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Das Monticule Festival – Ein Nachruf

Jan Rauschning-Vits
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Nach fünf Ausgaben und zuletzt mehreren Absagen geht dem Monticule Festival die Puste aus. Diese Nachricht verbreitete das Festival am Sonntag Abend auf seinen Socialmedia-Accounts. Anhaltende, pandemiebedingte Unsicherheit und finanzielle Schwierigkeiten haben zuletzt die Situation für die Veranstalter derart verschärft, dass nun der Gang in die Insolvenz und die Abwicklung des Unternehmens ansteht. 

Die Geschichte des Monticule steht dabei beispielhaft für viele kulturelle Initiativen, die schon mit ihrer konzeptionellen Ausrichtung immer gegen den finanziellen Ruin spielen und bei der Vergabe an den Fleischtöpfen der kulturellen Förderung strukturell benachteiligt werden. 

Von der Idee zum Projekt

Als das Monticule 2014 von der Idee zum Projekt heranreifte, waren die ursprünglich 7 Gesellschafter aus München noch jung (Anfang bis Mitte 20) und geradezu euphorisch. Das eigene Festival. Die eigene Spielwiese. Sommerferien nach eigenem Gusto und kulturelle Freiheit leben. Der Enthusiasmus war mit Händen zu greifen. Die Location im Süden Frankreichs ist tatsächlich einzigartig und das Team mit allen erforderlichen Kompetenzen ausgestattet, die es für ein Festival braucht: Booking, Gastronomie, Technik, Kontakte in die Szene – es ist angerichtet. Nur an Erfahrung fehlte es noch, aber die würde schon noch kommen. 

Die kleine und eingeschworene Feiergemeinde in München war auch schnell infiziert mit dem Gründerwillen und pilgerte im Juni 2015 zu großen Teilen das erste Mal auf „den Hügel“. Barkeeper:innen und Securities aus der Münchner Nachtgastronomie waren ebenso vertreten wie DJs und Techniker:innen. Es ging familiär zu, und defizitär. Das erste Festival schoss mit den sprichwörtlichen Kanonen auf Spatzen. Szenegrößen wie Âme und Erobique spielten vor ein paar Dutzend Feiertouristen und wunderten sich wahrscheinlich nicht schlecht. Franzosen und Französinnen waren nur wenige angereist. 

Familiär und Defizitär

Was im ersten Jahr mehr wie ein Ferienlager für Münchner:innen wirkte, entwickelte sich danach zu einem kleinen Juwel in der Europäischen Festivallandschaft. Das Line-Up war stets erlesen ausgewählt und artifiziell genug, um dem Monticule schnell das Label eines echten Kennerfestivals zu verpassen. Qualität und lokale Spezialitäten prägten nicht nur die angebotenen Gerichte, sondern auch die Drinks. Und all das unter der Sonne Südfrankreichs auf einer 200 Meter steilen Kalksteinklippe, mit Aussicht über das Tal des Lot, Pool und Tennisplatz und einer beeindruckenden Naturkulisse. 

Aber die Hypothek der Anfangszeit lastete schwer. Das zeigt der Abschiedsbrief der Organisatoren in bedrückender Deutlichkeit. Konflikte unter den Gesellschaftern kamen dazu, dann sogar ein Investor, ohne den wohl schon viel früher die Lichter ausgegangen wären. Und all dies, ohne dass je eine Person ihren Lebensunterhalt mit dem Festival hätte bestreiten können. Angesichts dieser Schwierigkeiten kann man nur den Hut ziehen vor so viel Leidenschaft für dieses Projekt, die die Organisatoren jedes Jahr aufs Neue aufbrachten. 

Doch das Monticule wuchs und entwickelte sich.

Mit den Jahren wurden die Gäste immer vielfältiger und internationaler. Nicht nur aus allen Ecken Europas kamen sie, sondern der ganzen Welt. Hier fand man Freunde fürs Leben und teilte die gemeinsame Lust aufs Leben über Kulturen hinweg. Die deutsch-französische und von ihr getragene internationale Freundschaft war wohl nirgendwo und nie wieder so real für die Tausenden Gäste, die über die Jahre auf den Hügel zogen. 

