Kultur

„Der Bayer hat eine anarchische Ader“.

Thomas Steierer

Django Asül, Jahrgang 1972, geboren als Uğur Bağışlayıcı in Deggendorf, sieht sich mit einem Augenzwinkern selbst als „doppelter Fundamentalist“, nämlich als „Türke und Bayer“. Wenn er etwa beim Maibockanstich im Hofbräuhaus im breiten Niederbayerisch die zumeist anwesende bayerische Politikerprominenz intelligent-hinterfotzig derbleckt, wird sofort klar, warum ihn der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber zum Botschafter Niederbayerns ernannt hat.
Bei Auftritten im gesamten Bundesgebiet mit seinen mittlerweile fünf Bühnenprogrammen seit 1997 kommentiert der türkischstämmige Niederbayer, aufgewachsen in der Marktgemeinde Hengersberg bei Deggendorf, scharfzüngig wie wortgewaltig das politische Geschehen in Bayern und der Welt. Auch Alltagserlebnisse als türkischstämmiger Deutscher bringt er auf der Bühne zur Sprache sowie in seiner eigenen Satiresendung, dem BR-Format „Asül für alle“, in dem er eine fiktive Ausländerbehörde leitet.
Im Interview spricht der gelernte Bankkaufmann und Ex-Tennislehrer, der seinen Jahresrückblick „Rückspiegel“ vom 1. bis 5. Dezember, am 26. und 31.12. im Lustspielhaus sowie am 28.12. im Deutschen Theater spielt, über Erfolgsmaßstäbe, sein Verhältnis zur CSU und seinen bevorstehenden Vorruhestand.

Bühnenbiographie
als kleine Zeitreise
und Selbst-Überraschung

Sie feiern Ihr Jubiläum 20 Jahre Django Asül auf der Bühne und gehen Ende des Jahres wieder ihren alljährlichen Jahresrückblick „Rückspiegel“auf Tour.

Was erwartet die Zuschauer, gibt es einen roten Faden?

Der rote Faden kam quasi aus dem Bauch heraus. Ich wollte nicht stur einfach chronologisch meine Lieblingsnummern runterspulen, sondern habe geschaut, dass einerseits meine Bühnenbiographie als kleine Zeitreise rüberkommt. Andererseits habe ich auch Sachen reingepackt, wonach die Zuschauer über all die Jahre immer wieder mal gefragt haben. Dieses Zusammenbauen war eine Riesengaudi, weil natürlich vieles schon weit weg war. Ein bisschen wie wenn man auf dem Speicher in alten Fotoalben stöbert und sich plötzlich wieder an vieles erinnert von damals.

Wie hat man sich bei Ihnen Programmentstehung und Recherche vorzustellen, welche Vorbilder hatten und haben Sie?

Bei Boxenstopp und beim RückspiegeI ergeben sich die Programme aus meinem bisherigen Schaffen und aus den Ereignissen des Jahres. Da ergibt sich vieles automatisch. Interessanter wird es bei einem klassischen Bühnenprogramm. Irgendwann fallen mir die großen Themen zu einem neuen Programm ein. Und dazu kommt dann im Laufe mehrerer Jahre ein Haufen Stoff, auf den ich teils zufällig, teils bewusst stoße, weil ich zu einem Thema mir Fakten und Infos suche. Und paar Monate vor den Testauftritten setze ich mich hin, lege los und lande immer wieder mal ganz woanders als ursprünglich beabsichtigt. Dieses Sich-selbst-Überraschen ist eine sehr spannende Sache. Generell helfen da einem Vorbilder auch kaum. Denn jeder muss seinen eigenen Stil finden. Sowohl beim Produzieren als auch schlussendlich auf der Bühne.

Ohne Publikum macht der Job auch bei Ovationen seitens der Rezensenten wahrscheinlich keinen Spaß.

Welches Feedback ist Ihnen wichtig, entscheidend, ob etwas ein Erfolg ist oder nicht, seitens Kritiker, Publikum, Social-Media-Feedback, Quoten, Begegnungen im Alltag?

