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Das ist der neue Chef von Münchens berüchtigtem KVR

Jan Rauschning-Vits
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Viele Münchner verbinden mit dem KVR zahlreiche Unannehmlichkeiten, sowie stundenlanges Schlangestehen und erbarmungslose Bürokratie. Doch wer steckt eigentlich hinter dem berüchtigten Kreisverwaltungsrat? Ich habe mich mal erkundigt und bin mit dem Chef, Thomas Böhle, für ein Interview zusammengekommen. 

Sie sind jetzt seit rund einem Monat im Amt. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Aufgaben, vor denen Sie als Chef des KVR in Ihrer Amtszeit stehen werden?

Ich will im direkten und persönlichen Kontakt mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für München da sein. Mehr als 3800 Menschen arbeiten hier – und das nicht nur im Stammgebäude an der Ruppertstraße – sondern auch zum Beispiel in den Bürgerbüros in verschiedenen Stadteilen, im Fundbüro beim Westpark oder in der KFZ-Zulassungsstelle an der Eichstätter Straße. Eine wichtige Aufgabe: Die Wartezeiten müssen deutlich kürzer werden.

In den Bürgerbüros, der KFZ-Zulassungsstelle und bei der Ausländerbehörde. Wir arbeiten für die Menschen, die in dieser schönen Stadt leben. Sie haben ein Recht auf freundlichen, zuvorkommenden und kompetenten Service. Und für sie müssen wir unser Bestes geben. Die Müllerstraße ist als „Barstraße“ und Ende der Feierbanane sehr umstritten.

Wie sieht der Plan des KVR aus, um die Konflikte zwischen Anwohnern und Gastronomen zu schlichten?

Die Experten hier im KVR haben in den vergangenen Jahren keinen signifikanten Anstieg von Lärmbeschwerden gegen konkrete Gaststätten verzeichnet. Das grundsätzliche Problem gegenläufiger Interessen von Menschen, die feiern wollen und von Menschen, die ihre Ruhe haben wollen, wird sich in einer Großstadt nie ganz lösen lassen. Aktuell arbeiten wir am Konzept für einen KVR-Außendienst, der in Schwerpunktgebieten – dazu zählt das Gärtnerplatzviertel – Rundgänge machen soll.

Dabei sollen die Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel ein Auge haben auf Verstöße gegen Lärmschutzauflagen, das Gaststättengesetz oder andere Ordnungswidrigkeiten, sie sollen erforderliche Maßnahmen direkt vor Ort ergreifen – und auch bei Bedarf schlichten.

Dabei sollen die Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel ein Auge haben auf Verstöße gegen Lärmschutzauflagen, das Gaststättengesetz oder andere Ordnungswidrigkeiten, sie sollen erforderliche Maßnahmen direkt vor Ort ergreifen – und auch bei Bedarf schlichten.

Das neue „Kompetenzteam Kreativwirtschaft“ hat kürzlich seine Arbeit aufgenommen. Ziel ist es, zwischen Kulturreferat und KVR zu vermitteln und Kulturschaffenden unter die Arme zu greifen. Wieso klappte die Kommunikation zwischen Kulturreferat und KVR vorher nicht? Was versprechen Sie sich von dem neuen Kompetenzteam?

Das Kompetenzteam ist sicherlich nicht deshalb eingeführt worden, weil die Kommunikation zwischen Kulturreferat und KVR nicht klappen würde, wie Sie behaupten. Wir haben immer schon gut zusammengearbeitet. Im Kompetenzteam sitzen Mitarbeiter mehrerer Referate zusammen – mit dem Ziel, Kreative zu stärken und ihnen in betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Fragen zu helfen. Wir beraten das Team zum Beispiel mit unserem Wissen zum Planen und Vorbereiten von Veranstaltungen. Das wollen wir fortsetzen und ausbauen.

Der Streit um den Kulturstrand am Vater-Rhein-Brunnen hat auch ein schlechtes Licht auf Ihre Behörde geworfen. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Entscheidung darüber, wer nun dort als Veranstalter wirken darf, so spät kam. Auch andere Kulturschaffenden erhalten teilweise erst am Tag der geplanten Veranstaltung grünes Licht vom KVR. Kalkulationen werden dadurch hoch riskant und kleinere Kulturschaffende haben es noch schwerer.

