Kultur, Nach(t)kritik

Folterkeller (der Kleinen Künste)

Im Rahmen seiner Performance Dans le noir du temps verwandelt Marco Molinarius den Keller der Kleinen Künste in eine Isolationshaftzelle und wahlweise auch in eine Folterkammer. Gedanken über Revolution(en) begleiten die Rasur seiner Kopfhaare und selbstverursachtes Waterboarding.

(c) Marco Molinarius

(c) Marco Molinarius

Pünktlich um acht Uhr tritt Marco Molinarius in den Eingangsbereich des Kellers der Kleinen Künste, um seine Performance zunächst auf der Straße zu beginnen. Er philosophiert über menschliche Zellen, eine Tatsache, die sich später im fensterlosen Keller metaphorisch auflösen wird. Passanten ziehen vorbei, ein Hund wird von Molinarius kurzerhand integriert. Nachdem er seine Ansprache, in der natürlich der Begriff „Revolution“ keinesfalls fehlen darf, beendet hat, führt er die Zuschauer hinunter in den Keller, der – komplett seiner Bestuhlung entledigt – einer realen Gefängniszelle gefährlich nahe kommt. Diverse Utensilien wie ein Videoprojektor, ein Fernseher mit Kamera und eine Plastik-Theatermaske weisen den Raum jedoch als einen künstlerisch gestalteten aus. Die Grenze zur Folterzelle markieren ein Stuhl mit Arm- und Beinfesseln, ein gefüllter Wassereimer und Holzpritschen am Boden. Diese Assoziation ist gewollt, denn Hauptthema des Abends ist der Deutsche Herbst mit seinen Protagonisten Raspe, Meinhof und Baader. Philosophiert wird über die Legitimation von Gewalt, über Suizid und die (Un-)Möglichkeiten einer Revolution. Nach der Beschäftigung mit dem Mythos des Prometheus in seiner gleichnamigen Inszenierung am Rationaltheater, verknüpft Marco Molinarius auch nun wieder Zeitgeschichte mit der Antike: Orpheus und Eurydike sind diesmal die mythologischen Protagonisten und Gegenfiguren.

Starke Symbolik

Da der Raum nicht bestuhlt ist, folgen die Zuschauer Molinarius in die verschiedensten Ecken des Kellers, an denen er seine Stationen aufschlägt. So entsteht eine große Unmittelbarkeit und der Keller kommt mit all seinen Winkeln zur Geltung. Eine kleine Ecke ist beispielweise mit einem Plastikvorhang abgehängt und rot beleuchtet. Molinarius schlüpft hinein, zieht eine Gasmaske auf, schreit seine Gedanken über Isolationshaft hinaus und wird für die Zuschauer zum voyeurisierten Objekt unter laborartiger Atmosphäre eines Menschenexperiments, eines Prangers.

Wegwerfen, Koksen, Rasieren, Ertrinken

Die Handlungen der Performance entpuppen sich als stark symbolisch aufgeladen:
Molinarius stopft Bücher in zwei Mülltüten. Er kokst. Er versucht sich an einer Spielzeugpistole. Er liest einen Text. Er schaltet den Fernseher ein und filmt sich selbst. Er zieht eine Gasmaske auf. Er tauscht sie gegen die weiße Theatermaske. Er hängt ein Tuch über seinen Kopf und beschmiert es mit schwarzer Farbe. Er boxt gegen eine Betonsäule. Er setzt sich auf den Folterstuhl und rasiert sich in zwanzigminütiger Prozedur die Haare vom Kopf. Er wickelt diesen in eine Mullbinde und tunkt sich selbst drei mal. Schließlich wirft er sich im Wasser befindliche Kieselsteine aufs Haupt.

Fazit: Eine mutige Performance, die zudem Charakter einer Rauminstallation aufweist und großen Assoziationsspielraum lässt.

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