Ich sage mal so: Ich gehe auf die Bühne, um dem Publikum einen schönen Abend zu bereiten. Also ist das Publikumsvotum schon eine wichtige Sache. Ohne Publikum macht der Job auch bei Ovationen seitens der Rezensenten wahrscheinlich keinen Spaß. Die zwei Stunden auf der Bühne müssen schon energiegeladen und organisch sein. Ob ein Programm strukturell passt, ist wieder eine andere Sache. Beim Aufbau eines Programms frage ich durchaus mal meinen Agenten, ob er es für schlüssig und stringent befindet. Der Blick von Außen ist da durchaus nützlich.

Spaß an der Sache,
Wirkung und Grenzen,
Höhen und Tiefen

Von den Anfängen inspiriert durch den Besuch eines Kabarettprogramms von Matthias Beltz in Berlin, über erste Bühnenversuche Mitte der 1990er Jahre und Touren mit Solo-Programmen seit 1997 bis heute, auf dem mutmaßlichen Zenit des Erfolgs: Warum machen Sie Kabarett und warum nicht nicht, etwa im Hinblick auf Gegenwind, gab es je Zweifel, den eingeschlagenen Weg zu verlassen?

Es machte und macht mir heute mehr denn je Spaß, diverse Themen bei völliger gestalterischer Freiheit satirisch zu behandeln. Ich muss mich in kein dramaturgisches Korsett zwängen. Ich muss mich nicht mit anderen auf der Bühne arrangieren. Was ich mache und in welchem Umfang, liegt ganz bei mir. Das ist quasi selbständiges Arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes. Ob es einen Zenit gab oder geben wird, hat mich dabei nie interessiert. Ich wüsste auch gar nicht, wie man das messen könnte. Die Formel ist ganz einfach: Solange ich Freude an dieser Tätigkeit habe und mein Publikum erreiche, werde ich wohl keine Umschulung beantragen.

Wenn ich mal beim Publikum nur Lethargie erzeugen würde, müsste ich mir allerdings mehr Gedanken über die Wirkung machen.

Wie definieren Sie für sich Wirkung und Grenzen von Kabarett?

Meine Grenzen sind relativ klar definiert bislang: Im Norden Kiel und im Süden bin ich flexibel, weil ich auch schon in Istanbul und Belgrad aufgetreten bin. Ansonsten gilt: Ich habe keinerlei Beipackzettel, wo beabsichtigte Wirkungen und Nebenwirkungen drin stehen. Wenn ich mal beim Publikum nur Lethargie erzeugen würde, müsste ich mir allerdings mehr Gedanken über die Wirkung machen. Meine Zuschauer sollen ihre Gaudi haben, ohne dass sie das Hirn dabei ausschalten können oder müssen.

Hat sich in dieser Hinsicht Ihre Einschätzung im Laufe der Jahre geändert?

Ich arbeite wahrscheinlich von Jahr zu Jahr akribischer. Aber am ursprünglichen Ziel, das Publikum nicht zu langweilen, hat sich nichts geändert.

Im Jahr 2007 wurden Sie als Fastenprediger bei der Starkbierprobe auf dem Münchner Nockherberg, als Nachfolger von Bruno Jonas engagiert. Es blieb beim einmaligen, umjubelten wie teilweise als besonders scharf austeilend empfundenen Auftritt dort. Bereits im darauffolgenden Jahr, 2008, wurden Sie stattdessen als Politikerderblecker beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus engagiert. Können Sie Höhe- oder Tiefpunkte ihrer bisherigen Kabarett-Karriere ausmachen?

Den einen Moment, der alles andere in den Schatten stellt, wie auch den Moment, der mich gnadenlos scheitern lässt, kann ich bislang nicht bieten. Ich bin kein Mensch, der emotional oder mental in gigantischen Bandbreiten unterwegs ist. Vielleicht weiß ich auch zu gut, was ich nicht kann oder will. Und selbst wenn ich mich mal grandios falsch einschätzen würde, habe ich immer noch ein Umfeld, das mich vor mir selber schützen würde. Von daher kann ich ganz offiziell verkünden: Den Opernsänger Django Asül wird es definitiv nicht geben. Und den Theaterschauspieler sicher auch nicht.

Anbandeln mit der CSU
und Inspiration durch die
bayerische Staatspolitik

Was antworten Sie jenen, die bei Ihnen eine starke Nähe zu CSU-Mächtigen feststellen, etwa im Rahmen vom Maibock-Anstich, wo Sie mit dem Gastgeber, Finanzminister Söder, auf der Bühne stehen?

