Kultur, Live

Thee Silver Mount Zion: “Any Questions?”

Sebastian Gierke
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„Happy Easter!“, lacht Efrim Menuck. Dann beginnt er das Konzert mit ein paar schrägen Gitarrenakkorden. Der Kontrabass setzt ein, die beiden Geigen, das Schlagzeug. Er beginnt zu singen. Menuck kann nicht singen, aber er tut es, hochemotional. Wunderschön. Thee Silver Mount Zion Memorial Orchestra waren in München.

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Thee Silver Mount Zion Memorial Orchestra haben sich aus den mittlerweile nicht mehr aktiven Godspeed You! Black Emperor (GYBE) herausgeschält, diesem großartigen kanadischen Freak-Out-Kollektiv. Menuck war mit der Band 2002 in München, im Feierwerk. Er und seine Kollegen standen oder saßen völlig in sich versunken auf der Bühne, einige drehten dem Publikum das gesamte Konzert über den Rücken zu, kein Wort wurde gesprochen, kein Ton gesungen.

Thee Silver Mount Zion wünschen dagegen erstmal frohe Ostern. Und stürzen sich dann hinein in ihre ausladenden, aber nie ausfransenden Songs, meist dauern sie über zehn Minuten. Die Band aus Montreal entwirft düstere Soundlandschaften, flächig und groß, Aufmerksamkeit fordernd, gibt sich nicht mit gängigen Rockschemata zufrieden. Die melancholisch aufgeladene Postrock-Kammermusik wird auch live getragen vom Gestus des Experimentierens, des sich Öffnens, der Selbstüberschreitung, des Freak-outs. Wehmut, Verzweiflung stecken in jedem Wort, das der linke Anarcho-Musiker Menuck herauspresst.

Und dann, sobald der letzte Ton eines Songs verklungen ist: „Any Questions?“ Plötzlich gibt er den Entertainer. Es folgen minutenlange Gespräche mit dem Publikum. Charmant und witzig klärt Menuck darüber auf, wie es ist mit einem Baby auf Tour zu sein, warum Elton John einem seiner Fans einen Konzertflügel schicken sollte und dass er von Football überhaupt nichts hält. Nach jedem Song wird das Publikum herausgerissen aus der musikalischen Meditation. Und gleich darauf wieder hineingetaucht. Dieser Kontrast verhindert, dass das Konzert, anders als noch bei GYBE, zu einer Messe der Unangepasstheit, des Anderssein wird. Nur wenige gehen deshalb enttäuscht nach Hause.

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