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Mein Name ist Jovo (1/2)

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Anmerkung: Ich habe zehn Tage lang die Organisation OneDollarGlasses in Bénin begleitet und aktiv mitgearbeitet. OneDollarGlasses entwickelt Brillen mit Materialkosten für weniger als 1 Dollar pro Stück, die von ansässigen Partnerorganisation in Entwicklungsländern langfristig selbst hergestellt und verkauft werden sollen. Das Ziel ist, ein nachhaltiges Konzept vor Ort zu erschaffen, mit dem Menschen erreicht werden, die auf eine Brille angewiesen sind und sich bis dato keine leisten können.

Erst in Afrika wurde mir bewusst, dass der Satz „das ist eine andere Welt“ mindestens genauso fälschlich und oft verwendet wird, wie die omnipräsenten drei Worte über die Liebe. Ich dachte mir immer, dass wir doch trotz allem auf dem gleichen Planeten leben, dass wir nachts unter dem gleichen Sternenhimmel schlafen. Wo soll diese andere Welt denn immer sein? Bis ich hier ankam, nicht nur in der Hafenstadt Cotonou, sondern mitten auf dem Land, mitten im Nirgendwo, mitten in Westafrika. Und erkenne: Die andere Welt ist hier.

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Guten Abend, Cotonou

Die tropische Feuchtigkeit klatscht mir ins Gesicht. Das wiederum wird von jedem um mich herum inspiziert. Ich brauche immer eine Weile, um mich daran zu gewöhnen, von allen Seiten angestarrt zu werden.
Ich steige ins Auto und klebe ab dem Moment am Fenster.

Verrostete Autos am Straßenrand, aus denen Palmen wachsen. Ein zähfließender Verkehr, der keine Regeln kennt, außer der, dass jeder in die gleiche Richtung muss. Müll, überall Müll, der Boden ist übersäht von Plastik. „Wir müssen kurz tanken“, sagt Modeste, unser Übersetzer. Wir fahren rechts ran und halten an einem Holztisch, auf dem alte Rumflaschen und riesige Glasgefäße mit bräunliche Flüssigkeit stehen. „So tankt man hier?“, frage ich, und Modeste nickt, als von dem Verkäufer der Trichter angesetzt wird.

Vier Tage bin ich in Cotonou, der Hafenstadt mit einem Strand, der in der Theorie Potenzial hätte, würde nicht in der Praxis ein kaputtes Flugzeug mittendrin stehen und die Menschen ihr Geschäft dort verrichten. Doch trotz der Armut, des Drecks, der Schotterpisten ohne Namen und dem Wissen, dass ich mittendrin bin in einem Herd aller möglichen Krankheiten, fühle ich mich seltsam sicher. Von den Menschen geht ein ganz besonderer Vibe aus. Sie sind fröhlich, distanziert und respektvoll. Und genau dieses Gefühl wird in den kommenden zehn Tagen nicht einen Millimeter verrutschen – kein Wunder, dass Bénin als eines der sichersten Länder Afrikas gilt.

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Ankunft in Dassa

Für nicht mal 200 Kilometer benötigen wir rund sechs Stunden Fahrt. Teilweise sind die Straßen gar nicht mal so schlecht, fast schon ebenmäßig geteert möchte man sagen, bis das Auto plötzlich einem Schlagloch ausweicht, das so tief ist, dass ich dessen Boden nicht sehen kann. Vor allem die Vielzahl der LKW macht es schwer, schnell voranzukommen.

Am späten Abend kommen wir schließlich in Dassa, einer Kleinstadt, wie ich es bezeichnen würde, an und beziehen müde, aber glücklich und positiv überrascht unser Hotelzimmer. Die ganze Herberge ist an den frühen Kolonialstil angelehnt, die Zimmer einfach, aber hübsch und vor allem: richtig sauber. Genau das ist hier wirklich immer ein Glücksspiel. Als ich den Hahn aufdrehe und kein Wasser herauskommt, ist der Knackpunkt allerdings klar.

„Fließendes Wasser ist hier nicht immer zu haben“, wird mir gesagt. Nachdem sich mein Handy problemlos ins Wifi einloggt und dies auch noch funktioniert, muss ich lachen. Da sitzt man mitten in Westafrika ohne funktionierendes Wassersystem, aber Internet, das gibt’s. Zumindest weiß ich jetzt, dass ich – komplett eingeschäumt und mit ein bisschen Technik – nur eine 1,5 Liter Wasserflasche brauche, um mich abzuduschen.

Der große Tag – die Landkampagne startet

Am nächsten Morgen und einer schlaflosen Nacht, weil starker Regen auf Welldächer und dichtem Grün so laut sein kann, dass man sich anschreien muss, kommt der Rest des Teams zu uns ins Hotel für das große Meeting. Der Rest des Teams bedeutet: Der Chef der Partnerorganisation in Bénin, ein Ophthalmologe, ein Brillentechniker, ein Marketingmädel (das lasse ich mal so stehen), ein Übersetzer und ein Fahrer. Es wird debattiert über den heutigen Tag und die Vorgehensweise im ersten Dorf. Dass das Konzept hier nicht von Anfang an wie eine Bombe einschlagen wird, ist einigen von uns absolut klar. Andere sind optimistischer.

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Nach 40 Minuten Fahrt über roten Sand und an saftig grüner Landschaft vorbei, erreichen wir das Dorf und werden empfangen mit Kinderlachen oder dem typischen Pokerface von Jung und Alt. Ich glaube, die Menschen sind nicht skeptisch oder ablehnend, doch viele von ihnen zeigen einfach keine Reaktion, auch nicht, wenn man sie anlacht oder ihnen zuwinkt. Wiederum andere – vor allem die Jungen – flippen komplett aus, als sie uns sehen und rufen den Titel des Kinderliedes „Jovo, Jovo“, was für „Weiße, Weiße“ steht. Zum ersten Mal bekomme ich einen Vorgeschmack darauf, wie es sich anfühlt, auf die Hautfarbe reduziert zu werden.

Eine Art Gemeindesaal wird uns vom Dorfchef geöffnet und sofort strömen die Kinder herein und beobachten uns beim Aufbau. Ich habe mich noch gar nicht an ihre Omnipräsenz gewohnt und schaue sie immer wieder an. Noch nie zuvor habe ich so schöne und vor allem brave Kinder gesehen. Meinen ganzen Aufenthalt hinweg habe kein einziges Mal ein Baby schreien oder ein Kind nörgeln gehört. Eine Tatsache, die mir damit erklärt wird, dass die Babys jahrelang auf dem Rücken der Mutter getragen und somit erst nach einigen Jahren von ihr getrennt werden.

Nachdem wir die Abfolge besprochen und die bereits wartenden Menschen begrüßt haben, legen wir los.

Wie der erste Tage abläuft, welche Bilanz wir ziehen können und warum ich nur noch lachen kann, als uns auf dem Heimweg der Auspuff herunterkracht, wird im zweiten Teil zu lesen sein.

 

 

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