Ich stehe am Rednerpult, die anderen sitzen unten. Ich rede, die anderen dürfen oder müssen zuhören. Die Maibockrede recherchiere und schreibe ich selber und nicht der Redenschreiber aus der Staatskanzlei oder aus dem Finanzministerium. Wem das zu viel Nähe ist, darf sich den Maibockanstich gerne von einer Südseeinsel aus anschauen.

Als Kabarettist kann man sich da nur brav bedanken für konstant hohen Input seitens der Staatspartei und sich an die Arbeit machen.

Bietet Bayern für Kabarett einen besonderen Nährboden?

Zumindest hat der Bayer an sich eine gewisse anarchische Ader. Drum ist sowohl die Dichte an Kabarettisten als auch das Interesse des Publikums eventuell leicht überdurchschnittlich. Und bekanntlich ist die CSU die einzige Partei diesseits des Amazonas, die alles richtig macht. Als Kabarettist kann man sich da nur brav bedanken für konstant hohen Input seitens der Staatspartei und sich an die Arbeit machen.

Fernsehen,
Sport als Metapher
und die Zukunft
als Teilzeitkabarettist

Politisches aber auch ihre Alltagserlebnisse als türkischstämmiger Bayer bringen Sie neben der Bühne zur Sprache auch in Ihrer eigenen TV-Satiresendung, dem BR-Format „Asül für alle“, in dem Sie eine fiktive Ausländerbehörde leiten. Welche Bedeutung hat Fernsehpräsenz für Sie im Vergleich zur Bühne?

Fernsehen ist eine schöne Gelegenheit, sich mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen und zusammen mit Kollegen quasi einen bunten Abend zu gestalten. Man erreicht einen Haufen Zuschauer und kann sich ausprobieren. Ich sehe es ähnlich wie beim Tennis: Auf Tournee spiele ich praktisch jeden Abend gute zwei Stunden auf einem langsamen Sandplatz. Im Fernsehen ist es wie auf einem schnelleren Rasenplatz: Die Ballwechsel sind kürzer.

Als begeisterter Tennisspieler-und Lehrer und Fußballfan fungieren Sie zudem als Autor, schreiben Sport-Kolumnen für verschiedene Printmedien. Inwieweit ist Sport eine Metapher für das persönliche, gesellschaftliche und politische Leben?

Sport ist für mich seit Kindesbeinen eine wunderbare Sache, um mich auszutoben, fit zu halten, Spaß zu haben. Als Metapher habe ich den Sport noch nie gesehen. Oder anders formuliert: Wenn ich meine Tennismatches gewinne, bin ich deswegen weder ein guter Kabarettist noch ein guter Nachbar. Auf der anderen Seite bedeutet ein gelungener Auftritt noch lange nicht, dass am nächsten Tag der Rückhandpassierball klappt.

Vormittags im Café bei meinem heißgeliebten Rentnerstammtisch und nachmittags auf dem Tennisplatz – beides bietet sich hervorragend an, um auch abseits der Bühne gescheit daherzureden.

Ausblick: Sie sind sehr produktiv, was kam zuletzt zu kurz, welche Wünsche, Ideen und Projekte haben Sie noch kurz-, mittel- und langfristig?

Im Großen und Ganzen habe ich die Tourneeumfänge reduziert. Und das nächste Soloprogramm, das 2016 entstehen wird, wird so eine Art finales Abschlusswerk. Das wird auch zeitloser sein als meine bisherigen Programme, weil ich sowieso mit dem Jahresrückblick hochaktuell agieren kann. Ich denke mal, dass ich dieses letzte Programm noch stärker dosieren, aber länger spielen werde. Sollte ich dann bei einem Vierteljahrhundert als Kabarettist angekommen sein, stelle ich einen Antrag auf Teilzeitkabarettist: Im Dezember und Januar auf der Bühne mit dem Jahresrückblick, den Rest des Jahres vormittags im Café bei meinem jetzt schon heißgeliebten Rentnerstammtisch und nachmittags auf dem Tennisplatz. Beides bietet sich nämlich hervorragend an, um auch abseits der Bühne gescheit daherzureden.

Fotocredit: © mediaPool

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