Kultur

Mann oder Macbeth?

Regina Karl
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Die letzte Premiere für diese Spielzeit an den Münchner Kammerspielen: Karin Henkel zeigt Samstag Abend einen sauber gegenderten “Macbeth“.

“A dream-like state”, so beschreibt Martin Scorsese die Wirkungsmacht der Cinematographie, die einen jeden Kinogänger im Vexierspiel zwischen Realität und Fiktion gefangen hält. Ein Weihspruch, den auch Shakespeares „Macbeth“ verdient hätte. Und wirklich: dass es vom Kinosessel ins Theaterparkett mittlerweile kein weiter Weg mehr ist,  davon konnte man sich am Samstag Abend in den Münchner Kammerspielen überzeugen. So ließ einen das Gefühl nicht los, dass in Karin Henkels „Macbeth“-Version eine Popcorntüte für das obligatorische “Kneif mich mal!” des Stücks bessere Dienste geleistet hätte, als das diskurspolitisch überladene Programmheft. Von Kill Teams in Afghanistan, ein wenig dekonstruktivem Marxismus à la Eagleton und Judith Butler, der Grande Dame des Geschlechterkampfs, ist da die Rede. Irgendwo dazwischen traumwandelt Macbeth.

Diesem intellektuellen Wirrwarr wird die Inszenierung denn auch nur in Maßen gerecht: Aus den chiastischen Drehern Shakespeares, der die Nacht zum Tag, “foul” zu “fair” und Imagination zu Wirklichkeit werden lässt, bleibt Karin Henkel bei der Genderfrage des Stücks hängen. Auf Lady Macbeths drängende Frage “Bist du ein Mann?” antwortet in dieser Inszenierung die androgyne Schauspielerin Jana Schulz mit einem nur zögerlichen “Ja”. Den McDeath hätte man ihr allerdings allein schon wegen dem etwas zu lässigen Feinrippshirt, der etwas zu weiten Buntfaltenhose und den etwas zu großen Stiefeln nicht abgekauft.

Henkel dreht die Gender-Schraube noch weiter, wenn König Duncan (Stefan Merki) in Glitzerfummel und Pumps über die Bühne stöckelt, Benny Claessens Banquo sich ordentlich in Schwulitäten bringen darf, die herbe Katja Bürkle ihrer Lady Macbeth mehr Manneskraft als Ladylikeness verleiht und die Tänzerin Kate Strong breitbeinig im pinken Tutu in der Ecke hockt, statt leichtfüßig über die Bühne zu schweben. All the world´s a stage: die Frage, was Mann und was Frau ist, ist heute auch ohne das Theater schon genug zweifelhaft.

Und doch erfährt die alte Diskussion um Geschlechterperformierung einen interessanten Dreh bei Henkel: In den Variationen von Männlein und Weiblein wirken ihre Schauspieler überraschend natürlich. Dieses Ensemble ist auf Geschlechterrollen, gegen die angespielt werden könnte, erst gar nicht angewiesen. Im Gegenteil: Henkels Schauspieler sind längst schon die Zwitterwesen, die sich die Regisseurin an diesem Abend so unbedingt wünscht. Lady Macbeths Anruf an die dunklen Mächte, „Unsex me here“, findet deshalb allzu schnell Gehör. Genderpolitisch auf dem neuesten Stand, ist der Rest des Abends nur Versatzstück.

Denn Vewirrung stiften können offenbar nicht nur unsere primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, es reicht auch schon, englischen Originaltext in die Inszenierung einzusprengseln, Banquos Killer abwechseln schwyzerdütsch und niederländisch plappern zu lassen und dabei mit Hilfe allerlei Mikros mal dem einen, mal dem anderen den Saft abzudrehen. Die Szenerie dazu lieferte Muriel Gerstner: ein großes schwarzes Hexenhaus mit der Aufschrift „Schlafender Raum“. Ein Ort, an dem Sonne nie aufgeht und mehr und mehr der Wahnsinn Einzug hält.

Diesen Wahnsinn lässt Karin Henkel jedoch eher zerrinnen, als ihm Gestalt zu geben. Das clownsverzerrte Gesicht des Widergängers Banquo, der sich unter Flutlicht in einer Mischung aus Porno-Kulisse und expressionistischer Schwarz-Weiß-Optik auf Macbeth´s Bett räkelt, wirkt grotesk bis komisch, jedoch in keinster Weise unheimlich. Jana Schulz bleibt dabei als letzte theatrale Verzweiflungstat der wiederholte Gang an den Bühnenrand. Macbeth´s große Monologe verkommen dort zu dem, was sie einmal gewesen sind. Als bloßer Text scheinen sie eher belangloses Gefasel, als dringendes Bekenntnis zu sein. Und da ist er wieder, der traum-hafte Zustand, der uns aus unserem wohlstrukturierten Bewusstsein reißt und darauf pocht, dass Mann nicht Mann, Frau nicht Frau, und Sprache nicht Körper ist. Scorsese hätte nach diesem Abend vielleicht weniger in die Buh-Rufe beim Endapplaus eingestimmt, als vielmehr müde gelächelt.

Noch ist aber nicht aller Premieren Abend: Bevor Johan Simons im September seine zweite Spielzeit mit Fellini eröffnet, zeigt das vielgepriesene Smeds Ensemble aus Finnland Anfang Juli zwei Gastspiele. Außerdem wird noch einmal in den Werkraum gerufen: Bevor die von Bert Neumann gestaltete lila Disco-Lounge umgebaut wird, werden dort noch einmal alle tanzbaren Inszenierung der diesjährigen Spielzeit gezeigt: XY Beat (20.7.), Mjunik Disco (21.7.) und They shoot horses, don´t they? (22.7).

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