Wieso entscheidet das KVR oft so spät? Planen Sie, dieses Vorgehen zu ändern?

Eine lange Frage – in die Sie einige Vorwürfe verpackt haben. Der Reihe nach. Grundsätzlich ist es so, dass ein sehr großer Teil der Veranstaltungen in dieser Stadt nicht erlaubnispflichtig ist. Das sind – jetzt wird es leider ganz kurz ein wenig bürokratisch – alle Veranstaltungen in dafür vorgesehenen Räumen und Veranstaltungen mit weniger als tausend Personen. Die müssen lediglich angemeldet werden – und nicht genehmigt.

Hier besteht von Anfang an Planungssicherheit, weil der Veranstalter mit der ordnungsgemäßen Anmeldung seine Pflicht getan hat. Er muss dann bloß die Anordnungen der Sicherheitsbehörde, in dem Fall also von uns, einhalten. Dann gibt es noch Veranstaltungen, die erlaubnispflichtig sind. Dazu gehört zum Beispiel der Strand an der Isar. Damit unsere Fachleute solche Anträge ordnungsgemäß bearbeiten können, brauchen wir zwei Monate Vorlauf.

Leider halten sich die Veranstalter häufig nicht an diese Faustregel. Das ganz allgemein. Und jetzt zum Strand – auch wenn die Historie dazu ja komplett vor meiner Amtszeit liegt. Inzwischen haben wir eine Lösung: Der Stadtstrand ist in vollem Gange. Im Jahr 2014 wurde das Vergabeverfahren für den Strand grundlegend neu konzipiert, mit neuen Vergabekriterien. Es hat sich herausgestellt, dass das neue vom Stadtrat beschlossene Verfahren sehr aufwändig und zeitraubend war.

Die Entscheidung fiel deshalb leider erst kurz vor Veranstaltungsbeginn. Dazu kommt noch etwas: Anders als vom KVR vorgeschlagen, wurde der Strand im Jahr 2014 nicht für den Zeitraum von drei Jahren vergeben. 2015 musste die Veranstaltung also noch einmal durch den Stadtrat, deshalb wurde es wieder knapp mit der Ausschreibung.

Wir mussten fast 40 vorgeschlagene Standorte prüfen. Am Ende der Bewerbungsfrist im März lagen vier Konzepte vor. Wegen einer Klage des bisherigen Veranstalters beim Verwaltungsgericht und der Entscheidung, die erst Ende Mai kam, musste das KVR das Auswahlverfahren nachjustieren. Das hat wieder Zeit gekostet. So kam es zu der – wie Sie kritisieren – späten Vergabe. Auch für kommendes Jahr müssen wir den Beschluss des Stadtrats abwarten, erst dann kann die Veranstaltung ausgeschrieben werden.

Ihr Vorgänger versuchte mit allen Mitteln die Demonstrationen der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung aus der Münchner Innenstadt zu verbannen und kassierte einige Schlappen vor bayerischen Gerichten.

Wie wird Ihre Linie bei dem Thema sein?

Aufgabe des Kreisverwaltungsreferats ist es, Rahmenbedingungen zu setzen, die Sicherheit und Ordnung gewährleisten. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht – und ein hohes Gut in der Demokratie. Dieses Recht gilt für alle. Wir haben bewirken können, dass die Beeinträchtigungen durch die Aktionen von Pegida deutlich kleiner werden und sich auf mehrere Örtlichkeiten verteilen. Wir konnten die Belastung für die Münchnerinnen und Münchner deutlich runterfahren.

Pegida hat ja seit Anfang September 2015 Montag für Montag Protestzüge veranstaltet – mit Kundgebungen am Odeonsplatz. Die jedes Mal einen großen PolizeiEinsatz erforderlich gemacht haben. Und dann noch die Muezzin-Gesänge am Marienplatz, unbeschränkt. Das war eine große Belastung für die Münchner Bürgerinnen und Bürger, die Geschäftsleute, Anlieger und Wirte. Das konnten wir deutlich reduzieren. Pegida darf nur noch einmal im Monat für Kundgebungen auf den Odeonsplatz und nur noch einmal in der Woche am Marienplatz demonstrieren.

