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Späte Berufung: Warum werden alle auf einmal Yogalehrer?

MUCBOOK Redaktion

Dieser Artikel von Michèle Loetzner erschien zuerst im Mucbook Magazin #7 „Du musst es nur wollen. Das etwas andere Sportheft“.

Tennis, Fußball, Ballett – alles Sportarten, die man gefühlt mindestens seit Kindergartenalter exzessiv betrieben haben muss, um später als Trainer oder Lehrer arbeiten zu können. Nur beim Yoga ist es irgendwie anders. Da sind die meisten Späteinsteiger, unterrichten dafür aber umso passionierter. Was bringt einen Menschen dazu, seinen alten Job (fast) aufzugeben, um Yogalehrer zu werden? Und warum gerade in München? Drei Yogalehrer erzählen.

Bis vor ein paar Jahren war München für vieles bekannt, aber nicht unbedingt für seine Yoga-Szene. Auch wenn die Jivamukti-Clique rund um Dr. Patrick Broome und Michi Kern schon vor Dekaden die ersten Studios eröffneten. Wenn überhaupt war Yoga ein Thema für hippe Berliner. Heute haben die Yoga-Studios gefühlt in ihrer Häufigkeit das Erbe der Bubble-Tea-Stores, Frozen-Yoghurt-Läden und Burger-Restaurants angetreten: An jedem Eck macht eines auf. In der Innenstadt läuft man keine 100 Meter und steht vor einem Studio. Man sagt, Yoga wirkt wie eine Verjüngungskur von innen. Und mal ehrlich. Kaum einer geht zu einer Yogastunde und fühlt sich danach blöd. Im Gegenteil, selten hat eine körperliche Betätigung so viel Suchtcharakter nach so kurzer Zeit erzeugt. Yogis sagen: zu Recht. Nicht-Yogis wundern sich. Ashtanga, Bikram, Kundalini – für jeden ist in München was dabei. Und in all diesen Studios muss ja auch irgendwer unterrichten.

Yogalehrer, das ist jetzt nicht unbedingt ein Beruf, bei dem man sich dumm und dämlich verdient wie Immobilienmakler. Oder eine Ausbildung von nur 30 Minuten braucht. Wie Immobilienmakler. Auch wenn der Berufstitel an sich nicht rechtlich geschützt ist. Wie Immobilienmakler. Wer selbst unterrichten möchte, muss viel Geld und Zeit in diesen Wunsch stecken. Die Grundausbildung pendelt zwischen 200 und 300 Stunden. Wer wirklich etwas auf sich hält, setzt nochmal 500 oben drauf. Möglichst nicht beim gleichen Lehrer, sondern weltweit – je nach Ausrichtung. Der offene Geist ist nämlich ebenso wichtig wie die Bereitschaft zu Schwitzen. Man kann also mal getrost spekulieren, dass man als Yogalehrer ziemlich viel rumkommt. Warum treibt es einen dann zurück nach München? Ist hier das Klientel einfach nur mit dem besseren Geldbeutel ausgestattet? Oder hat München etwas speziell Inspirierendes? Wer waren Yoga-Lehrer eigentlich in ihrem vorherigen Leben? Und: Lässt man das komplett hinter sich, sobald man Kopfstand-Profi ist? Viele Fragen, drei Münchner Yoga-Lehrer versuchen ein paar davon für uns zu beantworten.

1. Name: Daniela Jenkac

Unterrichtet: Ashtanga-Yoga
Ist eigentlich: Krankenschwester mit einem Abschluss als Marketingwirtin

Daniela

© Privat

Arbeitest du noch in deinem alten Beruf?

Ja, ich bin in Teilzeit immer noch als Krankenschwester tätig, allerdings auf selbstständiger Basis bei einer Privatperson.

Was hat dich daran gestört?

Als Krankenschwester in einem Krankenhaus konnte ich das System, in dem dort gearbeitet wird, nicht mehr unterstützen. Ich möchte da gar nicht ins Detail gehen. Und im Marketing später lag es auf der Hand: Man verkauft den Menschen Sachen, die sie überhaupt nicht brauchen.

Warum bist du heute Yoga-Lehrerin?

Ich war fünf Jahre lang Schülerin und habe mich immer wieder verletzt. In Chiang Mai, Thailand, bin ich dann auf einen meiner langjährigen Lehrer getroffen, der sehr präzise unterrichtet hat und ich auf einmal die Asanas und meinen Körper besser verstanden habe. Das wollte ich weiter geben. Seinen Körper zu verstehen, die Grenzen anzunehmen und Menschen mitzugeben auf ihren Körper und Geist zu achten, bevor sie im Krankenhaus landen. Also habe ich spontan einen Flug von Thailand nach Indien gebucht und dort mein Ausbildung gemacht.

Wie war deine Ausbildung rückblickend?

