstand die höchste im deutschen Großstadtvergleich.“ Daher sei auch die Nachfrage nach innerstädtischen Verkaufsflächen in München immer noch gegeben.

Beim Thema Leerstand verweist er auf das aktive Management der Stadt. Man nehme Kontakt zu Eigentümer*innen auf, vermittelt Interessent*innen und leistet organisatorische sowie finanzielle Unterstützung für innovative Zwischennutzungskonzepte wie beim Fat Cat im sanierungsbedürftigen Gasteig.

Die Grün-Rosa-Liste will alteingesessene Gewerbetreibende und Dienstleister*innen bei der Digitalisierung ihres Geschäftsmodells und beim Einstieg in den Online-Handel aktiv unterstützen. Dazu wurde etwa ein digitaler Stadtrundgang konzipiert, über den Besucher*innen auf verschiedenen Routen interessante Münchner Geschäfte, Handwerk und Gastronomie kennenlernen können.

Um Menschen weiter in die Innenstädte zu ziehen, müsse die Aufenthaltsqualität erhöht werden. Dazu Weisenburger: „Menschen kommen immer noch zum Shoppen in die Innenstadt, sie wollen aber auch in die Gastro, eine Ausstellung besuchen oder sich einfach in der Stadt treffen, an einen Platz setzen und ratschen.“ Die Grünen setzen daher auch auf Maßnahmen wie Sommerstraßen, Schanigärten und Interventionen für ein angenehmes Mikroklima im Sommer – etwa durch Beschattung und Begrünung von Plätzen.

„Steine im Weg“ – CSU-Fraktionsvorsitzender Pretzl übt Kritik

Manuel Pretzl, Fraktionsvorsitzender der CSU und Freien Wähler gibt der Stadtregierung beim Support des Einzelhandels dagegen schlechte Noten: „Leider macht die grün-rote Stadtregierung oft das Gegenteil und legt den Einzelhändlern buchstäblich Steine in den Weg: Baustellen, die ewig dauern und Straßen, die nicht mehr für alle befahrbar sind.“ Er findet, die Attraktivität der Innenstadt würde durch eine falsche Verkehrspolitik massiv eingeschränkt. „Die regelmäßigen Sperrungen der Stammstrecke tun ihr Übriges.“

Der CSU-Fraktionsvorsitzende hält nichts davon, ein hiesiges Kaufhaus zu übernehmen oder umzunutzen: „Die Münchner Innenstadt ist durch Handel und Gastro geprägt und soll es auch bleiben. Im Gegensatz zu vielen kleinen und mittelgroßen Städten hat München noch das Potenzial für einen funktionierenden Einzelhandel.“ Die Stadt München hätte derzeit ohnehin nicht die finanziellen Möglichkeiten, Immobilien in dieser Größenordnung zu kaufen. „Die Haushaltslage ist miserabel.“

Alternative Nutzungsformen kommen für ihn daher bei temporärem Leerstand in Frage. Aber nicht dauerhaft. „Wir haben zum Beispiel schon vor Jahren vorgeschlagen, die Entstehung von Pop-up-Stores und Pop-up-Verkaufsständen in der Innenstadt zu vereinfachen – durch eine Art städtische Kooperationsbörse zwischen den Eigentümern der Flächen und interessierten Organisationen und Firmen. So könnten auch kleinere Firmen, Start-ups oder kulturelle Veranstalter zentrale Plätze finden.“

Außerdem erwähnt Pretzl die positiven Effekte von Events wie der Fussball-EM und der Adele-Konzerte: „Solche Ereignisse stärken München und unsere Innenstadt enorm“. Noch etwas ist im wichtig: Die Innenstadt müsse sicher und sauber sein.

Kaufhäuser sind auch ein Stück BRD-Nostalgie

Der erste Impuls bei der drohenden Schließung eines Kaufhaus-Standorts ist oft: Retten, was zu retten ist. Mit den Vermieter*innen sprechen, Hilfen anbieten, versuchen Mitarbeiter*innen anderweitig zu vermitteln. Nicht immer sind die Standorte unrentabel – manchmal sind für Schieflagen die Insolvenzen der dahinter stehenden Konzerne und Missmanagement ursächlich.