Für die restliche Zeit müssen sich die Veranstalter andere Plätze aussuchen. Dabei darf jeder Ort nur einmal pro Woche genutzt werden. Und das auch nur für drei Stunden am Tag. Die Muezzin-Gesänge dürfen sie auch nur noch einmal pro Stunde fünf Minuten lang abspielen. Unterm Strich heißt das: am Marienplatz gibt es nur noch einmal die Woche drei Mal für fünf Minuten die Muezzin-Gesänge. Und nicht wie vorher unbeschränkt. Und wir haben deutlich weniger Pegida am Odeonsplatz.

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Die Münchner Lebensqualität ist weltberühmt. Wo erholen Sie sich in unserer Stadt am liebsten von einer anstrengenden Woche im KVR?

Ich hatte in den 34 Jahren, die ich jetzt insgesamt für die Stadt arbeite, noch nie das Gefühl, dass ich mein Büro fluchtartig verlassen muss um mich zu entspannen. Ich arbeite sehr gerne für meine Stadt und übernehme gerne Verantwortung. Aber natürlich genieße ich die Vorzüge Münchens, mit seinen vielen lebenswerten Orten. Zum Beispiel das Schlachthofviertel – da wohne ich mit meiner Familie.

Und für Zwischendurch ist schon der Blick aus meinem Bürofenster sehr erholsam: Die Aussicht reicht weit über die Silhouette der Stadt – von der Au über das Grünwalder Stadion bis zu Korbinianskirche am Gotzinger Platz. Und sonst? Schwimme ich gerne. Und im Winter fahren wir in die Berge, zum Skifahren. Leider schaffe ich es viel zu selten ins Kino, ins Theater und in Ausstellungen.

Anfang Juli stürzte eine junge Frau vom Isar Balkon und verletzte sich schwer am Knie. Sie hatte versucht, auf den Damm, der am Isarbalkon an der Corneliusbrücke entspringt, zu klettern, um dort, wie viele andere Münchner, baden zu gehen. Dies ist nicht der erste Unfall dieser Art.

Wieso wird an dieser Stelle keine Treppe oder Leiter gebaut, sondern weiterhin mehrere Verletzte pro Jahr in Kauf genommen?

Von diesem sehr bedauerlichen Unfall höre ich jetzt zum ersten Mal. Das liegt sicher auch daran, dass wir in diesem Fall nicht zuständig sind. Da sind Sie beim Baureferat an der richtigen Adresse. Ich kann Ihren Verbesserungsvorschlag gern weiterleiten.

Die angeblich gestiegene Terrorgefahr in München hat eine Diskussion um einen möglichen Zaun um das diesjährige Oktoberfest ausgelöst. OB Dieter Reiter sagte kürzlich, dass er sich auch ein Verbot von größeren Taschen und Rucksäcken vorstellen könnte.

Welche weitere Maßnahmen werden ergriffen, um die Besucher der Wiesn zu schützen?
Das Sicherheitskonzept für das Oktoberfest 2016 ist noch in der Beratungsphase. Alle arbeiten intensiv, aber auch mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt daran, das Oktoberfest nach den jüngsten Ereignissen so sicher wie möglich zu machen.

Im Sinne der Sicherheit ist es nicht sinnvoll, jede theoretisch denkbare Option öffentlich zu diskutieren. Es laufen sehr konstruktive Gespräche mit allen Beteiligten. Die Ergebnisse werden wir vorstellen, wenn die Experten mit ihrer Arbeit fertig sind.

Eine der Errungenschaften Ihres Vorgängers war es, die Bürgerbüro Service orientierter zu machen. Dennoch kommt es aktuell wieder zu sehr langen Wartezeiten an den Schaltern. Was sind Ihre Pläne, um diesen Missstand zu beheben und die Situation für die Bürger wieder angenehmer zu machen?

