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Knotenpunkt Polly: Wer inspiriert hier wen?

Tobias Wullert

München, Hannover, Berlin, Madrid – Polly ist nonstop unterwegs. Sei es mit ihrer Band Pollyester oder als vielbeschäftigte Theatermusikerin und Komponistin an Häusern wie den Münchner Kammerspielen, dem Residenz Theater oder am Schauspielhaus Hannover für Tom Kühnels Revolutionsrevue „1917“. Die nächsten Stationen sind Berlin und Zürich. Stillstand ist nämlich nichts für den kreativen Tausendsassa.

Geboren wurde Polly 1982 in Minsk, 1993 kam sie mit ihrer Mutter nach München. Zunächst studierte sie Jazz-Kontrabass am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium, entschied sich aber nach zwei Jahren für das, was damals noch Underground hieß. Sie spielt Bass bei Kamerakino, Munk, Convertible u.A., begleitet Gainsbourg-Arrangeur Jean-Claude Vannier und Schorsch Kamerun. Gemeinsam mit den DJs Mooner, Kitt Bang und Kaput veranstaltete sie die legendären Zombocombo-Partys in der Registratur. 2007 fiel dann der Startschuss für „Pollyester“. Neben La Brass Banda-Drummer Manu da Coll, spielen auch Beni Brachtel und Benjamin Mathias mit in Polinas Band. Gerade arbeiten die vier, die schon in Japan und UK tourten, an ihrem dritten Album.

Für Mucbook stellt uns Bassistin Polly die Menschen vor, mit denen sie gerne zusammenarbeitet, sich austauscht und inspirieren lässt – fünf kreative Frauen aus München.

 Paulina Nolte, Künstlerin

Wir hatten eine fantastische erste Begegnung auf dem Viktualienmarkt. Paulina wollte mich auf der Straße interviewen. Es ging um eine Fernseh-Umfrage. Ich schob Juno, meine Tochter, im Kinderwagen und wir waren recht schrill angezogen. So wurde sie auf uns aufmerksam. Sie hat mich als Person verzaubert, denn sie hat mich mit der gleichen Schüchternheit angesprochen, mit der ich versuchte, mich um eine Teilnahme an der Umfrage zu drücken. Worum es eigentlich ging, rückte in den Hintergrund, weil wir uns so verknallten. Im Nachtleben traf ich sie dann irgendwann wieder und mir fiel auf, dass sie mich an mein Teenie-Idol Alicia Silverstone aus den Aerosmith-Videos erinnerte und all meine Sehnsüchte triggerte, die ich zu der Zeit hatte. Mittlerweile macht sie selbst so abgedrehte Kunst, die mich in großes Erstaunen versetzt. Bald ist ihre Solo-Ausstellung in der Akademie Galerie zu sehen. Dort beschäftigt sie sich mit dem Sterben und den Ritualen des Todes.

Milena Wojhan, Fotografin

Ich brauchte neue Pressefotos und überlegte herum, mit wem es spannend sein könnte, das neu zu denken … Ich kenne und schätze einige wunderbare Fotografen in München, aber ich wollte diesmal etwas Neues ausprobieren und mich überraschen lassen und so kam ich über eine Empfehlung und Recherche auf Milena. Ich finde es spannend, die künstlerische Regie in andere Hände zu geben, aber nur wenn das Vertrauen da ist. Zu Milena hatte ich sofort einen Draht. Sie ist selbst von einer Anmut und Eleganz, die man auch in ihren Fotografien wiederfindet. Diese sind immer sinnlich, ohne billig zu verführen. Ich finde es toll, wenn Künstler Entschlossenheit und Stil-Treue zeigen. Dabei ist Milena noch total jung und hätte jede Freiheit, in alle Richtungen auszuprobieren. Sie gehört zu einer Generation, die ich nicht mehr nachfühlen kann, wie es mir vorher möglich war; die ich aber bewundern und aufmerksam beobachten kann.“
Instagram: Milena Wojhan

Angela Obst, Dramaturgin

Angela lernte ich kennen, als ich im Frühling 2012 von ihr eine Anfrage bekam, die Komposition und musikalische Leitung für das Stück „Kinderkriegen“ am Residenztheater zu übernehmen. Wir fanden sofort eine gemeinsame Sprache und konnten uns toll austauschen. Ich bewundere sehr, was Angela leistet. Ihre Arbeit erfordert so viele Fähigkeiten, die unter extremer Belastung trotzdem noch abrufbar bleiben müssen. Sie macht Fassungen der Theaterstücke, die dann erarbeitet werden, betreut die Proben, gestaltet Spielpläne, beschafft die Rechte für Textmaterial und hat ein offenes Ohr für alle, die im Probenprozess Rat und Unterstützung brauchen. Sie ist mir eine teure Kollegin und Freundin. Ganz nebenbei ist sie junge Mutter und springt im Dreieck zwischen Theater, Kindergarten und Zuhause.

Jovana Reisinger, Filmemacherin, Autorin, Enfant terrible

Gleich bei unserer ersten Begegnung, wir standen beide für einen Trailer zum „Kino der Kunst“ vor der Kamera, war ich von ihrer Erscheinung fasziniert. Wir lernten uns dann besser kennen. Schwer begeistert war ich von ihrem Video für Das Weiße Pferd, „Teutsche Machos“. An ihrem Videoclip fand ich erfrischend, nicht beantworten zu können, wie ich es eigentlich finde, aber es verblüffte mich ästhetisch und so war sie für mein „Sound of Dead“-Projekt für die Kammerspiele zum Día de los Muertos in Mexiko die erste Wahl. Sie will nicht um jeden Preis originell sein, ist in ihren inszenierten Geschmacklosigkeiten aber sehr geschmackvoll und hat eine unglaubliche Energie. Sie hat eine extrem scharfe Zunge und ist in der Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft eine unerlässliche Notbremse, die eine ganze Party-Gesellschaft mit einem Satz erstarren lassen kann. Wir sehen uns zur Zeit leider selten, sind uns aber auch auf Distanz gegenseitig treue und durchaus scharfe Kritiker.

Veronica Burnuthian, Musikerin und Veranstalterin

Veronica kenne ich eigentlich fast nur von der Bühne, als Gitarristin von Friends of Gas. Ich finde die Art, wie sie Gitarre spielt, fantastisch. Da sitzt einfach jeder Handgriff. Sie ist immer voll bei der Sache und auch ihre vielen D.I.Y.-Projekte, ob sie jetzt Konzerte im Kafe Kult veranstaltet, das Magazin „München ist Dreck“ auf die Beine stellt oder mit ihrer anderen Band Atatakakatta experimentiert, immer zieht sie alles mit einer entwaffnenden Energie durch, die mich immer wieder beeindruckt.

Noch mehr kreative Köpfe aus München könnt ihr im Mucbook #8 kennenlernen.


Text: Tobias Wullert, Polina Lapkovskaja; Fotos: Milena Wojhan, Tim Trzoska, Lapkovskaja

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