Kultur, Was machen wir heute?

“Ich habe nicht mehr ständig acht Sachen gleichzeitig gemacht”

Charlotte Radziwill
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In seinem Buch „Ich bin dann mal Offline. Leben ohne Internet und Handy“ erzählt der bekennende Online-Junkie Christoph Koch von seinem Selbstversuch in Tagebuchform. Am Freitag liest er daraus im Atomic Café. Charlotte Radziwill hat ihn für uns am Festnetz-Telefon erwischt.

Was haben Kanus und Kajaks mit dem Internet zu tun?

Christoph Koch: Der amerikanische Forscher George Dyson hat einen schönen Vergleich angestellt: Früher haben Menschen, die auf baumlosen Inseln lebten, Kajaks gebaut, das heißt, sie haben Treibholz vom Strand zusammengesammelt und daraus unsere Boote  gebaut. Das ist vergleichbar mit Informationen, die wir früher mühsam sammeln mussten. Heute hingegen sind wir eher wie die Völker die Einbaumkanus gebaut haben. Die hatten riesige Regenwaldbäume – das ist dann gleichzusetzen mit Massen an Information. Anders als Kajak-Bauer haben Kanu-Bauer die Aufgabe, möglichst viel von alldem, was um sie herum ist, wegzumachen. Also Bäume auszuhöhlen oder Informationen zu ignorieren, die irrelevant sind. Nicht Sammeln sondern Wegwerfen und Filtern ist für uns heute besonders wichtig. Vom Kajak zum Kanubauer – das hat Dyson als Metapher für die  Veränderung unserer Informationswelt genommen. Und das Internet verlangt von uns in besonders hohem Maße, zu sortieren.

Erst hast du für deinen Selbstversuch nur 30 Tage angesetzt. Dann aber verlängert. Warum das?

Nach den angesetzten vier Wochen hatte ich das Gefühl, den Entzug einigermaßen gut zu verkraften. Und da war es dann sogar fast einfacher, offline zu bleiben. Mir erschien das auf einmal irgendwie weniger stressig. Auch weil ich keine Sehnsucht nach einer Unmenge von unbeantworteten Mails hatte.

Was hat dich in deiner Offline-Zeit am meisten an dir selbst überrascht?

Am Anfang war die größte Überraschung, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte permanent online zu sein. Wie oft ich noch zum Computer gegangen bin und gedacht habe, das schau ich jetzt mal eben schnell nach. Oder wie oft ich, wenn ich unterwegs war in die Hosentasche gefasst habe, weil ich da das Handy vermutete . Dass man tatsächlich schon so ein Gewohnheitstier geworden ist.

Und hat sich das mit der Zeit verändert?

Im Laufe der Zeit hat mich dann eher überrascht wie gut es doch auch ohne geht – und wie angenehm ich es fand, mich auf wenige Dinge zu besinnen. Ich habe nicht mehr ständig acht Sachen gleichzeitig gemacht. Mir hat gefallen, etwas selbstbestimmter den Tag zu gestalten – anstatt von der ersten Minute auf Mails zu reagieren.

Welche Internetseite hast du in der internetfreien Zeit  am meisten vermisst?

Keine einzelne Seite, aber dass ich ohne Internet, E-Mail und SMS doch so stark gesellschaftlich abgeschnitten sein würde, hatte ich so nicht erwartet. Denn fast alle Treffen mit Freunden in der realen Welt werden ja inzwischen per Computer oder Handy verabredet.

Wie hat denn dein Umfeld auf deinen Selbstversuch reagiert?

Die meisten waren neugierig. Und in vielen Fällen sogar ein bisschen neidisch. Insgesamt waren die Reaktionen überraschend positiv.

Du arbeitest ja als Journalist. Deine Auftraggeber waren dann – bei allem Verständnis – doch sicher auch froh, dass deine Offline-Zeit irgendwann mal wieder vorbei war.

Auf jeden Fall.

Dann ist ein Leben ohne Internet für dich also keine dauerhafte Option.

Dauerhaft wäre das allein beruflich wohl nicht möglich. Und das gilt mittlerweile wohl für die meisten Jobs. Gar nicht mehr digital erreichbar zu sein, können sich sicherlich nur die wenigsten erlauben.

Würdest du deinen Selbstversuch denn anderen empfehlen?

Ja. Denn es ist schon sehr spannend, wenn man sieht, was einem plötzlich am meisten fehlt.

Hat sich dein Internetverhalten durch deine begrenzt verordnete Auszeit dauerhaft verändert?

Samstags halte ich jetzt recht erfolgreich so etwas wie einen Online-Sabbat ein. Davon abgesehen bin ich aber eigentlich wieder genauso schlimm wie zuvor.

LESUNG, Freitag, 4.2., 20 Uhr

Ich bin dann mal offline … – Ein Selbstversuch von Christoph Koch.
Leben ohne Internet und Handy.
8 Euro
Danach: The smart club mit Sir Hannes
Atomic Cafe

Neuturmstr. 5

Haltestelle: Isartor  //  MVG: Bus 132, Tram 17, 18, N17, S-Bahn

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