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Zerstörung für Anfänger
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Die meiste Zeit bleibt der hintere Teil der Bühne im Dunklen. Doch man weiß, dass dort etwas Unausgesprochenes und vielleicht auch Unaussprechliches sitzt, das kommunizieren möchte, das den surrealen Geschehnissen im vorderen Bühnenbereich nicht nur reine Existenz, sondern auch einen erschreckenden Sinn verleiht. Die eitrige Wunde, die die Fieberträume legitimiert. Visuelle Traumlogik. Kommunikation durch Manifestationen. Wie in Tarkowskis „Solaris“. Konventionelle Narration oder gar Sprache sind an diesem Ort keine legitimen Verständigungsmittel, hier zählen Intuition, Auge und, um ehrlich zu sein, Vorwissen. Denn das, was im Vordergrund geschieht, gewinnt seine Kraft fast ausschließlich durch eben jenes Unausgesprochene, das im Hintergrund seine Fäden zieht. Es ist, sprechen wir es letztlich doch stark vereinfachend aus – das kollektive Unterbewusstsein Syriens.
Mey Sefan untersucht die schwierige, eher unmögliche Lage in ihrem Heimatland anhand von syrischen Träumen. Diese werden seit einigen Jahren bei Facebook gesammelt und in Choreographien transformiert. „Zerstörung für Anfänger“ ist die erste Ausprägung dieses Traumarchivs, weiteres, gar „Fortgeschrittenes“ ist geplant. Das ist ein gutes Konzept, denn es stellt die zweite, eigenständig künstlerische Instanz dar: Eine distanzierte, bewusste Aufarbeitung jener bereits vollzogenen, unmittelbaren und unbewussten Aufarbeitung von Betroffenen, die die Katastrophen in Syrien real erleben. Dort herrscht Zerstörung. Für uns westliche Anfänger wird es verstörend aufbereitet: nach all den mediengesteuerten Aufmerksamkeitszyklen und der Betroffenheitswillkür schieben wir das Chaos in Syrien doch immer wieder allzu gern aus dem Bewusstsein in die dunkle Bühnenecke.
Wie wichtig das Thema ist, machen auch die Umstände der Inszenierung selbst deutlich: Den beiden Ägyptern, die eigentlich als Tänzer eingeplant waren, wurde das Visum verweigert. Die Realität holt die Inszenierung ein. Das kann rein produktionstechnisch punktuelle Schwächen erklären, offenbart aber auch: Die Inszenierung ist gelegentlich weniger spannend als die dahinterstehende Idee und Realität. So sind einige der surrealen Szenarien viel zu lang. Andere schwimmen im übertreibenden Klamauk.
Dennoch bleiben beeindruckende Bilder hängen, denen eine spielerische und destruktive Ambivalenz innewohnt. Oft sind es nur eigene aufblitzende Assoziationen, die das Präsentierte von einem kindlichen Spiel und zu einer grausamen Realitätserinnerung kippen lassen. Farbspielereien werden zu Folterszenarien, Kreidezeichnungen zu Leichenmarkierungen, amerikanische Drohnen zu Spielzeuggebärmaschinen oder Nemoballons. Alles transformiert permanent. Die unbewusste Wunde dominiert jedoch und vergiftet auch die unschuldigen spielerischen Elemente des Traums. Das wird sehenswert deutlich.
Aus den Kreideleichnamen an der Wand werden am Schluss bunte Figuren. Manche davon essen Eis über anderen scheint die Sonne. Diese Umrisse haben dann auch Brüste und manche einen Penis. Aus den Umrissen wird also etwas Konkrete. Aus den Leichen werden Personen. Das Bühnenende liegt nicht mehr im Dunklen. Auch das schmeckt trotz der bunten Farbe bitter. Erst steht daneben END. Dann steht da plötzlich ENDE. Und beendet wird das Stück mit dem Geschriebenen: ENDERN. Der Schlussmonolog über Hinweise zum Stück wird konsequent durch das Zerplatzen weißer Luftballoons unterbrochen. Niemand sagt uns, was wir wissen müssen. Was wir denken sollen. Die Drohne, der Nemoluftballoon surrt leise vor sich hin, alleine zurückgelassen auf der Bühne und kracht manchmal gegen eine Wand. ENDERN steht da in großen Lettern. Und wir starren hin.
Performance von und mit: Mey Sefan, Martine-Nicole Rojina, Enik
Choreografische Untersuchung: Mey Sefan
Künstlerische Mitarbeit: Ziad Adwan
07. – 08. Dezember 2013 / 20:30 Uhr
i-camp/neues theater münchen
Foto: Mey Sefan
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