Kultur

Blut und Spucke

Regina Karl
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Schlacht um Deutschland: Armin Petras’ ganz und gar unpatriotische Herrmannsschlacht hatte in den Kammerspielen Premiere.

herrmann

Das Jahr 9 n. Ch. im Teutoburger Wald: Der römische Feldherr Varus verbündet sich mit dem Suebenfürst Marbod gegen den Cherusker Herrmann. Auch mit Herrmann will sich Varus verbünden, der nimmt dankend an, durchschaut aber Varus doppeltes Spiel und verbündet sich wiederum mit Marbod, dem das wirre Strategiespiel des Römers langsam zu dumm wird. Gemeinsam schlagen die Germanen die Römer schließlich in die Flucht und aus dem Land.

Heimliche Bande und Intrigen werden ordentlich geknüpft in Kleists “Hermannsschlacht”. Als kriegerischer Nationalmythos der alten Germanen mit ordentlich Blut-und-Boden-Metaphorik wurde Kleists Stück dann auch munter von den Nationalsozialisten zweckentfremdet, was das Stück auf heutigen Bühnen alles andere als salonfähig erscheinen lässt. Und doch, am letzten Freitag in den Kammerspielen ist es Armin Petras gelungen, einen für das 21.Jahrhundert endlich passgenauen Kleist auszuklüngeln, der uns mit dem nötigen Quantum Abstraktion vor allem Folgendes sagen will: Macht wollen wir alle, denn damit wird man reich und sexy.

Petras, Handwerker und Regiegenie zugleich, kramte lange genug in seiner Wühlkiste, um mit Nebelmaschine, Lightshow, extrem reduziertem Bühnenbild und vor allem betont körperlicher Schauspielarbeit Kriegsbilder zu finden, die eben nur das Theater so eindrücklich hinbekommt. Der Teutoburger Wald wird schlichtweg in ein paar riesige Schaumstoffbarren umgemodelt, auf denen die Germanen das Kriegs-Wirrwarr aus Intrigen und Machtspielchen mal wutschnaubend und trittsicher, mal behutsam und wackelig bestreiten. Zuvorderst hockt in sich gekauert der eigentlich doch so listige Hermann, “Befreier der Germanen”, der bei Peter Kurth zu einem bräsigen Dickerchen wird, von dem man nicht genau weiß, ob er da vorne in seiner Ecke eifrig Pläne schmiedet oder dem Krieg schon überdrüssig wird.

Überhaupt kommen sie alle ein bisschen vernachlässigt daher, die Germanen. Petras macht aus ihnen ein trübes Barbarenvolk mit ausgewaschenen Shirts und zerknitterten Hosen, aus denen die nackten, verdreckten Füße ragen. La dolce vita gibt es nämlich nur bei den Römern: Mit polierten Budapestern und im Smoking kommen sie daher. Die Römer, das sind auf der Bühne vor allem die vier Jungs vom Modern String Quartet, die mit einer Filmmusik à la „Gladiator“ aufspielen und dem Abend so den pathetischen Unterton verleihen, der ihm sonst glücklicherweise fehlt.  Außerdem ist da noch der römische Legat Ventidius (schön geschleckt: Edmund Telgenkämper), der in einer Mischung aus Bond, Bodyguard und Barmann Hermanns Frau Thusnelda (wie immer urkomisch und tieftragisch zugleich: Wiebke Puls) umgarnt. Thusnelda hat nichts gegen ein wenig Bond-Girl einzuwenden und von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt schnallt sie sich sogleich die roten Pumps an. Doch Ventidius will Thusnelda nicht etwa an die rote Unterwäsche, sondern nur ihre schönen blonden Locken für die Geliebte zuhause mopsen. Thusnelda kommt ihm auf die Schliche und rachedurstig und gnadenlos wie die Germanenweiber nun mal sind, lässt sie ihn im Bärengehege zerfleischen. Das Ganze findet seinen Ausdruck in drei von der Decke hängenden Mikrophonen, in die die Schauspieler die blutige Szenerie abwechselnd brüllen, zischen und hauchen und den Zuschauer dabei ganz seinen eigenen, geheimsten Gewaltphantasien überlassen.

Mord und Totschlag bleiben bei Petras überhaupt nur angedeutet: Die von den Römern geschändete Tochter des Waffenschmieds, die Hermann sogleich in 15 Teile zerstückeln lässt und an die Germanenvölker schickt, um ihren Rachedurst gegen die Römer zu schüren, wird bei Katharina Hackhausen zur splitterfaßernackten Unschuld, deren keuscher Körper von den Männern in der Runde kurzerhand 15 Mal bespuckt wird. Der nasse Schleim auf ihrem weißen Rücken lässt Schockeffekt und Erniedrigung dabei besser zum Tragen kommen, als es Kunstblut und Schlägerei je hätten leisten können.

Wie Indianerhäuptlinge mit roter Kriegsbemalung und in roten Boxershorts rüsten sich die wilden Cherusker schließlich zum letzten Aufbegehren gegen die Römer. Da hilft Varus selbst sein Drängen auf Kriegsrecht und Verschonung nicht mehr: wer schwächelt, der fliegt. Hermann triumphiert und bekommt als Siegestrophäe sogleich von seinem Volk die blutigen Schwerter der Römer in die Hosenbeine gesteckt. Staksig und schwerfällig humpelt er von der Bühne, immerhin ist noch lange nicht Ruhe: “Nach Rom selbst mutig aufbrechen” will Hermann. Krieg ist schließlich Krieg. Wer einmal Blut geleckt hat, der hört so schnell nicht wieder auf.

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Foto: Julian Röder

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