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Münchner Erlebnisse mit nichtmenschlichen Dienstleistern. Diesmal: Nächtlicher Postbesuch.

Wieder einmal nur eine Karte. Ich habe Konzertkarten bestellt, im Internet, aber statt der Tickets liegt eine Benachrichtigungskarte der Deutschen Post im Briefkasten. Ich solle die Sendung bei einer gewissen Packstation 107 abholen – was das ist, habe ich so grob schon mal gehört, wie genau es funktionieren soll, davon habe ich nicht die leiseste Ahnung.

Ist mir gerade auch sehr egal. Vielmehr will ich Anklage gegen die Deutsche Post erheben. In Person gegen ihre Zusteller in den Postleitzahlgebieten 01187 sowie 80335. Denn wann immer ich ein Paket erwarte, werde ich von ihnen gelinkt. Erst in Dresden Plauen, dann in der Münchner Maxvorstadt, wo ich heute wohne. Es handelt sich offenbar um ein gesamtdeutsches Phänomen: Ich verlege Termine und schwänze die Uni, nur um Pakete persönlich in Empfang nehmen zu können. Ich verbringe ganze Vormittage mit dem Ohr an der Tür, um nur ja nicht das erlösende Klingeln des Postmanns zu verpassen. Er muss nicht dreimal klingeln, das erwarte ich gar nicht, ein einziges Mal würde mir genügen. Aber es klingelt nie einer. Stattdessen werfen sie herzlos schnöde Benachrichtigungskarten in meinen Briefkasten: Leider sei es heute nicht möglich gewesen, mir die Sendung(en) zuzustellen. Von wegen.

Zugriff um 2:43 Uhr

Wenn das so weitergeht, werde ich an der Packstation meinen Unmut artikulieren und mit dem Schnürschuh feste dagegen treten. Ich bin wahrlich kein Freund von Vandalismus, aber die Deutsche Post hat mich nun mal provoziert. Der Beweis, die Benachrichtigungskarte, liegt jetzt schon ein paar Tage auf meinem Schreibtisch, ich habe sie bisher erfolgreich ignoriert. Gerade noch rechtzeitig schiele ich aber doch hinüber: Die Frist zur Abholung läuft in dieser Nacht aus, danach wird es vielleicht teuer für mich. Als Ausgabestelle ist keine Filiale, sondern eben jene Packstation 107 angegeben. Und weil der Gesetzgeber für Paketautomaten (noch) keine Öffnungszeiten beschlossen hat, mache ich mich um 2.43 Uhr auf den Weg.

Dieser Weg ist steinig, der Schotter knackt unter den Autoreifen. Die Nacht hängt pechschwarz über der Baustelle, auf der gerade ein Supermarkt hochgezogen wird. Unwirtlich ist es hier, im Kopf gehe ich schon mal das Eröffnungsplädoyer für den Prozess durch. Doch plötzlich ist da Licht, am Ende der Schotterpiste. Wie ein kleines, gelbes Raumschiff steht und surrt sie da, die Packstation, und irgendwo in ihrem Bauch liegen meine Konzertkarten. Ich lasse die Benachrichtigungskarte von einem Lesegerät scannen, tippe auf dem Touchscreen meinen Namen ein und unterschreibe sogar mit dem Zeigefinger darauf. Das fühlt sich unfassbar cool an, sieht aber furchtbar aus, als hätte man einem unbegabten Zweijährigen das erste Mal einen Stift in die Hand gedrückt.

In der Zukunft

Nun will die Packstation auch noch meine EC-Karte. Es gibt angenehmere Aufforderungen als die, mitten in der Nacht auf einem gottverlassenen Schotterplatz die EC-Karte in einen sonderbaren Automaten zu stecken. Aber das Schauspiel ist es wert, denn – klick – auf einmal springt am anderen Ende der Packstation eine Klappe auf, in dem Fach dahinter liegen meine Tickets. Ich bin in der Zukunft angekommen.

Inzwischen bin ich Stammkunde und lasse mir größere Umschläge und sämtliche Pakete nur noch an die Packstation liefern. Ohne Schlange stehen oder warten zu müssen, ohne kurz nach 18 Uhr nur noch die Tür ins Schloss einer Filiale fallen zu sehen, ohne Ärger. Die von der Post haben mir sogar eine goldene Plastikkarte ausgehändigt, die im Portmonee ordentlich was her macht, und man informiert mich per SMS, wann immer eine neue Sendung zur Abholung bereit liegt. Es ist großartig.

Ich führe auch wieder ein geregeltes Leben und gehe vormittags in die Uni. Falls jetzt doch mal ein Zusteller auf die Idee kommen sollte zu klingeln, so möge er diesen Hinweis zur Kenntnis nehmen: Leider wird es heute nicht möglich sein, mir die Sendung(en) zuzustellen.

Illustration: Jörg Dommel

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