Kultur, Nach(t)kritik

Verloren im Resi

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C Tibor Bozi

Colm steht auf der Bühne und tanzt. Colm hat einen Traum. Colm erzählt uns, wie er ein Leben zerstört hat. Colm ist CEO eines Versorgungskonzerns. Das Residenztheater bringt Dennis Kellys „Die Götter weinen“ auf die Bühne.

– Alles beginnt mit einem schwachen „Wer bin ich, wer war ich, was habe ich getan?“ –Der Leiter des Versorgungskonzerns „Argeloin“, der über Nahrungsmittel und Wasser der Welt verfügt, versucht sein Leben zu verändern und übergibt kurzer Hand die Führung an Richard und Catherine. – King Lear-Reloaded.

Was Regisseur Dusan David Parizek da auf die Bühne stellt, fängt zwar zunächst etwas schleppend an mit Figuren in Anzügen, die ihren Platz auf der Bühne nicht zu finden scheinen, sich aber binnen weniger Minuten heiß, blutig und schlussendlich nackt spielen.

Colm liefert immer wieder einen Spiegel seiner Seele hinein in das Spiel um „Landgrabbing“ und „Gewinnmaximierung“, der sich selbst zerstörenden Charaktere, die in ihrer Profitgier den Konzern und sich selbst ruinieren und Colm zuletzt aus seinem Projekt drängen, das einen „gerechten Kapitalismus“ zum Ziel hatte.

Abgetrennt von den Kontinenten über deren Land sie verfügen, befinden sich die Figuren in Dennis Kelly’s Stück in einer Druckkammer, über der Börse und Markt zusammenbrechen und in der sie allein auf sich selbst und zunehmend auf ihre Triebe zurückgeworfen werden. Aus diesem Zustand entsteht ein Blutrausch, in dem alle paar Sekunden jemand erschossen wird, sich die Pulsadern aufschneidet, um mit dem eigenen Blut das Gesicht zu bemalen oder sich entblößt und verzweifelt anbietet.

Fast alle lassen dabei ihr Leben.

Zurück bleiben Colm und die Tochter des Mannes den er mutwillig zerstört hat, die wie wild versuchen, ein Schaf zu erlegen – Gier und Habsucht reduzieren die Figuren schließlich auf ihre Urtriebe: Jagen und Sammeln. Möglicherweise ist das ein sehr einfaches Bild, aber es funktioniert irgendwie und wird so lange ausgedehnt, bis man das restliche Drama vergessen hat. Bis die Geschichte zwischen Colm und Barbara sich völlig loslöst und ihren eigenen Kosmos erschafft. Wenn dann schließlich Colms halbwahnsinniger Sohn Jimmy ins Bild kommt, um die Kleine zu erschießen und den Vater zurück zu holen, muss man sich völlig verdutzt daran erinnern, dass da ja noch eine viel ernstere, wahnsinnigere Geschichte war.

Wie dem auch sei – eines wurde in jedem Falle überdeutlich: Jeder einzelne ist für sich verloren. Von Anfang an und bis zum Ende. Ebenso verloren fühlte man sich an diesem Abend auch in einem nicht ausverkauften Saal, ein Abend, der mit Buh- und Bravo-Rufen beschlossen wurde. Er hinterlässt gemischte Gefühle.

Weitere Infos und Fotos auf der Seite des Resis.

Das Programmheft kann man hier als pdf downloaden.

Weitere Vorstellungen:

A 22. OKT 11, 19:30 Uhr
SO 23. OKT 11, 19:00 Uhr
DO 03. NOV 11, 19:00 Uhr
FR 04. NOV 11, 19:30 Uhr
DI 08. NOV 11, 19:30 Uhr
DO 10. NOV 11, 19:30 Uhr
DO 17. NOV 11, 19:30 Uhr
SA 26. NOV 11, 19:30 Uhr

Foto: Tibor Bozi

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