Leben

Die Bayern im Pokal: “Ich hatte Angst”

Sebastian Gierke
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Eine katastrophale erste Halbzeit, ein Ergebnis, das viel zu hoch ausgefallen ist, und ein Franck Ribery, der auf den Trainer sauer ist. Trotz eines deutlichen Sieges im Pokal-Viertelfinale, gab es bei den Bayern wenig zu feiern.

Der kleine Mann im dicken Mantel mit Pelzkragen verlässt seinen Platz auf der Haupttribüne. Es ist die fünfte Minute im Spiel Greuther Fürth gegen den FC Bayern München.  „Ich geh ins Warme“, sagt er zu seinem Sitznachbarn. „Das hier, das ist gelaufen.“  Zwei Minuten später ist er wieder da. Er lacht etwas ungläubig, als er sich setzt. Gerade hatte Fürth den Führungstreffer der Bayern durch Thomas Müller postwendend ausgeglichen. Das ungläubige Lachen, das ziert sein Gesicht fast die gesamte erste Halbzeit dieses Pokal Viertelfinales. Und in der 40. Spielminute gefriert es zu einer Grimasse. Da lagen die Bayern,  gar nicht plötzlich, mit 2:1 gegen den Zweitligisten in Rückstand. Völlig verdient. Fürth hätte auch mit 4:1 führen können. Eine Pokal-Sensation schien möglich. Die Bayern gewannen zwar noch 6:2, doch diese erste Halbzeit, die verursachte nicht nur bei Manager Christian Nerlinger ein bereits länger bei den Bayern nicht mehr vorhandenes Gefühl:  „Ich hatte Angst“, sagte er. „Angst, dass wir das hier verlieren können.“

Die Spieler, dich noch vor wenigen Tag nur so vor Selbstvertrauen strotzten, die in der Bundesliga acht Spiele in Folge gewonnen hatten, sie schlichen mit hängenden Köpfen in die Pause. Schockgefrostet, so, als wollten sie sich ihrem Trainer nicht stellen. Alles erschien jetzt besser, als Louis van Gaal unter die Augen zu treten. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in der Bayern-Kabine los war, nachdem van Gaal schon nach dem gewonnen Spiel in der Bundesliga gegen Wolfsburg „böse“ ob der Arroganz seiner Spieler gewesen war.

„Sehr böse“ sei er gewesen, sagte der Trainer diesmal. Doch dieser Sieg wird einigen zu denken geben, darüber, wie stabil diese Mannschaft ist. Sie hatte in der ersten Halbzeit eine Vorstellung geboten, die selbst durch eine bis ins Extrem gesteigerte Arroganz nicht zu erklären ist. „Wir waren perplex in der Halbzeit. Wie können wir so spielen?“, sagte der zweifache Torschütze Thomas Müller.

Dass van Gaal die Mannschaft auf einigen Positionen verändern musste, kann ein derartiges Totalversagen nur zum Teil entschuldigen. Zum ersten Mal seit vier Monaten spielte Franck Ribéry von Beginn an, Michael Rensing stand für Hans Jörg Butt im Tor. Überraschend rückte Christan Lell für den kranken Daniel van Buyten in die Anfangsformation und Anatoly Tymoshchuk ersetzte Bastian Schweinsteiger. Vor allem das Fehlen der ordnenden Füße Schweinsteigers war dem Spiel der Bayern deutlich anzumerken. Außerdem musste Badstuber als Innenverteidiger ran, Lahm wechselte die Seite und spielte wieder zusammen mit Ribéry auf der Außenbahn.

Für Tymoshchuk und Lell könnte es das letzte Spiel im Bayern Dress gewesen sein, so abgründig war ihre Leistung. Jedenfalls standen mit Diego Contento und David Alaba, 19 und 17 Jahre alt, bereits zwei Spieler aus der zweiten Mannschaft bereit, um sie zu ersetzten, als die Bayern einen Handelfmeter zugesprochen bekamen, den Arjen Robben in der 58. Minute zum Ausgleich verwandelte. Man muss sich das klar machen: Die Bayern liegen in einem Ko-Spiel hinten und wen bringt der Trainer, weil sonst keiner zur Verfügung steht und das Personal auf dem Rasen versagt?

Tymoshchuk und Lell mussten nach dem Ausgleich trotzdem vom Feld – und innerhalb von sechs Minuten drehten die Bayern das Spiel. Ribéry, der auch noch zwei Torvorlagen zum Sieg der Münchner beisteuerte, schoss seine Mannschaft nach einem Spielzug wie vom Taktikbrett in der 60. Minute in Führung, Philipp Lahm (64.), Thomas Müller (82.) und ein Fürther Eigentor (89.) brachten die Entscheidung über die sich keiner so richtig freuen konnte, auch weil der Franzose dem Trainer sichtlich aufgebracht den Handschlag verweigert, als dieser ihn 15 Minuten vor Spielende auswechselte.

Nach Spielende jubelten die Bayern jedenfalls nur sehr verzagt, schlichen mit hängenden Köpfen in die Kabine. Denn dort wartete Louis van Gaal. Nur der dicke Mann, der grinste jetzt wirklich hinter seinem Pelz hervor.

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