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Warum malt ihr die Weißenburger Straße an? 14 gute Fragen an das Urbanisten-Kollektiv Die Städtischen

MUCBOOK Redaktion

Mit der Kunstaktion Straßenteppich bekommt die temporäre Fußgängerzone in der Weißenburger Straße einen neuen Look. Das interdisziplinäre Kollektiv Die Städtischen setzt mit Farbe, Mustern und kreativen Ideen ein Zeichen für eine Stadt, die den öffentlichen Raum neu denkt. Das Ziel: Menschen zusammenbringen, Sicherheit vermitteln und zeigen, dass Straße mehr sein kann als Asphalt. Was hinter der Aktion steckt, warum Himbeerrot die Farbe der Stunde ist und mit welchen Ideen die rund 60 Aktivist:innen München noch lebenswerter machen könnten hat uns Anouar Mahmoudi beantwortet.


5 Eigenschaftswörter zur Weißenburger Straße:
Gemeinschaftlich, experimentell, farbenfroh, zukunftsweisend, Denkanstoß

Warum Fußgänger statt Autos?
Die Entscheidung kam von der Stadt. Generell schaffen Fußgängerzonen aber Begegnungsräume, reduzieren Lärm und verbessern die Luftqualität. Sie machen das Viertel sicherer und lebenswerter.

Was kann „ein bisschen Farbe“ verändern?
Das Projekt Straßenteppich zeigt, dass Farbe mehr ist als nur ein optischer Akzent. Wir übernehmen bewusst das Muster der Münchner Gehwegplatte (35×35 cm) – ein Symbol für Vertrautheit und Sicherheit – und übertragen es auf die Straße. Viele Fußgänger:innen meiden bislang den neuen Bereich der Fußgängerzone, da sie die Straße nach wie vor mit Gefahr assoziieren. Die farbige Markierung soll genau diese Barriere durchbrechen. Das vertraute Muster auf dem Asphalt signalisiert: Dieser Raum gehört euch, er ist sicher und nutzbar.

Warum himbeerrot und nicht Münchner-Himmel-Blau?
Die Farben basieren auf der bereits gestrichenen Zone. Insgesamt werden noch weitere Farben verwendet. Der Workshop hat gezeigt: Je mehr Farben, desto besser!

Was wird bei neuen Fußgängerzonen oft falsch gemacht?
Oft wird die Nachbarschaft zu spät einbezogen.

Angenommen, Geld spielt keine Rolle – was würdet ihr bauen, um die Weißenburger Straße attraktiver zu machen?
Im Workshop Anfang Januar kamen viele tolle Ideen zusammen, die wir als Forderungen zusammengefasst haben. Eine zentrale Idee war ein Wasserspiel in der Mitte der Straße – ähnlich den befahrbaren Wasserspielen in Salzburg, die die Menschen lieben. Außerdem würden wir den Bordstein mit der Fahrbahn angleichen, mehr Bäume pflanzen und eine hochwertige Außenraumgestaltung umsetzen, wie wir sie bereits für den Gasteig entworfen haben.

Welche Rolle spielt die Gestaltung einer Straße für das Zusammenleben in einer Nachbarschaft?
Für manche ist die Gestaltung essenziell, für andere nur eine Art Wiedergutmachung. Wir haben die Nachbarschaft zwei Mal postalisch eingeladen (500 Flyer in Briefkästen verteilt) – viele sind gekommen. Der Support ist groß: Wir bekommen Thermoskannen mit Tee, frischen Kuchen und tatkräftige Unterstützung von Freiwilligen.

Warum soll der Platz in der Stadt neu verteilt werden?
In einer Mucbook-Ausgabe von 2021 (die mit den Münchner Kollektiven) wurde erwähnt, dass jeder Stadtbewohner 75 m² öffentlichen Raum zur Verfügung hat. Diesen Raum sollten wir genauso pflegen wie unseren privaten. Der öffentliche Raum ist der einzige Ort, an dem wir uns als Gesellschaft begegnen – das ist essenziell für ein funktionierendes Miteinander.

Angenommen, ihr könntet die Zeit um fünf Jahre vorspulen – wie stellt ihr euch die Auswirkungen eures Projekts auf das Viertel vor?
Wir hoffen, mit dem Projekt einen Denkanstoß zu setzen und den Menschen zu zeigen, was alles möglich ist. Zusätzlich zum Gehwegplatten-Muster wird es noch eine Piratenschatzkarten-Fahrt geben, die wir mit Kindern im Workshop gestalten. Die Idee dahinter: Wer als Kind eine Fußgängerzone geliebt hat, wird später nicht dagegen sein. 😉

Wer sind die Städtischen und wovon lebt ihr eigentlich?
Wir sind ein interdisziplinäres Kollektiv mit über 60 Mitgliedern. Wir finanzieren uns durch Förderungen, Spenden, Eigenmittel und vor allem durch Freundschaft und Leidenschaft.

Die Aktion kostet 10.000 Euro. Von Kritikern hört man oft, dass solche Aktionen zu teuer sind.
Ehrlich gesagt, bringen wir aus dem letzten Projekt (Tunnel Metamorphose) noch 4.500 Euro an Farbe mit – das bedeutet, dass die Aktion eigentlich knapp 15.000 Euro kostet. Diesen finanziellen Beitrag haben wir der Stadt geschenkt. 10.000 Euro für die Gestaltung einer 230 m langen und 17 m breiten Straße sind ein kleines Wunder. Zum Vergleich: Die Blumenbeete am Pariser Platz werden im Sommer mindestens drei Mal erneuert – und das kostet pro Durchgang 2.000 bis 4.000 Euro.

Warum kosten solche Aktionen so viel Geld?
Wenn man es richtig machen will, muss die Nachbarschaft einbezogen werden – das braucht Zeit. Auch die Planung, Entwürfe und Abstimmung sind aufwendig. Dazu kommen Materialkosten: Ein Eimer Spezial-Asphaltfarbe kostet über 300 Euro.

Wenn die Städtischen ein Superheld wären, welcher Charakter wäre es?
Die Städtischen sind Superhelden – genauso wie alle anderen, die sich für ein besseres Zusammenleben einsetzen. 😉

Was habt ihr als nächstes vor?
Unser nächstes großes Ziel: die Gestaltung einer U-Bahn-Station.

Bilder: Die Städtischen