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YES TO ALL: Pinke Raketen, Shopping Bags und Chanel-Massaker in Sylvie Fleurys Ausstellung “My Life on the Road”

Caroline Giles

Pink, gewaltig, unwirklich, ragt die Rakete im traditionsreichen Raucherzimmer Franz von Stucks in die Höhe – eine spannende Kombination aus männlichem Phallus-Symbol und rosa-farbenem Mädchentraum, aus innovativer Weiblichkeit und konservativer Männlichkeit. Sylvie Fleury spielt in ihrer Ausstellung My Life on the Road kreativ und humorvoll mit den Klischees angeblich femininer sowie maskuliner Kunstobjekte: Autos und Motorräder werden hier zu Spielzeugen für Frauen (Every Woman has a Purple Motorbike Inside (2016)), High-Heels und Shopping-Bags werden als Skulpturen inszeniert. Fleurys weiblicher Blick auf die Welt der Kunst ist dabei nicht nur provokativ, sondern eine echte Erfrischung, gerade in den sonst so historischen Räumlichkeiten der Villa Stuck. Direktor des Museums, Michael Buhrs, ärgert sich darüber, dass gerade diese weiblichen Stimmen in der Kunstszene nach wie vor Raritäten darstellen: “Eine Stadtrats-Anfrage vor einigen Monaten hat gezeigt, dass der Anteil von Künstlerinnen im Vergleich zu den männlichen Kollegen in städtischen und staatlichen Museen noch immer verschwindend gering ist. Da gibt es einen großen Nachholbedarf!” Allerhöchste Zeit also für mehr Frauen-Power!

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My Life on the Road wurde von zwei solchen Vertreterinnen der Frauen-Power, Künstlerin Sylvie Fleury und Kuratorin Verena Hein, auf die Beine gestellt. Die Ausstellung widmet sich Fleurys Werken der letzten 25 Jahre, ist aber keinesfalls nur eine Retrospektive – speziell für die Ausstellungsräume der Villa Stuck wurden Kunstwerke und Installationen neu konzipiert. Besonders Kunstliebhaber, die sich in Franz von Stucks Gemächern eigentlich schon wie zu Hause fühlen, sollten auf so einige Überraschungen gefasst sein: denn die Ausstellungs-Stücke Fleurys setzten das Gebäude selbst in einen vollkommen neuen, unbekannten Kontext. Fleury selbst war die Villa Stuck vor der aktuellen Ausstellung zwar bereits bekannt (1999 war sie an der Gruppenausstellung Wall Works beteiligt), der besondere Charakter der Räumlichkeiten stellte sie jedoch trotzdem vor einige Herausforderungen. “Als ich die Villa Stuck zum ersten Mal besuchte, war ich wahnsinnig beeindruckt von der Architektur, der Dekoration, einfach Allem! Es ist gar nicht so einfach, sich dann bewusst zu machen, dass man seine eigene Arbeit hier irgendwie integrieren soll!” Vom 30. Juni bis 31. Oktober 2016 können Kunstinteressierte, und solche, die es gerne werden würden, die verspielten Installationen und Skulpturen von Sylvie Fleury in der Villa Stuck besichtigen.

Am Tag vor der offiziellen Eröffnung führen uns die in der Schweiz geborene Fleury sowie Kuratorin Vanessa Hein durch die heiligen Hallen des Museums Villa Stuck. Sie sind gerade so fertig geworden – sozusagen in allerletzter Sekunde – denn so spannend Kontraste auch sein mögen, sie bringen immer auch Konflikte mit sich. Noch bevor man das Gebäude betritt, blinken dem Besucher drei Worte entgegen, die als Sinnspruch, vor allem aber als Konsum-Kritik zu verstehen sind: “Yes to All“! Es ist eine Mentalität, die innerhalb der Ausstellung selbst immer wieder aufgegriffen und reflektiert wird. So wird man bereits zu Beginn des Rundgangs mit Fleurys brillanter Installation Shopping Bags (2016) konfrontiert, in der Einkaufstaschen berühmter Luxus-Marken wie minimalistische Kunstwerke behandelt werden – verwirrend, denn obwohl die Taschen selbst durchaus durchdacht und ästhetisch platziert sind, fällt es schwer die Tatsache zu ignorieren, dass es sich hier eigentlich nur um stinknormale Shopping-Bags aus Pappe handelt. Genau diese Kontextverschiebung macht jedoch den Reiz aus, erklärt Verena Hein: “Die Shopping Bags sind ein Initialwerk von Sylvie Fleury, weil sie als erste Künstlerin diese “Ready-mades” (=Alltagsobjekte), diese Einkaufstaschen – und das ohne den Inhalt offen zu legen – in den Ausstellungsraum gestellt hat. Daraus entsteht eine Kontextverschiebung zwischen Modewelt und dem Kunstraum.”

Was für einen Wert hat Kunst, was für einen Wert hat Mode? Wer nach einer klareren Kritik an Luxus-Marken sucht, dem wird die Film-Installation Cristalle Custom Commando (2008) gefallen, in der Chanel-Taschen gnadenlos von jungen Frauen mit Gewehren abgeknallt werden. Fleury muss lachen, wenn sie an die Produktion des Videos zurück denkt: “Wir hatten zwar die Mädchen, aber dann mussten wir noch passende modische Requisiten besorgen und einen Ort finden, an dem wir tatsächlich mit den Gewehren schießen dürfen. Und dann mussten wir auch noch Chanel anrufen, um 24 Handtaschen zu bekommen – nur um sie dann vollkommen schamlos zu zerstören. Ich habe gehört, dass einige japanische Fashionistas angefangen haben zu weinen, als sie den Film gesehen haben!” Die Taschen (oder das, was von ihnen übrig geblieben ist), kann man übrigens ebenfalls in der Ausstellung betrachten. Die Ausstellung spricht immer wieder feministische Thematiken an, manchmal subtil, manchmal explizit. Die US-amerikanische Ikone des Feminismus, Gloria Steinem, wird sogar direkt zitiert, nicht zuletzt im Titel der Ausstellung: “My Life on the Road” ist ebenfalls der Buch-Titel eines ihrer bekanntesten Werke.

Es sind diese zahlreichen “cross-references” zu Ideen, Persönlichkeiten und anderen Künstlern, sowie Referenzen ihrer Kunstwerke zueinander – immer mit einem Augenzwinkern – welche diese Ausstellung so interessant, unterhaltsam und kurzweilig machen. Fleury ergänzt und kommentiert Kunst berühmter männlicher Kollegen, selbstbewusst, ironisch und mit einer ordentlichen Prise Humor. Denn Fleury will auch Kunst machen, die Spaß macht und die Neugierde weckt. “Ich hoffe die Besucher fühlen das auch, sobald sie die Türe betreten, denn es gibt so vieles an meinen Arbeiten, das Freude und Spaß macht – dieser Gedanke der Leichtigkeit, und dass man, wenn   man nur ein wenig hinter die Kulisse blickt, etwas vollkommen anderes findet.”

 

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Fotos: © Joshua Wilking.

 

 

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