Kultur, Nach(t)kritik

Alles beim Alten

Thomas Steierer

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Wenn er in der von ihm mitgegründeten Münchner „Lach-und Schießgesellschaft“ auftritt, ist lange vorher ausverkauft: Dieter Hildebrandt, personifizierter Kabarett-Inbegriff, Schauspieler („Kir Royal“, „Kehraus“), Mastermind der TV-Satire-Erfolgsformate „Scheibenwischer“ und „Notizen aus der Provinz.“ Per Hörbuch besteht nun nichtsdestotrotz die Gelegenheit, in den Genuss seines aktuellen Programms „Ich kann doch auch nichts dafür“ zu kommen.

Alles ist beim Alten: So mancher aktueller politischer oder gesellschaftlicher Protagonist, so manche Institution, so manches Unternehmen, so manches Phänomen geben dem inzwischen 84-jährigen Dieter Hildebrandt nach wie vor genügend Anlass zu Kritik und Spott.

Unter anderem: Die schwarz-gelbe Koaltion in Berlin mit dem „vormaligen Außenminister Westerwelle“, „Schwachsinnsbeschleudigungsgesetz“, Steuererleichterungsmonstrum der FDP“ oder „Renten-Ursel“ Ursula von der Leyen, dem „charmantesten Eisberg Deutschlands.“ Der neue Bundespräsident Wulff: „Der ist ein Pechvogel, er wird immer genau so verstanden, wie er es auch gemeint hat. (…) Hoffentlich haben wir jetzt nicht auf einmal einen Präsidenten, der seine Reden selbst schreibt.“ Die Landesbankaffäre der CSU: „10 Milliarden in den Sand gesetzt. In Bayern haben sie schon gedacht, der Sand wird knapp.“ Keiner wolle schuld sein, weder Stoiber, noch Huber, „alle befanden sich damals auf dem Höhepunkt ihrer Unschuld.“

Auch weitere aktuelle nichtpolitische Baustellen werden von Dieter Hildebrandt mit gewohnt hoher Pointendichte verarztet. Etwa: Der Kachelmann-Prozess („Wer hat wen vergewaltigt? Der Kachelmann die Alice Schwarzer oder doch umgekehrt?“).  Gestiegene Lebenserwartung, Fitsein im Alter samt „Ein Platz an der Sonde“, Seniorenresidenzen als „Endlager Deluxe“ und Nordic Walking („Militante Frauengruppen mit Stöcken“), „Optimismus ist, wenn man mit 95 zur Vorsorgeuntersuchung geht.“ Die Bahn-Servicekrise (titelgebend für sein Programm: Die Schaffner-Standard-Rechtfertigigung „Ich kann doch auch nichts dafür“) und der Börsengang-Irrsinn des Ex-Bahnschefs „Blähdorn“.

Dieter Hildebrandt, inzwischen 84, lässt sich nicht lumpen, wird nicht müde, unvermindert schlau, hellsichtig und bissig -jenseits von plumpem Politiker-Bashing- den Finger in die Wunde zu legen, das Kind beim Namen zu nennen.

Dieter Hildebrandt, “ Ich kann doch auch nichts dafür“, Random House Audio 2011, 2 CDS, Laufzeit ca. 140 Minuten, Preis 17,99 Euro.

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