Kultur, Nach(t)kritik

“Zum Jubiläum müssen wir es krachen lassen!”

Jan Rauschning-Vits
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20 YEARS COMPOST BOOK 1

An Compost Records kommt man in München nicht herum, wenn man sich mit elektronischer Musik beschäftigt. Mit der Compilation “Future Sounds of Jazz” schaffte Michael Reinboth bereits 1995 eine heute weltberühmte Reihe. Mit der “Compost Black Label Session” bespielen sie jeden Sonntag von 21 – 22 Uhr über Ego FM die Auto- und Küchenradios der Landeshauptstadt.

Viele bekannte Münchner Urgesteine wie Roland Appel, Thomas Herb oder Christian Prommer sind untrennbar mit dem Label aus dem Münchner Osten verbunden.

Jetzt wird das Label 20 Jahre alt und feiert sich ausgiebig am Freitag im Muffatwerk und danach über das Jahr verteilt in ganz Europa. Mit dabei sind internationale Kracher wie Henrik Schwarz oder Gilles Peterson.

Mit dem Labelchef Michael Reinboth haben wir lange telefoniert und ihn über die Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart des Labels befragt. Heraus kam eine ehrliche Analyse des Label-Babbos über sein Compost, das sich mittlerweile in viele Sublabels verzweigt hat und nicht nur mit Compost Black Label einen erfolgreichen Ableger gezüchtet hat.

Michael Reinboth

Hat Grund zu feiern: Michael Reinboth

Warum habt ihr so viele verschiedene Unterlabels?

Früher gab es viel mehr gemischte Clubs. Auch die Plattenläden verkauften noch Scheiben quer durch alle Genres. Die Entwicklung zu spezialisierten Clubs war mit ein Grund, warum wir verstärkt Sublabels gegründet haben. Wir haben aber auch manche Kooperation, die sich dann in einem Sublabel niedergeschlagen hat. Aber natürlich zielen wir ebenso auf den Marketingeffekt. Die Fans wissen, was sie von den einzelnen Labels erwarten können.

 

Ich habe das Gefühl Compost Black Label, mit seiner klaren Ausrichtung zur Clubmusik, ist davon das größte. Stimmt das?

Es ist auf jeden Fall das Label mit dem meisten Output. Es kommt mindestens eine Maxi im Monat und circa ein Album im Jahr. Damit ist es schon das erfolgreichste Projekt in der Compost Familie.

 

Heißt das ihr habt euch dahin entwickelt? Weg von der Lounge Musik mit der sehr erfolgreichen „Future Sounds of Jazz“ Compilation Anfang der 2000er Jahre?

Wir waren bei unserer Gründung in den 90er Jahren das erste Label im Freestyle Bereich. Also der Bereich zwischen den Genres, wo hier und da Elemente aufgenommen werden, um etwas völlig neues zu produzieren. Das war auch die Vision und das Ziel von Compost diese Hybrid-Musik zu veröffentlichen. Dem sind wir auch treu geblieben mit Compost, nur eben die Sublabels gehen teils andere Wege.

 

Kommt daher auch der Name Compost? Weil ihr Sachen musikalisch kompostiert und damit etwas neues schafft?

Genau! Wir haben viel Musik die mit Samples funktioniert und Stile aus ganz unterschiedlichen Zeiten vereint. Außerdem ist die Silbe „Com“ sehr aktuell. Als wir anfingen gab es noch kein Internet und heute ist „Com“ jedem geläufig. „Post“ bedeutet „senden an“ oder „schicken“. Deshalb gefiel mir der Name mit der Zeit immer besser. Zusätzlich fängt ein Komposthaufen manchmal Feuer oder explodiert sogar, durch biochemische Vorgänge. Im Mittelalter konnte man sich das nicht erklären und schrieb, wie so oft, das Phänomen den Hexen zu. Damit hat der Name „Compost“ auch was magisch. Und vielleicht explodiert’s mal

20 YEARS COMPOST BOOK 3

Am Anfang warst du alleine. Wie groß ist Compost heute?