Für viele Stadtbewohner*innen haben Kaufhäuser nicht zuletzt einen emotionalen, bisweilen nostalgischen Wert. Irgendwie steht das Kaufhaus schließlich auch für die goldenen Jahre der Bundesrepublik, den Segen der Warenwelt: Wirtschaftswunder, Wollpullover, Weihnachtskäufe. Alles an einem Ort – immer verfügbar. Frühste Kindheitserinnerungen führen wohl nicht selten in die Spielzeugabteilungen von Warenhäusern. Deren Schließungen werden deshalb oft hörbar bedauert.

Schließungen in München – drei prominente Fälle

Galeria Kaufhof am Stachus: Im September 2022 war nach über 70 Jahren Schluss – der Mietvertrag lief aus. Seitdem gab es hier ein kurzes Gastspiel der ambitionierten Zwischennutzung „Lovecraft“ von Michi Kern (das im Streit mit dem Immobilienbesitzer Zechbauer endete). Aktuell ist hier vorübergehend eine unautorisierte Banksy-Ausstellung zu sehen.

Karstadt am Hauptbahnhof: Die Filiale in der Schützenstraße, einst eines der größten Kaufhäuser Deutschlands (ehemals Hertie), schloss am 30. Juni 2023. Der denkmalgeschützte Teil des 1905 erbauten Gebäudes wird derzeit kernsaniert und es sind Neubauten mit einer Mischnutzung geplant (Einzelhandel, Gastronomie, Büros und eventuell Wohnungen). Die insolvente Signa-Gruppe von René Benko bietet das Projekt aktuell Investor*innen zum Verkauf an.

Karstadt am Nordbad: Das beliebte Kaufhaus wurde bereits 2021 abgerissen. Hier sollte bis 2025 ein Markthallen- und Bürokomplex für bis zu 1000 Arbeitsplätze samt Kita, Gastro und Orangerie mit Wald auf dem Dach entstehen. Dann kam 2024 ein Baustopp: Momentan sieht man immer noch die Baugrube. Bauherr Pfender gegenüber dem Münchner Merkur zur Verzögerung: „Der Markt ist wahnsinnig schwierig – und die Banken nach der Benko-Pleite noch vorsichtiger.“ Deshalb müssten Bauprojekte im Vorfeld schon fast zur Hälfte vermietet sein. 2026 soll jetzt alles fertig werden.

Warten auf den oder die Käufer*in

Die Zeit großer Kaufhäuser in München ist noch nicht vorbei. Für den Moment scheint das Geschäft erst mal gesund geschrumpft. Spannend bleibt, was in die Prestige-Immobilien am Hauptbahnhof (ehemaliger Karstadt), am Stachus (ehemaliger Galeria Kaufhof) und auch in die Alte Akademie (Fußgängerzone) letztlich kommt. Die Hauptbahnhof-Immobilie steht nach Informationen der Redaktion immer noch zum Verkauf. Für die Alte Akademie gab es zumindest im Herbst schon einen ernsthaften Interessenten laut tz.

Von der Stadtregierung, aber auch von der Opposition ist indes wenig Motivation zu vernehmen, Gebäude in zentraler Lage aktiv zu erwerben oder zu entwickeln – auch für andere Nutzungen als beispielsweise den Einzelhandel. Weder ist die Stadt in der Verlegenheit, das zu tun – etwa weil wie in anderen Kommunen dauerhafter Leerstand droht – noch legt es der knappe Haushalt nahe, wo es derzeit an allen Ecken und Enden fehlt.

 

Weiter wie bisher? Das ist zu wenig, findet Architekt und Dozent Benedikt Esche (Kollektiv A). In einem Gastbeitrag erklärt er uns seine Idee vom „Dorf in der Stadt“, welches ehemalige Kaufhäuser werden könnten.

Bild: © Thomas Mandl

*Anmerkung: Wir haben die drei Rathausfraktionen Grüne-Rose Liste, CSU/Freie Wähler und SPD-Volt angefragt. Von SPD-Volt lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor – daher ist deren Position nicht berücksichtigt.