Die Ausbildung war anstrengend, lehrreich und nicht immer das, was ich mir so vorgestellt habe. Jedoch möchte ich keine Sekunde davon missen. Meine Fort- und Weiterbildungen, Workshops habe ich in Chiang Mai (Thailand), Mcleod Ganj (Indien), Auroville (Indien), Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Barcelona, Lissabon, Calgary (Canada), New York (USA) absolviert. Dabei haben mich viele Lehrer nachhaltig geprägt: Camaron Shayne, Kathryn Budig, Tiffany Cruikshank, Leslie Kaminoff, Julia Giaccone, David Regelin, Janosch Steinhauer.

Warum bist du dennoch wieder in München gelandet?

Das frag ich mich immer wieder (lacht). Ich reise eigentlich viel zu gerne und liebe chaotische Orte, allerdings zieht es mich immer wieder zurück. Vielleicht liegt das an meinem Sternzeichen. Als Jungfrau mag man es geordnet und da passt ja München ganz gut. Die Stadt und ich führen eine Hass-Liebe. Mich zieht es immer weg und dann komme ich doch zurück. Story of my life!

Wo ist München besonders anstrengend für dich?

Es gibt viel zu viele Grantler und Subkulturen werden hier konsequent klein gehalten. Ich würde mir mehr Platz, Geld und Anerkennung für Künstler und Jungunternehmer wünschen. Da kannst du noch so eine gute Idee haben, für die du eventuell Räumlichkeiten brauchst, und dann scheitert es an viel zu hohen Mieten und bizarren Auflagen der Stadt.

Wie fühlt sich für dich die Münchner Yoga-Szene an?

Hmm, wie jede Szene: Ich habe mit ihr nicht viel zu tun. Ich mache lieber mein eigenes Ding. Aber ich liebe die Stunden von Samira Ben Hamouda. Vor zwei Wochen war ich in New York und habe dort ein wundervolles Studio gefunden. Was mir auffiel, ist, dass die Menschen dort viel eher bereit sind, vor der ganzen Klasse zu sagen, wie es ihnen geht, und danach auch noch zusammen sitzen bleiben und sich unterhalten. Das findet man hier München eher selten. Die Leute sind eher für sich und gehen schnell, wenn die Stunde zu Ende ist.

Wird die Szene immer größer?

Ja, das Gefühl habe ich absolut. Aber das stört mich nicht. Wir haben ja einen freien Willen und können entscheiden, ob wir auf einen Zug aufspringen oder nicht. Und für Einsteiger gibt es hier schöne Optionen. Zum Beispiel die Yoga-Messe im Januar. Die gibt Neulingen gute Einblicke in Yoga und auch in die vielen Bereiche drumherum. Ich selber plane gerade Retreats in Portugal und Griechenland für nächstes Jahr. Und ich versuche mit befreundeten Lehrern ein Retreat für Paare und Alleinerziehende auf die Beine zu stellen. Ein Yoga-Retreat mit guter Kinderbetreuung sollte doch wohl endlich mal möglich sein, oder?

Mehr über Daniela unter: www.danielajenkac.com

 

2. Name: Christina Loy-Birzer

Unterrichtet: Yoga in der Sri T. Krishnamacharya Tradition
Ist eigentlich: Rechtsanwältin

Yoga1

© Privat

Arbeitest du noch in deinem alten Beruf?

Ja, ein paar Stunden die Woche, aber hauptsächlich arbeite ich heute als Psychotherapeutin und Yogalehrerin.

Warum hat dich das nicht wirklich glücklich gemacht?

Als Rechtsanwältin sind die Tage geprägt von viel Stress, Härte und Konkurrenzdenken. Mir war das alles zu kopfgesteuert und leistungsorientiert, die Einzelschicksale der Menschen hatten da wenig Platz.

Gab es einen bestimmten Moment, indem dir klar war, du willst das eigentlich hinter dir lassen?

Das war tatsächlich in meiner ersten Yogastunde, ich habe mich plötzlich glücklich, frei und zufrieden gefühlt. Da war das Gefühl, dass es mehr im Leben zu entdecken gibt als die materielle Welt und ein innerer Ruf, dass Unterrichten ein Teil meiner Berufung in diesem Leben ist.

War die Ausbildung anstrengend?

Das kommt auf den Blickwinkel an. Meine erste Ausbildung war vor allem körperlich anstrengend: Jivamukti-Yoga. Die zweite dauerte vier Jahre und war zwar körperlich nicht so anstrengend, dafür aber geistig: Yoga in der Tradition von Krishnamacharya. In dieser Ausbildung wird Yoga im klassischen Sinn als Weg der Persönlichkeitsentwicklung und Transformation vermittelt. Neben den reinen Körperhaltungen stehen hier vor allem auch die Philosophie und Yoga als spiritueller Weg für jedes Individuum im Mittelpunkt. Meine Lehrer waren Sharon Gannon und David Life, Barbara Noh, R. Sriram, Mohan, Karin Kapro. Ich war im Laufe der letzten Jahre bei sehr vielen Lehrern, ich würde sagen, mich haben in den letzten Jahren vor allem die Lehrer aus der Krishnamacharya-Tradition bereichert und geprägt.

Warum bist du dennoch wieder in München gelandet?

Das ist ganz simpel: München ist meine Heimat. Ich empfinde zwar die Geschwindigkeit hier manchmal als anstrengend. Aber man ist umgeben von wunderbarer Natur.

