Aktuell, tagebook von MUNICH NEXT LEVEL

QuartierLab Bahnhofsviertel – Wir ziehen Bilanz

MUNICH NEXT LEVEL

Liebe Stadtmacher*innen. Bitte lesen. Hier ist der Raum für was Wichtiges. 

“Ihr wisst es selbst. So eine Transformation ist kein Pappenstiel. Die aufgeregten Debatten über die so genannten Klima-Kleber sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was wir noch auszuhalten haben an ungemütlicher Konfrontation. Kein Wunder, schließlich geht es um nichts weniger als die Neuordnung unserer Wirtschaftsweise und unseres Lebensstils. Der Wandel kommt – und das mit Wucht: Es ist ein schöne, aber es ist eine unbegründete Hoffnung, dass der Umbau eines ungebremst an seine Grenzen gestoßenen fossilen Zeitalters ohne Scherben vonstatten gehen könnte. 

Wenn es heißt, dass Städte die Treiber der Transformation sind, bedeutet dies auch, dass sie der Brennpunkt der gesellschaftlichen Spannungen sind. Hier wirken die Kräfte,  die der Wandel mit sich bringt, besonders sichtbar. Unsere Aufgabe als Stadtmacher*innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Politik und Kultur sollte daher sein, einen offenen Austausch der Meinungen zu ermöglichen – und auch auszuhalten. 

Derzeit zeigt sich die gesellschaftliche Sprengkraft dieser Debatten besonders deutlich beim Kampf um Autostellplätze, in Zukunft kann es die soziale Gerechtigkeit der Wärmewende sein oder die Verteilung von Grünflächen in der Stadt.  

Zähne zusammenbeißen und durch – das wird nicht funktionieren. Wenn der Wandel fair, effizient und frei von Gewalt gelingen soll, müssen wir mehr miteinander sprechen, Argumente vorbringen als auch selber anhören und mit Leidenschaft um die beste Lösung im Sinne aller ringen. Die Aufgaben sind zu groß für eine Gruppe ehrenamtlicher Stadträt*innen und BA-Mitglieder*innen, mögen sie noch so viel ihrer Familienzeit und Freizeit in die Politik investieren. Die Herausforderungen sind zu gewaltig, als dass eine personell zu dünn ausgestattete und mit internem Wandel bereits hinreichend beschäftigte Verwaltung diese alleine lösen könnte. Aber die Aufgaben sind auch für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit aus ihrer jeweiligen Nische heraus unüberblickbar. 

Was also tun? Auf Insta posten? Auf Facebook kommentieren? Auf Twitter haten? Es ist wohl kein Zufall, dass in letzter Zeit immer wieder mit viel bildungsbürgerlicher Nostalgie das Modell der griechischen Agora als politisches, wirtschaftliches und soziales Zentrum zitiert wird, wenn es um gelungene gesellschaftliche Teilhabe geht. Die durchdigitalisierte Gesellschaft sehnt sich nach einem physischen Ort, an dem die Menschen ihr Wissen direkt vortragen, ihre Meinungen im persönlichen Gespräch austauschen und wichtige Entscheidungen gemeinsam treffen. 

Und ja, es stimmt: In Zeiten, wo Kirchen, Sportvereine und die Großfamilie als integrative Diskursräume vor unseren Augen zerbröseln, brauchen wir diese Orte dringender denn je. Wir brauchen wieder echte Räume, die Begegnungen schaffen bzw. diese Begegnung überhaupt erst ermöglichen. 

Aber wer soll diesen Raum schaffen? Eigentlich ist es so naheliegend. Wer ist in einer Stadt besser geeignet, eine neutrale Plattform des Diskurses zu schaffen, als Zeitungen oder Magazine? Gerade im Lokalen sind Journalist*innen immer schon nicht nur Medium, sondern auch Mediator*innen. Sie sind darauf gepolt, Information einzuholen, zu sichten und zu sortieren. Sie wissen, wie man Inhalte einordnet und verständlich übersetzt. Sie haben Reichweiten in diverse gesellschaftlichen Gruppen – was man heute so gerne Multi-Stakeholder-Dialog nennt. 

Also raus aus den Redaktionsstuben. Journalismus als Moderator von Transformation. Mit diesem Ansatz hat sich das Stadtmagazin MUCBOOK im vergangenen Jahr auf den Weg gemacht mit MUNICH NEXT LEVEL eine interdisziplinäre und offene Plattform zu etablieren, die dem Austausch und der Sichtbarkeit wichtiger ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Fragestellungen dient. 

Mit dem QuartierLab Bahnhofsviertel haben wir erstmals ein Reallabor durchgeführt, das sich den konkreten Herausforderungen eines Münchner Viertels widmet. Statt der immer gleichen Meta-Diskussionen über Klimawandel, die Grenzen des Wachstums und was Die-da-oben doch alles tun müssten, haben wir in insgesamt zehn Veranstaltungen auf lokaler Ebene mit Entscheider*innen, Expert*innen und Pionier*innen ganz anschaulich über Veränderungsmöglichkeiten vor unserer Haustüre diskutiert. 

Die Herausforderungen des urbanen Wandels werden derzeit kaum irgendwo so deutlich wie im Münchner Bahnhofsviertel. Im Umgriff zwischen Hauptbahnhof, Sonnenstraße und Sendlinger Tor treffen Begehrlichkeiten internationaler Unternehmen,  auf einen einzigartigen Mikrokosmos arabischer, afrikanischer und asiatischer Läden, ein ebenfalls in Transformation befindliches Rotlicht-Milieu und eine für München erstaunlich offensichtlich agierende Drogenszene. Wie gelingt es, aus dieser Gemengelage Bausteine für ein klimagerechtes und lebenswertes Quartier zu schaffen, ohne die derzeitigen Bewohner*innen und Händler*innen zu verdrängen? 

Wir haben in Panels und Workshops gefragt, was man tun kann, um den Wandel zukunftsfähig zu steuern. Wir haben Impulsgeber*innen die Bühne gegeben, um anwesenden Entscheider*innen Fenster mit dem Blick in die richtige Richtung zu öffnen. Und wir haben Raum für Rückkopplungen gegeben, in dem Projektideen gesammelt und ausformuliert wurden. Von September 2022 bis Februar 2023 haben wir im QuartierLab Bahnhofsviertel in fünf wissensbasierten LabMeetings und darauf aufbauend in fünf kreativen LabWerkstätten mit der Öffentlichkeit Zukunftsbilder diskutiert, Hindernisse definiert und Macher*innen vorgestellt. 

Jede*r der insgesamt rund 60 kuratierten Stadtmacher*innen aus den sechs Teilbereichen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Kultur wird selbst entscheiden müssen, wie gut es gelungen ist und was das QuartierLab für ihre täglich zu treffenden Entscheidungen gebracht hat. Es freut uns aber berichten zu können, dass sich bereits einige Stammtische und Projekte gebildet haben, bzw. sich in Anbahnung befinden. 

Einige Ergebnisse des QuartierLab Bahnhofsviertel voller Anregungen und inspirierender Ideen finden Sie auf den folgenden Seiten – danke an alle, die dabei waren!

Wir hoffen, dass wir mit diesem Labor einen Impuls geben können und freuen uns auf Eure Mitwirkung bei MUNICH NEXT LEVEL”


Beitragsbild: © MUNICH NEXT LEVEL / storiestobetold (Thess Fischer)

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