Kultur, Live

Salewski: Rein in die Röhre

Sebastian Gierke
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In den Kammerspielen hat Salewski sein Solo-Album vorgestellt. Es war mehr “Lost Highway” als “Solaris”. Und es war großartig.

Die Zuschauer gucken in die Röhre an diesem Freitagabend im Neuen Haus der Kammerspiele. Aus der Röhre heraus strömt Musik – strömen Bilder. Die berühmten Bilder im Kopf, evoziert durch Musik. Der Regisseur des Kopfkinos sitzt hinter dem Schlagzeug: Salewski. Mit seinen Mitmusikern hat der Münchner im Bühnenbild des Theaterprojekts „Übermorgen ist zweifelhaft“ Platz genommen, in einer ovalen Röhre, die sich nach hinten verjüngt, die Innenwände sind mit Neonröhren versehen. Wie ein Lichttunnel, in den die Musiker einen hineinziehen.

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Salewski stellt sein selbstbetiteltes erstes Solo-Album vor (Label: Echokammer). Zur selben Zeit findet ein paar Meter weiter, im Atomic Café, die Albumrelease-Party von Der Englische Garten mit Bernd Hartwich statt . Salewski findet es „verrückt“, dass die Releasepartys am gleichen Abend stattfinden. Hartwich hat es einen „unglücklichen Zufall“ genannt. Zusammen mit seinem Freund Hartwich hat Salewski ein Stück deutscher Popgeschichte geschrieben, mit der Post-Disco-Band Merricks. Doch die Disco ist heute anderswo. Vielleicht gegenüber.

„Tongedichte und Klangerzählungen für Synthesizer“ steht auf der Homepage von Salewskis Label. Der musikalische Überzeugungstäter hat rhapsodische Motive aufgenommen, schwebend und surreal. Manchmal nur ein Knistern, ein Rauschen. Das konturlose Zerfließen der Zeit in der Musik, die Erosion, nicht die Explosion stehen im Vordergrund. Die Bilder: Kontemplative Science Fiction, ausschweifende Ereignisarmut. Man denkt an Tarkowskis „Solaris“ oder Kubricks „2001“.

Anders auf der Bühne. Man denkt an: David Lynchs „Lost Highway“. Salewski hat sich eine Münchner-All-Star-Band zusammengestellt: Pollyester (Kamerakino) am Bass, Relle Büst (Parasyte Woman) am Syntheziser, Carl Oesterhelt (Carlo Fashion, FSK) ebenfalls Syntheziser und Robert Merdzo (Apparat Hase) Gitarre. Mit ihnen arrangierte er seine Kompositionen um, bühnentauglicher, zupackender. Die repetitiven Muster entwickeln so eine evokative Kraft, einen gewaltigen Sog. Die Motive werden gesteigert, leicht verändert, moduliert, dann fällt die Spannung wieder in sich zusammen. So entstehen schillernde Pattern und eine große Entwicklungsspannung.  Tatsächlich fühlt man sich hineingezogen in die Röhre. Und ja, da drin ist es großartig.

Ach ja, einleitend spielten an diesem Abend das Augsburger Tafelconfect. Eigentlich zu dritt setzten sich an diesem Abend nur Sebastian Reiher und Jyrgen Hall an einen Tisch mit allerlei Gadget, einer sogenannten Vulcan Gitarre und einem Midi-Keyboard.

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Mir fehlen für das, was die beiden da gemacht haben ein wenig die Begriffe, aber es hat mich fasziniert, sogar berührt.  Klangkunst, experimentell und das genaue Gegenteil von songorientiert. Frei flotierend. Sowas vielleicht könnte man sagen. Auf der liegenden Gitarre wird gescheuert, gerieben,  sie wird mit Schlägen bearbeitet, kleine Handventilatoren rattern über die Saiten. Die beiden improvisieren, der eine reagiert auf das was der andere tut. Wenn man das zum ersten Mal hört, hört man kaum wie auch immer geartete Strukturen oder Ordnungen oder Zusammenhänge, abgesehen von ein paar wenigen Rhythmus-Loops, hin und wieder scheinen Andeutungen von Melodien durch.  Ich glaube das ist auch gar nicht wichtig.

[Disclaimer: Der Text ist in gekürzter Form in der SZ erschienen.]

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