Kultur, Nach(t)kritik

Trompeten, Tuba, wilde Tänze

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Wackelnde Hinterteile, nervöse Drum-and-Bass-Beats vermischt mit typischen Balkanelementen; dazu ein pornoesker Frontmann mit Schnauzer, Goldkette und Siebziger-Anzug. Das sind Magnifico in ihren Musikvideos. Auf der Bühne des Orangehouse im Feierwerk steht Robert Pešut fast schon bürgerlich in schwarzem Anzug mit seiner halbakustischen E-Gitarre vor seiner Band Turbolentza. Lediglich das obligatorische Goldkettchen erinnert an die Extravaganz seiner Clips.

Unerwartet bescheiden, aber extrem tight groovend legt Magnifico mit seiner Band los. Statt E-Bass übernimmt eine Tuba die tiefen Frequenzen. Zwei messerscharfe Trompeten heizen mit einer Fusion aus Mariachi- und Balkansounds dem Publikum ein. Der Sologitarrist überzeugt mit glockenhellem Surfsound á la Dick Dale. Die Band wird von einem relativ starren Off-Beat-Korsett zusammengehalten, das lediglich in seinen Geschwindigkeiten variiert. Stilistisch sprengt Pešut die typischen Balkangrenzen und zelebriert neben Balkanska auch Reggae, amerikanischen Folk, Liebesballaden und Jugorock.

Magnifico präsentiert sich als souveräner, sympathischer Bandleader und singt seine Songs in brüchigem, eigenwilligem Englisch, Romanes und Serbisch. In wenigen Ansagen macht er sich manchmal über seine Heimat Slowenien lustig, „Slovenija sucks!“, oder er erklärt den jugoslawischen Krieg in ganz wenigen Worten: „We love each other, but we hate each other. We can´t show our love.“ Scheinbar sind relativ wenige Slowenen anwesend, denn nur ein paar Tänzer aus den vorderen Bühnenreihen zeigen ein wenig Unmut auf Magnificos offensichtlich wenig patriotische Ansagen. Das restliche Publikum versteht entweder die Ironie oder es ist ihm herzlich egal.

Das durchgängige Offbeat-Gerumpel geht den Konzertgängern durch Mark und Bein und selbst der größte Stoffel, der nur von seiner Freundin mitgeschleppt wurde, lässt seinen Fuß im Takt wippen. Das Publikum ist alterstechnisch eher einer Ü30-Party zuzuordnen.

Nach etwa zwei Stunden Konzert ist die Setlist inklusive einer Coverversion von „House of the Rising Sun“ durchgespielt. Die erfahrene, wohl gesittete Zuhörerschaft fordert kurz und lautstark eine Zugabe. Magnifico lässt sich nicht lange bitte und befriedigt die Fans mit ein paar weiteren Songs.

Selig ausgelaugt vom Tanzen treffen sich Jünger und Älter an den Bars, um ihre Pfandflaschen feinsäuberlich wieder abzugeben. Nach wenigen Minuten ist die Halle komplett leer. Dank der ordentlichen Konzertbesucher hat das Reinigungspersonal nicht mehr viel zu tun. Auch Securities waren bei dieser Veranstaltung nicht nötig, so friedlich wie hier gesprungen, getanzt und getwistet wurde.

Wer Magnifico nur von seinen krachenden Videos kennt, wird sich live wundern. Hier scheppert nicht der Breakbeat zur „Dizko Partizani“. Hier zeigt eine coole, professionelle Band, wie Balkanfolklore mit sämtlichen populären Stilrichtungen zusammenpasst, und dass Magnifico auch ohne Stars-and-Stripes-Badehöschen und Bikinihäschen ein symphatischer, souveräner Entertainer sein kann.

Magnifico ist noch bis zum 20.05.11 auf seiner Tour d´Amour in Deutschland unterwegs

Das hier könnt ihr da aber nicht erwarten …

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