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Tocotronic kehren zurück zu ihren Anfängen (und zurück auf eine Münchner Bühne)
Es gab mal eine Zeit, da galten Tocotronic als die Formvollendung deutscher Indie-Musik. Die an Literatur und Theorie geschulte Lyrik von Sänger Dirk von Lowtzow bildete zusammen mit der vielschichtigen Musik der Band – die sich stets genauer Genre-Zuordnungen und ausgefranster Rock-Klischees entzog – den Resonanzboden für begeisterte Besprechungen und Liebesbekundungen in den Feuilletons und Musikmagazinen dieser Breitengrade. Tocotronic waren sowas wie ein Stück Hoch- in der Popkultur. Und dann gab es eine Zeit, in der das alles noch ein bisschen einfacher war. Bei Tocotronic ist man dann in den 90er Jahren angelangt.
Sportjacken statt weiße Hemden, Cordhosen statt Diskurs-Rock. So kamen die Studienabbrecher damals Mitte des Jahrzehnts daher und sorgten mit ihrem Debüt „Digital ist besser“ augenblicklich für Furore. Zu schroff für die Pop-Hitparaden, zu klug für ein reines Grunge-Imitat auf Deutsch, traten Tocotronic lieber an, auf schnellstem Weg zur Kultband zu avancieren. Die Texte zwischen Post-Teenage Angst, WG-Party und virtuosen Alltagsbeobachtungen trafen den Nerv einer Generation, die durch andere Hamburger Bands (vgl.: Hamburger Schule) schon angefixt war.
Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interesieren
Mit ihrem Faible für griffige Slogans, hätte den Jungs damals wohl auch eine blühende Zukunft in der Werbetexter-Industrie bevor gestanden. Songtitel wie „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ oder „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“ sind die subkulturellen Parolen der Stunde. Und diese nehmen sich selbst nicht immer ganz ernst, adaptieren vielmehr die aus dem Punk bekannte Slogan-Vorliebe vielleicht sogar auf leicht ironische Weise. Außerdem damals: ganz viel „Ich“. „Ich hab 23 Jahre mit mir verbracht“. „Ich bin neu in der Hamburge Schule“ (vgl. oben). “Ich hab geträumt, ich wäre Pizza essen mit Mark E. Smith“. Die Welt der Tocotronics war damals nah am eigenen Empfinden und den unmittelbaren Wünschen gebaut.
So schwitzten und rockten sich die drei Wahl-Hamburger drei Alben lang über die Club-Bühnen der Republik, bevor mit dem 1999er K.O.O.K. erstmals andere Töne anklangen und das gewohnte dreiakkordige Strophe-Refrain-Strophe Schema um neue Facetten erweitert wurde. Mit dem schlicht selbst betitelten Tocotronic von 2002 (das „weiße Album“) wurde der Schritt Richtung Abstraktion dann noch weiter beschritten – sowohl textlich wie auch musikalisch. Elektronische Elemente schlichen sich vermehrt in den Sound-Körper. Es gilt vielen heute als das Meisterwerk der Band (wie das mit selbst betitelten Alben halt so ist in der Regel).
The Hamburg Years (1993-2003)
Genau an dieser Stelle setzt die Zäsur ein, die Tocotronic mit ihrer kommenden Konzertreise setzen: unter dem Titel „The Hamburg Years“ touren sie im Sommer über die wieder-eröffneten Bühnen im deutschsprachigen Raum und spielen dann eine Auswahl von Hits und Lieblingssongs ihrer ersten sechs Alben. (Danach siedelte ein Teil der Band bekanntlich nach Berlin über.) Halt machen sie dabei unter anderem im Olympiastadion bei der Sommerbühne, die auch dieses Jahr wieder unter Corona-Bedingungen stattfinden darf. Um nochmal mit einem alten Song zu sprechen: Jetzt geht wieder alles von vorne los. In diesem Fall ein Grund zur (Vor-)Freude.
Verlosung 2×2 Tickets
Zu guter Letzt dürfen zusammen mit Clubzwei (passenderweise) 2×2 Tickets für das Konzert in München verlosen. Schreibt uns einfach hier in die Kommentare warum ihr dabei sein wollt und mit etwas Glück zieht euch unsere Losfee aus dem Gästelistentopf. Ausgelost wird am Montag, 2. August.
Was? Tocotronic – The Hamburg Years Live
Wo? Sommerbühne im Olympiastadion
Tickets? ab 42 EUR (z.B. hier)
Foto: © Tocotronic/PR
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