Kultur, Live

Pinter / Pause / … – Andrea Breths “Hausmeister”

„Ich sei, erlaubt mir die Bitte, in eurem Bunde die Dritte“ – jetzt wurde es ihr endlich gestattet: Andrea Breth liefert mit Pinters „Der Hausmeister“ nach Dimiter Gotscheff („Zement“) und Frank Castorf („Reise ans Ende der Nacht“) die dritte Produktion im Clan der Regiealtmeister am Münchner Residenztheater. Was unter Dieter Dorn nur fast geklappt hat, feierte unter Martin Kusej am 2. April 2014 Premiere: Breths erste Münchner Regiearbeit.

copyright: Ruth Walz

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Verharren im „wenn und Konjunktiv“
Harold Pinters „Der Hausmeister“ von 1960 sollte es werden, ein Stück ohne Anfang oder Ende, das in seinem Verharren aber doch hin und her schwenkt von Bündnis zu Verrat, von Unterwerfung zu Macht, von Konflikt zu Aggression, von Alltagsbegebenheit zu historischer Parole.

„Der Hausmeister“ erzählt die Geschichte vom alten Obdachlosen Davies, der eines Abends von Aston in dessen kahler, vollgestopfter Bruchbude Unterschlupf findet, sich aber immer mehr einnistet. Astons Bruder Mick hält ihn erst für einen Einbrecher, dann aber macht er ihn zu seinem Freund und spielt ihn gegen Aston aus. Davies ist nämlich ein Stadtstreicher, der, einmal den kleinen Finger berührt, die ganze Hand ergreift und seine Ansprüche zunehmend höher schraubt, bis ihm von beiden Brüdern unabhängig der Job als Hausmeister angeboten wird. Die Allianzen zwischen den drei Figuren ordnen sich ständig neu. Erst Aston und Davies gegen Mick, dann Mick und Davies gegen Aston; schließlich aber wollen die Brüder diesen Typen mit den zwei Namen doch wieder loswerden. Wer hier mal der Überlegene, mal der Unterlegene ist, ist irgendwann nicht mehr klar in diesem Spiel aus „immer-neu-Wahrheiten“. Es sind aber zuletzt alle drei Männer, die in ihren Ruhe-Pausen steckengebliebene und vielleicht gerade deswegen so vielschichtig realistische und manchmal etwas unheimliche Charaktere sind, die zu ihrem Ziel schon irgendwann irgendwie kommen, „wenn“ sie erst mal etwas anderes erledigen „würden“. Mick träumt von der Verwandlung dieser Bruchbude in ein Penthouse, eines mit tiefblauen, roten und pergamentfarbenen Linoleumfliesen, an dessen Wänden diese Farben noch einmal aufgegriffen werden, „wenn“ erst einmal seine Firma aus mehr als einem Lieferwagen bestehen würde… Aston, der gerade seine handwerkliche Begabung kennen gelernt hat, würde ja sofort mit der Renovierung des Hauses beginnen, „wenn“ da nicht erst noch ein Handwerkschuppen im Garten zu Bauen wäre… Und Davies könnte endlich Hausmeister werden, wenn er nicht erst seine Papiere aus Sidcup holen müsste, was aber durch das immer schlechte Wetter schier auf „nie“ gesetzt wird…

„pinteresk“, bezeichnet man dieses irgendwie klaustrophobische, irgendwie bedrohliche, irgendwie einsame Gefühl im alltäglichen Raum, eine Mischung aus Unsicherheit, Angst und Einsamkeit. Nicht zufällig erinnert es dabei an kafkaesk. Kafka und Beckett gehörten zu den Vorbildern Pinters, auch wenn er selbst sich nie in eine Reihe absurden Theaters mit ihnen stellen lassen wollte. „pinteresk“ steht aber auch für Harold Pinters ganzen Stil der „wenig-Personen-an-unbestimmt-Orten-Stücke“. Und genau hier überschneiden sich Pinters Dramatik und Andrea Breths psychorealistische Theaterarbeit.