Zu Spitzenzeiten beschäftigte ich 13 Mitarbeiter – jetzt sind wir noch 6. Die Entwicklung in der Musikindustrie hat natürlich auch uns gebeutelt. Download ist steady, CD ist total im Keller, Vinyl geht seit zwei Jahren wieder hoch. Gerade Leute zwischen 19 und 24 kaufen wieder Platten. Übrigens auch vermehrt unsere alten Sachen. Die Wartezeiten in den Presswerken hat sich extrem verändert. Heute muss man fast zwei Monate länger warten, da die Presswerke so viele Aufträge abarbeiten müssen.

 

Du bist selber auch DJ?

Seit den Achtzigern lege ich auf. Damals spielte ich ungefähr drei Mal die Woche. Mit der Zeit ist das etwas weniger geworden. Ich habe nicht mehr so viel Zeit. Meine Kapazitäten gelten in erster Linie den Labels. Meine Künstler sollen rausgehen spielen.

 

Spielst du bei den Veranstaltungen rund um euren zwanzigsten Geburtstag?

Wir haben ein so großes und dichtes Line Up – da halte ich mich zurück. Ich werde das ein oder andere Set spielen, vielleicht auch Back2Back mit unseren alten Freunden. Ich stelle lieber meine Künstler in den Vordergrund.

 

Hättest du vor zwanzig Jahren gedacht, dass du heute den Kram immer noch machst?

Als ich mit der Idee schwanger ging, mal die Verträge zu studieren und das Business kennenzulernen dachte ich natürlich nicht, dass es dieses Projekt so lange überleben würde. Ich dachte oder träumte vielleicht die nächsten drei Jahre voraus. Dann ging es weiter mit den nächsten drei Jahren und dann mit den darauf folgenden drei Jahren. Ab den 00er Jahren war es etwas anders. Da wusste ich dann, man hat einen gewissen Erfolg, man hat eine gewisse Fanbase und starke Strukturen im Vertrieb. Da konnte man dann schon ein bisschen weiter planen. Heute nach zwanzig Jahren blicke ich auch wieder nur zwei bis drei Jahre in die Zukunft. Aber zehn Jahre würde ich schon noch machen.

 

War war in den letzten zwanzig Jahren der Artist, der Compost am meisten geprägt hat?

Die erfolgreichsten Acts waren Beanfield und Koop. Sowohl was die Verkäufe betrifft, als auch die Musik. Roland Appel, Christian Prommer und Rainer Trueby haben alle Solo Projekte und sind auch als Trio sehr wichtig für uns gewesen und seit Stunde Null dabei. Ich denke das spricht für unser Label.

 

Das Event nächstes Wochenende wird ja richtig groß! Mit Henrik Schwarz habt ihr beispielsweise einen wirklich großen Namen auf dem Line Up. Warum macht ihr aber generell nicht so viele Events?

Wir hatten früher regelmäßig die Compost Black Label Night im Harry Klein, Bob Beaman und Kong. Die findet manchmal noch statt. Grundsätzlich sind wir aber ein Label und keine Veranstaltungsagentur. Nur zum Jubliäum müssen wir es krachen lassen. Allerdings wird es jetzt im Jubiläum eine große Tour machen. Freitag in München, am Samstag drauf in Berlin. Dann Karlsruhe, Freiburg, Zürich, Amsterdam, London. Im Herbst sind noch Frankfurt, Köln und Hamburg geplant. Dazu noch drei Veranstaltungen in Österreich. Insgesamt laufen wir auf 10 – 15 Events zu.

Neben den Jubiläumsparties kommt noch die Compost 500 – das 500ste Release. Es erscheint in einem dicken Buch mit 62 Seiten. Darin findet sich die ganze Compost Story. Mit Interviews, lustigen Anekdoten und Interviews mit Sven Väth und Solomun.