Wie ist die Münchner Yoga-Szene?

Die Münchner Yogaszene ist bunt und sehr vielfältig geworden, allerdings mittlerweile auch zunehmend von Konkurrenz und Leistungsdenken geprägt. Für mich persönlich sind das Yoga Mandiram im Westend und Ahimsa Yoga in Schwabing ein Anker. Die zunehmende Vermarktung macht Yoga zwar populärer, aber führt meiner Ansicht nach mehr und mehr von dem eigentlichen Weg fort, da die Orientierung mehr und mehr im Außen statt im Innen stattfindet. Yoga ist ein Weg, der von außen nach innen führt, ein Weg der zu Klarheit und Bewusstheit führen soll. Nicht anders herum.

Mehr über Christina unter: www.yogamahananda.de

 

3. Name: Binh Le

Unterrichtet: Mysore und Ashtanga Yoga
Ist eigentlich: Creative Director im Bereich Motion Design

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© Marcus Schäfer

Was hast du eigentlich gelernt?

Gar nichts. Das Abitur habe ich damals zuliebe meiner Eltern gemacht und danach weder eine Ausbildung, noch ein Studium angefangen. Ich bin kein großer Fan von solchen Institutionen und habe mir all die Dinge selber beigebracht, für die ich auch wirklich brannte und brenne. Ich bin seit elf Jahren selbstständiger Creative Director im Bereich Motion Design.

Warum bist du dann zusätzlich zu deinem Beruf als Creative Director noch Yogalehrer geworden?

Ich mache einfach beides gerne: Sowohl das Unterrichten als auch das Kreieren. Für mich schließt das eine das andere nicht aus. Wobei der Zeitdruck im Gewerbe natürlich schon nicht ganz ohne ist. Da muss immer alles bereits gestern fertig sein und darunter leidet natürlich häufig die Kreativität.

Gab es einen bestimmten Moment, in dem du beschlossen hast, Yoga-Lehrer zu werden?

Ich wollte nie unterrichten. Meine engsten Freunde haben mir diese Idee nahezu eingepflanzt und dann habe ich das einfach irgendwann mal ausprobiert. Die erste Stunde, die ich damals gegeben habe, war eine reine Katastrophe. Leute haben die Stunde mittendrin verlassen und ich war völlig unvorbereitet und durch diese Unsicherheit viel zu streng zu meinen Schülern.

Trotzdem: Das Gefühl, das ich danach hatte, war so erfüllend, dass ich weiter an mir und mit anderen Leuten arbeiten wollte.

War die Ausbildung anstrengend?

Nein, denn die erste war viel zu kurz. Ich habe bereits im Jahr, in dem ich mit Yoga als Schüler angefangen habe, eine Ausbildung in Indien gemacht, die einen Monat dauerte. Ich war damit nicht zufrieden. So kann man weder Lehrer werden noch seine Praxis vertiefen. Außerdem hatte ich das Gefühl, nicht den richtigen Stil gefunden zu haben. Erst am Ende meiner Reise bin ich mit Ashtanga und meinem jetzigen Lehrer Petri Räisänen in Kontakt gekommen und seitdem dabei geblieben. Ich versuche jährlich bei meinem Lehrer und in Mysore bei KPJAYI zu praktizieren.

Warum bist du dennoch wieder in München gelandet?

Ich bin zwar im oberbayerischen Trostberg geboren, aber in München aufgewachsen. Seit ich 20 bin reise ich relativ viel und lange um die Welt. Aber München hat einen ganz besonderen Charme. Ich mag es einfach hier. Meine Familie und meine Freunde leben hier. Das ist schon ein Stück Heimat für mich. Anstrengend ist natürlich diese Schickeria und diese neue Welle an Hipstern, die München zu einem Berlin machen wollen. Und diese überdeutsche Korrektheit und Einhaltung aller Paragrafen von jedem Gesetzbuch der Welt. Ein wenig Lockerheit würde allen gut tun.

Yoga und München – das ist eine ziemlich schnell gewachsene Szene, oder?

Ja, aber letztendlich ist sie wie in jeder anderen Stadt. Es gibt wie immer die Spirit Junkies, die Szene Yogis, die Trendsetter und die Hardcore Yogis. Jeder sollte für sich entscheiden, welcher Weg am besten ist und ob dieser für ihn authentisch ist. Die große Yoga-Messe und die vielen anderen hinzugekommenen Happenings sind an und für sich eine gute Sache. Man kommt schnell in Kontakt mit anderen Stilen und Lehrern, sowie interessanten Menschen. Ich persönlich betrachte das Ganze ein wenig skeptisch. Die Massen-Vermarktung von Yoga hat auch dunkle Seiten. Man folgt willkürlich den neuesten Trends oder eilt von einem Lehrer zum anderen – und vergisst dabei den wichtigsten Teil von Yoga, nämlich sich selbst. Man kann sich ganz wunderbar in Yoga finden, aber ebenso auch verlieren.

Mehr über Binh unter: www.yogabinhle.com


Beitragsbild: © Unsplash/Marion_Michele

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