copyright: Ruth Walz

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Die Musikalität der Sprache
Ging man in den letzten Wochen durch das Haus, so hingen schon beinah verheißungsvoll Zettel an den Türen zum Zuschauerraum, auf denen zu lesen war „Breth probt: Bitte absolute Ruhe!“ Warum, zeigte sich an diesem Abend eindrucksvoll: Es geht nicht nur „um einen Hausmeister und zwei Brüder“, wie Pinter selbst sein Stück zusammenfasst, sondern auch und Andrea Breth ganz besonders um das genaue Inszenieren dieses an sich schon so genau notierten Textes, jeder vom Autor gesetzten Pause, jedes Atemzugs und Seufzens der Figuren, jedes „…“. Das Stück lebt von seiner Musikalität der Sprache ebenso wie von der Musikalität des Schweigens. So ertönen immer wieder ein zarter, kaum vernehmbarer Hauch wie von einem ein Windspiel, (die musikalisierten „Pinter-…“) und das gelegentliche und genau gesetzte Tropfen in den Eimer, ehe die Figuren weiter aneinander vorbei reden.
Neben ihrer Liebe zur Sprache ist Breth aber vor allem für ihre feinsinnigen, tiefpsychologisierten Figurenstudien bekannt. Und da hat sie mit dieser Männer-WG unglaublich starke Schauspieler zum Bearbeiten: Hans-Michael Rehberg (der an diesem Abend nicht nur seine Bühnenrückkehr, sondern auch seinen 76. Geburtstag nach dem Schlussapplaus feierte) gibt den alten Obdachlosen, einen von diesen „Aus-dem-Fenster-Hänger“, die alles kommentieren müssen und dabei kein Blatt vor den Mund nehmen. Norman Hacker wird gewohnt perfekt zum großkotzigen Proleten mit Lederjacke und Kaugummi. Durch und durch geht einem an diesem Abend aber Shenja Lachers Aston, der mit seinen durchgehaltenen monotonen Gesprächsanschlüssen Kontakt aufzubauen versucht, versunken an Steckdosen rumschraubt, von seinem Handwerkschuppen träumt und seine Geschichte von den psychatrischen Elektroschoks an seinem Gehirn erzählt.
Sprache und Figuren kriegen ihren Raum in einer fast dreieckigen Bühne. Annette Murscherz baut eine fast dreieckige Rumpelkammer mit versifften Wänden, Einkaufswagen, Zeitungsstapel, Regalen vollgestopft mit Krims und Krams, das aber in seinem Chaos durch Aston Ordnung erhält. Dieses Zimmer wird verschieden von der Seite ausgeleuchtet, wodurch die Figuren, die sich dann darin bewegen, ihre harten Schatten an die grauen Wände werfen. Eine nackte Glühbirne hängt direkt neben dem Eimer von der Decke, zwei Elemente, die es schaffen, die Blicke aller drei Männer, die sich schon längst wieder irgendwo verloren haben, gleichzeitig auf sich zu ziehen – synchrone Pause.

Dass diesem Stück dasselbe Schicksal blühen wird wie auch „Zement“ und „Reise ans Ende der Nacht“, kann spekuliert werden. Warum? Weil Zuschauer von heute meist nicht mehr gewohnt sind, „Länge“ auszuhalten, sei sie formeller oder inhaltlicher Natur. Man erwischt sich bei diesem Abend daher immer öfter, dass nun auch die Theater-Sehgewohnheit inzwischen gepolt ist auf Action. Action gibt es bis auf ein paar Rangeleien nicht. Aber wenn man den Abend nicht eher verlassen hat, dann erlebt man etwas wie Action als sehr fein gearbeitete Mitleidssteuerung von Davies hin zu Mick, weg von Davies hin zu Aston und zurück und Action als minuziös abgestimmte Töne und als Aushalten des Schweigens.

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