Was sind Ihre Tipps um den Gang zum KVR zu beschleunigen und was machen Sie eigentlich, wenn Sie selbst mal einen neuen Pass benötigen?

Mein Pass gilt noch eine Weile. Aber meine Frau war mit unserer Tochter vor kurzem hier – und sie hat ganz normal gewartet. Wichtig ist, dass die Wartezeiten so kurz wie möglich sind. Und zwar für alle. Dass es aktuell länger dauert als uns allen lieb ist, dafür gibt es etliche Gründe. München ist beliebt, es ziehen immer mehr Menschen hier her. Die brauchen alle unseren Service.

Dafür brauchen wir genügend Büros und genügend Personal. An beidem arbeiten wir mit Nachdruck. Wir versuchen, möglichst schnell möglichst viel Personal zu gewinnen. Die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zum Teil auch schon da, aber wir müssen sie noch einarbeiten. Langfristig wollen wir dem Stadtrat vorschlagen, neue Bürgerbüros einzurichten. Die Wartezeiten werden jetzt Schritt für Schritt ein wenig kürzer.

Es wird aber noch bis ins nächste Jahr hinein dauern, bis das richtig spürbar wird. Für manche Dinge gibt es schon jetzt einen Schnellschalter, anderes lässt sich online erledigen, einiges haben wir automatisiert. So lange die Wartezeiten noch so sind, wie sie sind: Tage und Zeiten meiden, in denen besonders viele Menschen ins KVR kommen – das sind zum Beispiel Dienstag und Donnerstag, oder auch Fenstertage. Möglichst viel online erledigen und sich vorher online informieren. Damit Sie nicht zweimal kommen müssen, weil Ihnen benötigte Unterlagen fehlen.

München ist Radlhaupstadt. Ein gigantisches Piktogramm an dem Hauptgebäude Ihrer Behörde verdeutlich dies. Wird die Radweg Politik so weiter betrieben, wie wir das von Ihrem Vorgänger gewohnt sind?

Welche Verbesserungen für Radfahrer sind konkret geplant?

Ich selbst bin überzeugter Radler. Natürlich wird sich das KVR auch unter meiner Leitung dafür einsetzen, dass München dem selbstgesteckten Ziel „Radlhauptstadt München“ gerecht wird. München ist zum Beispiel schon heute die Stadt mit den meisten Fahrradstraßen in Deutschland – 58 haben wir davon inzwischen – und wir müssen uns weiter jeden Tag konsequent für den Radverkehr einsetzen.

München wird noch mehr Fahrradstraßen bekommen, Einbahnstraßen für den Radverkehr öffnen – und manche bestehende schmale Radwege auf den Prüfstand stellen. Denn oft ist es die beste Lösung, die Radler wie in der Straßenverkehrsordnung vorgesehen auf der Straße fahren zu lassen, wo das verkehrssicher möglich ist.

Außerdem hat der Stadtrat im Juni den Bau von einem guten Dutzend neuer Radspuren und Radwege beschlossen – zum Beispiel an der Brienner Straße, der Orleansstraße und der Herzog-Heinrich-Straße. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wie ich finde.

Events wie die Radlnacht und die Radl-Sicherheitschecks sollen das Radfahren für noch mehr Menschen attraktiv machen. Gleichzeitig gilt es aber, die Interessen aller anderen Verkehrsteilnehmer genauso ernst und wichtig zu nehmen.

Der Zuzug nach München ist bekanntermaßen enorm. Ist der Kampf gegen rasant wachsende Mieten schon verloren, oder gibt es noch Maßnahmen, die vielleicht auch Ihre Behörde ergreifen kann, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

München ist teuer, keine Frage. Wer träumt nicht von ein bisschen mehr Platz oder einem Zimmer mehr. So gern ich die Münchner Mietpreise ändern würde – und das KVR ist ja wirklich für sehr viele Dinge des Alltags in dieser Stadt da – in diesem Fall bin ich aber nicht zuständig. Wir können das Leben hier zwar nicht billiger, dafür aber so angenehm und sicher wie möglich machen. Dafür sorgen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im KVR – von der Einsatzzentrale der Berufsfeuerwehr bis zum Standesamt.

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