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“Die einfachste Lösung wäre, Seniorenstudenten an die Volkshochschule zu schicken”

Senioren aller Länder vereinigt Euch! – An der LMU haben die 2.400 Seniorenstudenten nun einen Sprecherrat. mucbook sprach mit dem Ratsprecher Michael Gadomski.

michael

mucbook: Hätten Sie gerade eigentlich keine Vorlesung?

Michael Gadomski: (lacht) Nein, dieses Semester war ich oft mit der Organisation des Sprecherrats beschäftigt und hatte deshalb nicht so viel Zeit für das Studium. Ich war in einem Seminar vom Zentrum Seniorenstudium zu Sartre und habe zwei reguläre Vorlesungen zu Homer und zur Karolinger-Zeit besucht.

Warum nehmen Sie die Arbeit im Sprecherrat auf sich?

Die Seniorenstudenten müssen sich organisieren, um ihre Interessen zu vertreten. Es gibt immer mehr Ruheständler, die sich über ihre Berufsbildung hinaus bilden wollen. Deshalb wird die Zahl der Seniorenstudenten zweifelsfrei steigen. Viele Vorlesungen sind jetzt schon aufgrund der Raumnot nicht mehr für Seniorenstudenten geöffnet und die Themen sind stark ausbildungsorientiert. Finanzielle, räumliche und personelle Ressourcen werden knapp. Wir wollen auch in diesen stürmischen Zeiten die umfassende Humboldtsche Bildung – über die bloße Ausbildung hinaus – am Leben erhalten.

Teilen Sie im Grunde Ihre Anliegen mit den Studenten, die das Audimax besetzt hatten?

Selbstverständlich. Wir haben die Proteste auch immer verfolgt und waren tief beeindruckt von der Korrektheit der Studenten und der Disziplin, mit der sie protestiert haben. Ich habe ja die Achtundsechziger-Prostest erlebt. Da sitzt mir noch der Schreck im Nacken, wenn ich daran denke, wie das damals abgelaufen ist.

Trotz Ihrer Solidarität: Viele Studenten ärgern sich über Ihre Kommilitonen, beispielsweise wenn sie in Vorlesungen keinen Platz mehr bekommen.

Wir wollen bei den Studierenden für unsere Bedürfnisse und Belange werben und auch Reibungsflächen abbauen, die unter Umständen durch das Verhalten der Seniorenstudenten begründet sind. Wenn die in die ersten Reihen sitzen, ist das nicht in Ordnung. Wichtig ist, dass bei Raumnot die regulär Studierenden Vortritt haben.

Aber der Platz ist begrenzt, und das ist sicher nicht das einzige Problem an der Uni.

Die Bildungspolitiker haben, bei Gott, schon genug am Hut. Dann kommen auch noch die Seniorenstudenten und stellen Forderungen. Für die wäre die einfachste Lösung natürlich, die Seniorenstudenten an die Volkshochschule zu schicken. Ich denke aber, dass das Seniorenstudium gerade als Beispiel für die umfassende Bildung an der Universität bleiben sollte. Eine Möglichkeit wäre, das Vorlesungsangebot des Zentrums Seniorenstudium auszuweiten und Veranstaltungen aus regulären Studiengängen, zu denen Seniorenstudenten keinen Zugang mehr haben, ein zweites Mal  zu lesen. Die geistige Ressource ist an der LMU ja da. Diese Veranstaltungen müssten dann auf Zeiten gelegt werden, zu denen die Hörsäle nicht belegt sind. Die meisten Seniorenstudenten, die ich kenne, hätten kein Problem damit, montagmorgens um acht in die Vorlesung zu gehen.

Und das alles im Hinblick auf umfassende Bildungsmöglichkeiten?

Ja. Wenn man einmal erlebt hat, wie Bildung hilft, im eigenen Leben zurechtzukommen, ist man überzeugt, dass es ein Angebot für diese Bildung geben muss.

Warum wollten Sie nach Ihrem Medizinstudium und den langen Jahren als Arzt noch Geisteswissenschaften zu studieren?

Das Medizinstudium war streng reglementiert und hat wenig Spielraum zu anderen Aktivitäten gelassen. Mir ist das also sehr vertraut, was die Bachelor-Studenten heute erleben. Ausschlaggebend war, denke ich, aber das Schicksal meiner Patienten. Ich habe oft erlebt, dass sie gezwungen waren, ihr Leben zu hinterfragen. Dadurch wurde ich als Arzt angeregt, auch zum eigenen Leben Fragen zu stellen: Was ist mir überhaupt wichtig? Geschichte hat mich schon immer interessiert. Und man kann einem Menschen keinen existenziellen Rat geben, wenn man nichts über die Welt und das Leben weiß.

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