Kultur, Nach(t)kritik
Blut, Wahnsinn, Nudeln
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Sauber gegenderten Macbeth hat dem Münchner Publikum vor drei Jahren Karin Henkel an den Kammerspielen beschert. Dominik Frank baut jetzt nach: Nicht nur Macbeth ist eine Frau, sondern das ganze Ensemble besteht aus Frauen, die ansonsten fliegend zwischen den Rollen wechseln. Man kann ungeschönt behaupten, dass diese großartige Truppe den Abend absolut sehenswert macht.
Beständiges Ausstellungsobjekt ist diesmal Amelie Haller (Macbeth), die auf einer hölzernen Schlachtbank in der ersten Szene mit vier Eimern Kunstblut überschüttet wird. Das klebrige Zeug fliegt bis in die erste Reihe auf den anschließend sanierungsbedürftigen Rucksack und in Rot getränkten Block der Kritikerin. Der FAZ-Kritiker Gerhard Stadelmaier hätte das Souterrain umgehend verlassen.
Die Premiere selbst wurde um zwei Tage aufgeschoben, da der Regisseur vier Tage vor der Premiere feststellte, dass ihm die Darstellerin des Macbeth doch nicht passte und sie in letzter Konsequenz feuerte. Dieser Fauxpas an Unprofessionalität wird nur durch die Überzeugungskraft der eingesprungenen Amelie Haller gerettet, die wirkt, als hätte sie die Rolle nicht sechs Tage, sondern schon sechs Wochen lang geprobt.
An dieser Stelle sei Regieassistentin Ria Sommer ein Wort gewidmet, die ebenso kurzfristig die Rollen von Amelie Haller übernimmt, dies solide meistert und nebenbei die lustigste Szene auf sich verbucht: Das eigentlich hochdramatische Erscheinen des Geistes Banquos an Macbeths Tafel und dessen Panik treten im Angesicht der derweil Spaghetti in sich reinstopfenden Ria Sommer vollends in den Hintergrund.
Anne Römeth, von Haus aus Tänzerin, führt im Ensemble den körperlichen Ausdruck betreffend, vor allem in ihrer Rolle als eine der drei Hexen.
Ruth Langenegger ist stützende Nebenrollenträgerin.
Es hilft aber alles nichts, wenn man sich in einer Schauspieltruppe bewegt, in der Johanna Weiske die Lady Macbeth verkörpert. Alle vier weiteren Darstellerinnen werden trotz Highlights von der Kraft dieser Stimme und dieses mimischen Ausdrucks gnadenlos an die Wand gespielt.
Es spritzt viel Blut, Unmengen Kunstnebel umwölken bisweilen die Nacktheit der Hauptdarstellerin. Das Programmheft spricht von „natürlicher Nacktheit“ als Metapher für Schutzlosigkeit. Das ist an sich einfachstes saussure’sches Zeichenmodell, funktioniert aber nicht, wenn man einen der kapitalistischen Werbung entsprechenden Körper mit absolut erotisch-sadomasochistischem Beigeschmack ausstellt. Da das Regiekonzept an vielen Stellen an das von Karin Henkel erinnert, sei hier ein Vergleich gezogen: Henkels Macbeth, ebenfalls weiblich, bedurfte keinerlei Auszieherei, um viel verletzlicher und naiver zu wirken als es im Keller-Macbeth der Fall ist.
In puncto Länge erscheint es heikel, einen beinahe ungekürzten Macbeth zu spielen und der Abend taumelt öfter ins Gefilde der Langeweile, schwingt sich dennoch erstaunlicherweise immer wieder zurück in die Kurve der Zuschaueraufmerksamkeit, was auf gute dramaturgische Arbeit zurückzuführen ist (Ayna Steigerwald). Großartige Szenen leichter und ernster Natur wechseln sich ab.
Die Bühne (Lars Altemann/Stefan Natzel) ist symmetrisch und puristisch, Requisiten spannen den Bogen zum kulissenarmen Shakespeare-Theater.
Wirklich aufregend konzipiert ist der Hexenchor (Johanna Weiske/Anne Römeth/Ria Sommer), dreistimmig in dissonanten Intervallen des Wahnsinns.
Der Abend besticht durch ein gefügtes und eingespieltes Ensemble, was auch der Regie als ein Lob gelte. Ohne ein solches Team aus Gold hätte die Premiere auch zwei Tage später nicht stattfinden können.
Mit:
Amelie Haller:
Macbeth, Mörder
Ruth Langenegger:
Rosse, Banquo, Fleance, Alter Mann, Erscheinung, König Edward, Arzt, Mentheth, Siward, Jung-Siward
Anne Römeth:
Duncan, Hexe, Donalbain, Bote, Macduff, Mörder, Erscheinung, Lady Macduff, Kammerfrau, Seyton, Angus
Ria Sommer:
Hauptmann, Hexe, Malcolm, Pförtner, Alter Mann, Diener, Mörder, Lord, Erscheinung, Sohn Macduff, Cathness
Johanna Weiske:
Lady Macbeth, Hexe
Regie: Dominik Frank
Bühne: Lars-Keke Altemann, Stefan Natzel
Dramaturgie: Ayna Steigerwald
Regieassistenz: Ria Sommer, Manuel Baumann, Anne Römeth
Produktion: Bahar Auer
PREMIERE SA 21.03.2015
Weitere Vorstellungen:
DI 24.03. | DO 26.03. | DI 14.04. | MI 15.04. | DI 16.06. | DO 30.07. | FR 31.07.
Keller der Kleinen Künste
12/6 €
EINLASS 18.30 UHR
BEGINN 19.00 UHR
Haus der Kleinen Künste
Buttermelcherstraße 18
80469 München