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Das sind ja wir! – “Einmal bitte alles” im Kino

Thomas Empl

Kino, Mond & Sterne im Westpark, Einmal bitte alles feiert Münchenpremiere. Eine gute Freundin (Madeleine Fricke, Co-Autorin mit Sina Flammang) hat das Drehbuch geschrieben und ich versuche, Leute zu mobilisieren, mitzukommen. Worum geht’s da?, werde ich gefragt. Schwer zu sagen. Um zwei Mädels Ende Zwanzig, die sich eine Wohnung in München teilen? Klingt nicht so aufregend. Haben Träume ein Ablaufdatum?, fragt der Werbeflyer und erzählt von Quarter-Life-Krisen. Hm, auch eher vage. Ich kann meinen Freunden also nicht wirklich eine Handlung oder Stars pitchen und sie kommen einfach so mit. Jetzt, nachdem ich den Film gesehen habe, kann ich sagen, worum’s geht.

Es geht um uns.

Das sind wir, die wir da auf der Leinwand sehen. Münchner Menschen Mitte-Ende Zwanzig, die sich auf einmal abgehängt fühlen. “Wir sind doch noch so jung, oder?”, fragt Isi ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Lotte. Okay, sie können keine Ballerinas oder Models mehr werden und die Leute um sie rum werden alle schwanger oder heiraten. Aber eigentlich haben sie doch noch alles vor sich. Oder?
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Isi will Illustratorin werden, sie macht Praktika und schickt Bewerbungen raus, die ständig abgelehnt werden. Da ist sie vor uns, die Realität von den Künstlern, Autoren, Zeichnern, Filmemachern, Akademikern, Musikern um uns herum. Die mit dem, was sie lieben, nicht vorankommen und plötzlich kommt diese Dreißig immer näher, während einem das Leben ständig Absagen und Enttäuschungen in die Fresse haut.

Wie die Regisseurin Helena Hufnagel dieses Gefühl auf Film festhält, ist extrem eindrucksvoll. Wenn wir alt sind, werden wir uns diesen Film anschauen, um nochmal zu sehen, wie das damals war.
Und wie München damals war, denn Einmal bitte alles fängt die Seele dieser Stadt ein: das Rumsitzen auf Brücken, die absurde Mietsituation, ihre Isar, Dächer, Fahrradläden und Kneipen. Man fühlt sich als Münchner zuhause in diesem Film.

Viel machen und viel rumsitzen

Nur dass in dieser schönen Stadt Isis Situation immer mieser wird. Lotte lernt einen Italiener kennen (er ist App-Entwickler und arbeitet an einer Fischerkennungs-App!), mit dem sie im Nebenzimmer Isi um den Verstand und den Putz von der Decke vögelt. Die Eltern räumen nach acht Jahren dann doch mal ihr Kinderzimmer aus und auch beruflich läuft’s nicht. “Aber ich mach doch so viel!”, jammert sie und das Schlimmschöne daran ist, dass man weiß, dass sie eigentlich gar nicht so viel macht. Sondern halt auch viel rumsitzt, raucht und trinkt, wie man das so macht, wenn man nicht mehr weiß, warum die Kunst und warum habe ich nichts ordentliches gelernt.
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Hufnagel erzählt das so einfühlsam und nah am Herz ihrer Isi, die von Luise Heyer auch wundervoll gespielt wird, dass es manchmal schwer anzuschauen ist. Manche von uns im Publikum halten das kaum aus. Obwohl auch sehr viel lustiges passiert (Maxi Schafroth als bayerischer Bandleader Klausi ist sauwitzig), ist Einmal bitte alles ein sehr ernsthafter Film. Für Isi geht’s erstaunlich lange erstaunlich konsequent nur bergab. Man wartet und wartet auf einen dritten Akt, in dem alle wieder ziemlich beste Freunde werden, Isi ihr Leben auf die Reihe kriegt und erfolgreiche Illustratorin wird. Aber selbst als endlich ein Umschwung kommt, ist der viel kleiner und zweideutiger, als man es von einer deutschen Komödie erwartet hätte.
Denn so läuft’s nicht im Leben. Erst Struggle, dann Glück, Streit, dann Versöhnung, Sünde, dann Erlösung. Meistens ist ein bisschen was von allem da.

Am nächsten Tag sitze ich im Zug, denke immer noch über den Film nach und weiß jetzt, wie ich Einmal bitte alles beschreiben kann. Schaut euch den an, der ist für uns.

“Einmal bitte alles” startet am 20.07.17 im Kino, im anscheinend einzigen Münchner Kino, das noch Bock hat, ambitionierte Filme aus Bayern zu zeigen statt den ganzen Superhelden und französischen Komödien: dem Monopol. Morgen Abend gibt’s eine Premiere mit Cast & Crew.

Trailer:

 
https://www.youtube.com/watch?v=X0f8MhDK5Lo

Persönliche Notiz: Wie bereits im ersten Absatz erwähnt, bin ich mit der Drehbuchautorin von “Einmal bitte alles” befreundet. Deshalb ist der Artikel auch ausdrücklich nicht als Kritik, sondern als Erfahrungsbericht zu verstehen. Ich würde hier nie einen Film empfehlen, den ich nicht gut fand. Aber zum Glück mochte ich den hier sehr, sehr gern.


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