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S-Bahn-Südring: Bahnbau ist auch Städtebau

Welche Stammstrecken-Variante ist zukunftsfähiger für die Stadtentwicklung: Ein zweiter Tunnel unter der Altstadt oder der Ausbau des oberirdischen Bahn-Südrings? Wer den zweiten Tunnel fordert, missachtet gute Gründe, die für den Südring sprechen: Die ökologisch bessere Bilanz und wichtige städtebauliche Impulse für München. Schließlich ist Bahnbau nicht nur ein Mittel zur Verkehrslenkung sondern auch Städtebau. Die Chancen für den postfossilen Stadtumbau sollten nicht verspielt werden.

In der Diskussion um den Ausbau der 2. S-Bahn-Stammstrecke wurde bislang eine Vielzahl von Argumenten zu Bahnbetrieb, technischer Machbarkeit, Kosten und Stadtplanung umfangreich und fachlich fundiert untersucht und ausgetauscht. Aus Sicht der Forums München wurden dabei allerdings andere Herausforderungen zu wenig bedacht: Die aktuellen Herausforderungen aus Klimawandel, peak oil, einem nachhaltigen Umgang mit Energie und knappen Ressourcen und damit verbunden die Frage nach zukunftsfähigen Investitionen in die Schieneninfrastruktur.

Wir meinen, die Auseinandersetzung um die bessere Lösung muss im größeren Zusammenhang gesehen werden: München muss sich gerade bei einem so langfristig wirksamen Infrastrukturprojekt dem „postfossilen Stadtumbau“ mit Orientierung auf die „2000-Watt-Gesellschaft“ stellen. Denn die Zeiten, in denen Öl billig und reichlich zu haben war, sind vorbei – „peak oil ist jetzt“. Die ölbasierte Mobilität und Warenproduktion wird zurückgehen und durch andere Energieträger ersetzt werden. Damit werden viele städtische Funktionen und die Stadtgesellschaft insgesamt näher zusammenrücken müssen:

– München wird kompakter im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“.

– Mobilität wird deutlich teurer werden, so verliert ein wesentlicher Faktor für die anhaltende Suburbanisierung an Bedeutung, und es besteht die Chance, dass sich die Siedlungsentwicklung in der Region auf die bestehenden qualitätvollen Kleinstädte und auf die Gemeinden mit S-Bahnanschluss konzentriert.

– Die Autoflotte in der Stadt wird aus Kostengründen deutlich abnehmen und die nicht motorisierte Mobilität zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem ÖPNV entsprechend zunehmen.

– Die „polyzentrische Stadtstruktur“ Münchens mit den vorhandenen Stadtteilzentren und Quartieren wird weiter ausgebaut und in ihrer Vielfalt qualifiziert werden müssen, um den Erfordernissen einer „Renaissance der urbanen Lebens- und Arbeitsweise“ gerade bei einer weiteren Verdichtung besser gerecht zu werden.

Unter einer solchen, weiter gefassten Perspektive eines postfossilen Stadtumbaus zeigt sich die Variante Bahn-Südring als die innovativere und zukunftsfähigere Lösung. Die wesentlichen Vorteile gegenüber dem Ausbau der 2. Stammstrecke im Tunnel unter der Stadt lauten:

– Der Ausbau des Bahn-Südrings bringt zugleich Verbesserungen im Fernverkehr.

– Die notwendige Sanierung des Bahn-Südrings wird miterledigt, das spart Kosten.

– Alle S-Bahnen können über beide Stammstrecken fahren, dies ist vor allem bei Betriebsstörungen wichtig.

– Der Südring trägt zur Entlastung der City bei, so wird eine weitere Konzentration von „Zwangsmobilität“ mit den bekannten „Wachstumsschmerzen“ vermieden.

– Der Südring gibt mit dem Ausbau des Bahnhofs Poccistraße/Südbahnhof einen Impuls für die „Innenentwicklung“ mit Umstrukturierungs- bzw. Nachverdichtungspotenzialen im Sinne der Perspektive München „kompakt urban grün“ in den Quartieren Schlacht- und Viehhof, Güterbahnhof München-Süd und Großmarktgelände.

– Die neuen Haltepunkte Poccistraße und Kolumbusplatz erweitern das Einzugsgebiet der Kunden von S- und Regionalbahn und schaffen neue Verknüpfungen mit dem U-Bahnnetz.

– Der Ausbau des Südrings verbessert die Leistungsfähigkeit der Haltepunkte Laim, Heimeranplatz, Ostbahnhof und Leuchtenbergring, er eröffnet die Option für einen langfristigen Bahnhofsausbau an der Theresienhöhe und des Südbahnhofs.

– Beim Ausbau des Südrings ist im Vergleich zum Tunnelbau ein geringerer Energie- und Ressourcendurchsatz bei Herstellung, Unterhaltung und Betrieb zu erwarten, und darüber hinaus bietet die oberirdische Trassenführung Potenziale für innovative „Sonnenenergie-Produktion“.

Beim Ausbau der 2. Stammstrecke reden wir über ein Jahrhundertprojekt. Wegen des Rückgangs der vormals billigen und energiereichen Ölproduktion (peak oil) geht an einem postfossilen Stadt-umbau mit einer entsprechend angepassten Stadtstruktur in naher Zukunft kein Weg vorbei. Da-rauf müssen sich Stadtgesellschaft und Politik einstellen, gerade auch angesichts des prognostizierten Bevölkerungszuwachses.

– Als Folge dieser Entwicklung wird sich die Autoflotte aus Kostengründen auch in der wachsenden Stadt München verringern. Die Funktionsfähigkeit unserer Millionenstadt hängt wesentlich von der Mobilität und damit von der Bereitstellung eines optimal leistungsfähigen ÖPNV-Netzes ab (U-/S-Bahn, Tram, Bus, aber auch Regional- und Fernverkehr).

– Ein engmaschiges Schienennetz mit möglichst vielen Verknüpfungspunkten als Rückgrat der polyzentrischen Stadtstruktur Münchens fördert die Innenentwicklung und den Austausch zwischen den Stadtteilzentren und Quartieren.

Bei Abwägung der diskutierten Argumente und fachlichen Begründungen aus den vorliegenden Gutachten und der hier vorgestellten erweiterten Perspektive zur unabwendbaren postfossilen Stadtentwicklung halten wir den Ausbau des Südrings als 2. Stammstrecke für die intelligentere, nachhaltigere und Kosten sparendere Lösung.

Bild: S-Bahnhof Hauptbahnhof in München
Quelle: kaffeeeinstein auf flickr.com über cc-by-sa2.0

1Comment
  • Herbertkt
    Posted at 14:26h, 04 März

    bin teilweise einverstanden

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