Kultur, Nach(t)kritik

„Kids of Mao & Coca Cola“ – Lesung von Li Dawei

Katrin Schuster
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Am Dienstag liest der chinesische Autor Li Dawei im Muffatwerk (20 Uhr) aus seinem neuen Comic-Roman „Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam“ (Albrecht Knaus Verlag).

lidawei

Unabhängig von der Frankfurter Buchmesse präsentiert “Das Leben ist jetzt” Li Dawei und andere chinesische Schriftsteller, die für anspruchsvolle und lebendige Kontroversen und unkonventionelle Literatur stehen.

Als Li einst den Jungpionieren beitrat, um ein „gutes Kind des Vorsitzenden Mao“ zu werden, präsentierte er das Kennzeichen dieser Zugehörigkeit als erstem dem Hinterhofkätzchen, das jenes rote Halstuch sogleich probetragen durfte. „Die Katze aber erschrak vor dem blutfarbenen Tuch und sprang mit einem Satz auf das Dach eines Nebengebäudes und verschwand.“ Und mit ihr das Tuch.

Auch als in China längst Deng Xiaoping die Herrschaft übernommen und Li das Comiczine „Kids of Mao & Coca Cola“ gegründet hat, trägt wieder eine Katze schuld, dass Politik in Lis Leben keinen Platz findet. Im Dienst der 1989er-Studentenbewegung zeichnet er – nicht aus Überzeugung, sondern aus Liebe zu einem Mädchen – ein Plakat und gerät mitten hinein in den Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Im Geschrei der Kämpfe vernimmt er ein Miauen: „Ich zog das zusammengerollte Plakat aus meinem Rucksack und warf es weg. Es gab keinen Grund mehr, es weiter aufzubewahren, und das Kätzchen brauchte den Platz in der Tasche.“

Bis zu diesem Zeitpunkt kann man den Roman „Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam“ des in den USA lebenden chinesischen Autors Li Dawei durchaus noch für einen autobiografisch gefärbten Erlebnisbericht halten. Doch das ändert sich spätestens, nachdem Kater Haohao zu sprechen begonnen hat. In der Folge entdeckt der nämlich seine Liebe zur Konsumkultur der westlichen Welt: Mit einem roten Aufzieh-Mercedes braust er bald durch die Wohnung, zur Sexgespielin erwählt er eine Hello-Kitty-Puppe, und schließlich fasst er den Entschluss, in den USA Comic-Schauspieler zu werden. „Ich wollte Haohao in seiner überschwänglichen Begeisterung nicht bremsen. War es so abwegig, dass auch Katzen nach den Sternen griffen und ein Kater aus armer Familie seine einzige Hoffnung auf ein besseres Leben in einer Karriere als Cartoonstar sah?“ Haohao wird, so viel sei verraten, tatsächlich als „Tony Cat“ in Hollywood berühmt, stürzt dann in Alkohol und Erfolglosigkeit ab, um am Ende ein Comeback in China zu versuchen.

Der Gleichmut, in dem diese wahrhaft krude Geschichte erzählt wird, sorgt freilich für zahlreiche Pointen, da Rhetorik und Realität oft genug hart aufeinanderprallen. Andererseits irritiert der nüchterne Ton auf Dauer: Das Buch hat im Grunde keinerlei Spannungsbogen, eins passiert nach dem anderen, allein die eingefügten Comicstrips sorgen stilistisch für Abwechslung. Und nach 316 Seiten ist eben Schluss damit. Was man Li Dawei allerdings lassen muss: Das sind äußerst kurzweilige, herrlich groteske 316 Seiten.

Diese Rezension von Katrin Schuster, der Macherin des Literaturkalenders literatur-muenchen.de, erschien in der Oktoberausgabe des Münchner Literaturmagazins KLAPPENTEXT. Ein KLAPPENTEXT-Abonnement ist kostenlos.

(Photo: Albrecht Knaus Verlag)

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