In diesem Sinne ist das Monticule nicht gescheitert. Es hinterlässt einen Nachhall, der im Leben seiner Gäste weiterlebt und in den Freundschaften und Partnerschaften, die sich dort gefunden haben. Was kümmert da schon die Insolvenz angesichts diesem überragendem immateriellen Mehrwert? 

Sie kümmert, denn sie war unnötig. 

Der lange Abschiedsbrief zeigt, wie gut die Aussichten für das Festival vor der Pandemie waren. Endlich eine Perspektive zum Abbezahlen der Schulden, mit einer begeisterten und verlässlichen Anhängerschaft, die Jahr für Jahr im Tausch gegen Essen und Liebe bereitwillig die Bühnen und die Infrastruktur aufbauten und oft nichts mehr wollten, als noch ein paar Tage länger die Sonne Frankreichs zu genießen und treue Gästen, die mittlerweile verlässlich das begrenzte Ticketkontingent ausverkauften. Doch dann kam der Lockdown und mit ihm die mehrfache Verschiebung des Festivals. Das mühsam erarbeitete Geld glitt durch die Finger und jetzt ist es aus. 

Hätte es soweit kommen müssen?

Ist das Monticule nicht schützenswert gewesen? Ist die Freundschaft und der offen zelebrierte Hedonismus von ein paar Tausend jungen Erwachsen nicht wert, gerettet zu werden? Wieso werden altbackene Karnevalsvereine mit Millionen übergossen und Konzerthäuser trotz schwindender Besucherzahlen renoviert oder sogar neu gebaut, während still und leise das prägendste Projekt meiner letzten Jahre einfach so verreckt?

Seit Beginn des Festivals wurde sich um Kulturförderung bemüht. Doch die deutsche Firma in Kombination mit dem Veranstaltungsort in Frankreich machte es deutschen und französischen Fördertöpfen unmöglich, das Projekt zu subventionieren. Nicht zuständig, nicht machbar, nicht unser Problem. Die Coronahilfe, die es von deutscher Seite gab, reichte natürlich bei weitem nicht aus, um die Löcher zu stopfen. Es ist schon erstaunlich, wie ein grenzübergreifendes Europäisches Projekt in einem angeblich grenzenlosen Europa am ausgestreckten Arm einfach so verhungert. Der Kontinent mit dem größten Binnenmarkt der Welt, reich, mächtig, vernetzt und integriert – my ass. 

Die (Europäische) Kulturförderung denkt immer noch kleingeistig und pumpt Milliarden in so genannte Hochkultur. Den Rest dürfen private Stiftungen übernehmen. Doch es fehlt auch an Koordination. Wieso muss ein Festivalbetreiber, der mit aller Kraft sein Schiff vorm Absaufen bewahren will, auch noch von Einrichtung zu Einrichtung rennen und um Förderung betteln? Wer Kultur will, muss sie aktiv fördern und direkt auf die Kulturschaffenden zugehen. Wer sie auch Europäisiert haben will, muss auch für Projekte wie das Monticule Fördermöglichkeiten schaffen und das bitte auch abseits von Leuchtturmprojekten. 

Hier ist ein Kleinod der deutsch-französischen Freundschaft bitterlichst eingegangen, während sie ganz oben jährlich dreistellige Millionenbeträge in den Fernsehsender Arte pumpen, um dann dort Konzerte der Böhsen Onkelz zu übertragen.

Das Monticule hätte nur ein paar Tausend Euro gebraucht. Schade eigentlich.


Fotos: © Rubens Ben

2 Comments
  • JS
    Posted at 19:01h, 19 Februar

    Wirklich interessant die Geschichte so aufbereitet zu sehen.
    Mensch kann nur hoffen, dass es auch zukünftig abenteuerlustige gibt, die Lust auf unabhängige Festivalkultur haben.
    Der Schuss gegen Arte im vorletzten Absatz hätte in diesem Kontext aus meiner Sicht nicht Not getan.

  • Konstantin
    Posted at 23:08h, 16 April

    @JS
    Ich denke arte ist ein Platzhalter für andere Beispiele wie städtische Opernhäuser, andere Fernsehanstalten etc pp wo wirklich absurd, also wirklich absurd viel geld für Kulturproduktion ausgegeben wird.
    Das Umverteilen dieser Fleischtöpfe wäre echt an der Zeit, von einer mäßig bis schlechten TV-Produktion in den Öffis könnten wahrscheinlich zehn Monticule-Ausgaben finanziert werden 😀

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