Kultur, Live

Lali Puna – Our Inventions

Sebastian Gierke
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Lali Puna sind zurück. Nach fünf Jahren ein neues Album von Valerie Trebeljahr und Co. Und das Lali-Puna-Gefühl, das ist noch da.

„The birds in the trees / Singing our mobile melodies / What a sweet sweet world.” Das sind die ersten Zeilen, die Valerie Trebeljahr in dem Song “Our Inventions” singt.

Tatsächlich haben die Vogelexperten vom Naturschutzbund schon vor einiger Zeit herausgefunden, dass Vögel Handy-Melodien nachahmen. Trebeljahr hat das gelesen und zu dem Song Our Inventions verarbeitet, nachdem auch das neue Lali Puna Album benannt ist. Unsere Erfindungen. Unsere Erfindungen, die dazu geführt haben, dass Vögel nicht mehr piepsen wie Vögel, sondern wie Telefone.

Darum geht es auf dem Album. Um Fortschritt und Zukunftsgläubigkeit. Fortschritt, der allerdings heute nur noch begrenzt für Hoffnung sorgt. Der Glaube an eine bessere Zukunft durch technische Neuerungen ist den meisten schon lange abhanden gekommen. Sieg über das Leid, Unsterblichkeit, Überwindung der Natur? Vorbei. Geblieben von diesen Träumen ist Desillusion. Und ganz profan: Technik spart Zeit, aber was wenn man aus der Zeit nichts macht?

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Lali Puna
haben aus ihrer Zeit etwas gemacht. Vor zwölf Jahren erfanden sie in Weilheim Indietronics und sind mittlerweile vor allem im Ausland mindestens so erfolgreich und anerkannt wie die Bruderband The Notwist. Weil alle Bandmitglieder aber noch in anderen Gruppen aktiv sind, dauert es immer einige Zeit, bis die Band ihren Fans ein neues Album schenkt. Außerdem ist Valerie Trebeljahr Mutter geworden. Und so sind seit dem letzten Lali Puna-Album schon wieder fünf Jahre vergangen.

Musikalisch verändert hat sich mit dem nunmehr vierten Longplayer wenig. Trebeljahr, Markus Acher, Christoph Brandner und Christian Heiß haben sich nicht neu erfunden, auch weil dazu kein Grund bestand. Die beim vorhergehenden Album noch dominanten Gitarren und das Schlagzeug sind zu Gunsten der Elektronika zwar etwas in den Hintergrund getreten. Doch das Lali Puna-Gefühl ist geblieben: Die Band beweist wieder, dass die im Pop eigentlich unvereinbaren Eigenschaften Tiefe und Seele auf der einen und Coolness und Künstlichkeit auf der anderen Seite doch zu einem in sich konsistenten Amalgam verschmelzbar sind. Sie haben schlichte, wunderbare Lieder geschrieben, kaum experimentell, auch nicht avantgardistisch, aber aufregend, fragil, zwischen schillernder Statik und Entwicklungsspannung. Und dazu die unaufdringlich gehauchten, distanzierten Melodien von Trebeljahr. Ihre Stimme ist ein Sprühverband für das vom ewigen Fortschritt angegriffene Gemüt. Die musikalische Philosophie dahinter: gegen den Größenwahn, gegen eine Ästhetik des Exzesses. Das Geniale zeigt sich darin, auch dem kleinsten Detail mehr Bedeutung beizumessen als eigentlich notwendig wäre. Es sind die einfachen Elemente, die das Komplexe schön machen.

Und natürlich gibt es in dieser quecksilbrigen Musik der Uneindeutigkeit keine endgültige Antwort darauf zu entdecken, ob der Fortschritt nun gut oder schlecht ist. Er ist da. Genau wie die Vögel. Und gesungen wird immer.
Ach ja, elektronische Musik oder Disco-Songs kann das Federvieh noch nicht imitieren, nur einfache Klingelzeichen – sagen die Vogelexperten. Mal den Fortschritt abwarten.


Lali Puna feiern das Erscheinen ihre neuen Platte in der Favorit Bar – und legen dazu andere Platten auf.
8. April ab 21 Uhr (Damenstiftstrasse 12)

[Disclaimer: Der Text ist in ähnlicher Form auch in der SZ erschienen.]

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