(Anmerkung der Redaktion:Das Buch wird es Anfang Juni im Online Shop von Compost zu kaufen geben) 

20 YEARS COMPOST BOOK 4

Auf was kann man sich denn in nächster Zeit freuen? Wann kommt denn endlich das Album von Cocolores?

Der neueste Stand ist dort, dass sie dazu tendieren, selber ein Label zu eröffnen. Wir haben da durchaus Interesse, mit ihnen zu kooperieren. Musikalisch sind sie sehr kritisch – was auch gut so ist, gerade wenn man so jung ist. Dennoch arbeiten sie intensiv an ihren Tracks.

Nach acht Jahren erscheint endlich ein neues Album von Felix Laband parallel zum Jubiläum. Darauf kann man sich wirklich freuen – auch auf sein Live Set am Freitag. Dieses Jahr erscheint auch die neue „Future Sounds of Jazz“, die wohl die erfolgreichste Compilation der Compost Geschichte ist.

 

Wie siehst du die Zukunft der Musik, gerade im elektronischen Bereich? Wird sich das Streamen behaupten, oder hören irgendwann doch wieder alle Vinyl?

Beatport und iTunes eröffnen nun beide ihre Streaming Portale. Die Zukunft ist definiitv das Streamen. Wenn wir bei uns alles vergleichen –also CDs, Vinyl, Downloads und Streaming – dann liegt das Streaming mit Abstand weit vorne. Nicht vom Umsatz, aber von der Hörerzahl. In der Masse wird es mehr, obwohl die Beträge von den einzelnen Klick, für das einzelne Anhören im sehr gering sind.

 

Streamst du auch selbst, oder wie genießt du deine Musik?

Nein. Ich muss ohnehin so viele Demos hören und die Charts verfolgen, dass dafür kaum Zeit ist. Wenn mir was gefällt, kaufe ich es als Vinyl. Digital kaufe ich eigentlich nichts. Da bekomme ich aber auch viel von Kollegen als Promo.

 

Wo wir gerade über Demos sprechen: Hörst du die alle selbst, oder ist das klassische Praktikantenarbeit?

Das teilen wir uns auf. Wenn ich die Künstler kenne, höre ich es schon selber. Demos von uns unbekannten Produzenten hören dann meine Mitarbeiter. Prinzipiell wird aber jede Demo von uns wahr- und ernst genommen.

 

Zum Schluss die Königsfrage: Wo wollt ihr sein, in den nächsten zwanzig Jahren?

Wir wollen noch in München sein, wir wollen weiterhin ein offenes Freestyle-Label sein und wir wollen weiter den Zeitgeist mitgestalten.

 

Warum wollt ihr in München bleiben? Ist Berlin nicht wesentlich cooler und generell das bessere Pflaster für ein Label?

Viele Labels sind den Weg von München nach Berlin gegangen, beispielsweise DJ Hell mit Gigolo Records. Der Vorteil an München ist, dass es die zweitbeste Stadt Deutschlands für elektronische Musik ist. Das Bookingangebot ist wirklich gut. Zweitens ist die Stadt schlicht wunderschön. Und drittens ist in Berlin das Konkurrenzdenken viel größer. Es ist viel, viel schwieriger solch ein Labelevent zu machen. Erstens musst du damit rechnen, dass an diesem Tag noch drei weiter Veranstaltungen dieser Art sind, zweitens musst du damit rechenen, dass bestimmte Künstler bei dir gar nicht auflegen, weil die Exklusivität im Watergate und oder der Innervision Parties die großen Leute natürlich anzieht. Das Konkurrenzdenken zwischen Labels, Clubs, Künstlern und Promotern ist gewaltig in Berlin. In München ist das noch sehr smart. Hier kooperieren die Läden auch mal miteinander und arbeiten sehr angenehm untereinander. Hier gibt es keine Berührungsängste.

 

Michael, vielen Dank für das Gespräch! Auf die nächsten zwanzig Jahre!

 

Am Freitag, den 22. Mai, beginnt die große Sause. Karten gibt es für rund 29€. Klickt ihr –>hier<–

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