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“Eine Kiste explodierender Mangos” – Lesung im Gasteig

Katrin Schuster
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Am Mittwoch liest der pakistanische Autor Mohammed Hanif aus seinem neuen Roman – ein Roman, der ein Krimi, eine Groteske und eine Räuberpistole ist. Und sehr gute Unterhaltung. Eine Rezension.

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Mohammed Hanif: „Eine Kiste explodierender Mangos“. Aus dem Englischen von Ursula Gräfe. A1 Verlag, München 2009. 384 Seiten, 22,80 Euro. (Photo: a1-verlag.de)

„A Case of Exploding Mangoes“ heißt der Roman des pakistanischen Autors Mohammed Hanif im englischen Original. Womit diese Buch – so ist das eben mit Übersetzungen, das lässt sich nur selten ändern – viel besser beschrieben wäre als mit dem deutschen Titel „Eine Kiste explodierender Mangos“. Denn „case“ meint ja nicht nur ein Behältnis, sondern auch den Fall. Und von allen möglichen Fällen natürlich am liebsten den bekanntesten, den Kriminalfall. Von einem solchen, wenn nicht gar mehreren solchen, handelt Hanifs Roman. Deshalb beginnt das Buch auch, wie in Krimis üblich, mit dem eigentlichen Ende der Geschichte, dem Tod – um sich dann dessen Vorgeschichte vorzunehmen und in zwar bravem, aber recht kuriosem Hintereinander zu rekonstruieren, wie es dazu und soweit kommen konnte, um sich am Schluss gleichsam selbst einzuholen.

Allein, es ist nicht irgendein banaler Mord oder sonstiger Fall, über den Hanif geschrieben hat. Sondern eines der großen ungelösten Rätsel der politischen Historie Pakistans: Am 17. August 1988 explodierte das Flugzeug des damaligen Militärdiktators Mohammed Ziaul-Haq kurz nach dem Start, mit an Bord waren 30 Menschen, darunter der pakistanische Generalstabschef, aber auch der US-Botschafter in Pakistan sowie der US-Militärattaché. Bald danach war von Nervengas die Rede, dann von technischen Mängeln. Auch Verdächtige gab es freilich genug: Den Amerikanern liebäugelte Zia ul-Haq zuviel mit dem Islam, mit afghanischen Extremisten und mit der Demokratie, und den Russen war das Engagement des Präsidenten in Afghanistan von vorneherein ein Dorn im Auge. Fast scheint es, als gäbe es viel zu viele mögliche Gründe, als dass man einen für plausibler als einen anderen halten könnte.

Und so liest man es dann auch bei Mohammed Hanif: Ohne den Leser um die Spannung zu bringen, sei immerhin gesagt, dass eines der größten Vergnügen dieses Romans darin besteht, die herrlich krude ineinander verstrickten Kausalitäten zu entwirren, die am Ende zu dem Ende von General Zia führen. Der Autor nämlich gibt nicht nur eine Anschlagstheorie zum Besten, sondern derer mehrere, die gerade und eben nur in ihrer Gesamtheit so heil- und ausweglos ins Verderben führen. Dabei spielen, das sei wenigstens verraten, ein Haufen Bandwürmer, ein erhängter Vater, Lavendel-Raumduft, eine Krähe, 20 Kisten hochreifer Mangos und große Mengen des Parfums Poison wichtige Rollen. „Eine Kiste explodierender Mangos“ ist nämlich längst nicht das ernste Stück für das man den Roman auf den ersten Blick halten könnte. Im Gegenteil: Mohammed Hanif hat eine herrlich böse Zunge, die er mit Ironie und Respektlosigkeit gebraucht. Die verlogene Rhetorik der Herrschenden enttarnt er mit großem Sinn für deren Leere und Oberflächlichkeit, vom Kürzelwahn bekommt er gar nicht genug – selbst Menschen stellen sich schon als „TM“ oder „OBL“ vor –, und die Riege der Führenden erscheint bei ihm als Gruppe eitler Laffen, die entweder keine Ahnung haben oder längst paranoid geworden sind. Eine großartige Szene reiht sich an die nächste, eine einzige literarische Freude ist es zu lesen, wie die Amerikaner eine Motto-Grillparty („Texas-Kabul“) veranstalten und allesamt als afghanische Kriegsherren verkleidet auflaufen; wie eine amerikanische Journalistin gar nicht genug vom Dschihad bekommen kann; wie ein Soldat noch im Tod den idealen Landepunkt erwischt oder wie General Zia so verzweifelt versucht, seinem großen Vorbild Ceauçescu nachzueifern.

„Eine Kiste explodierender Mangos“ ist mithin nicht nur ein Krimi, eine beeindruckende Groteske und überhaupt beste Unterhaltung, sondern eine wahrhafte Räuberpistole. Eine ziemlich zynische, das gewiss. Vor Melancholie schreckt sie jedoch nicht zurück. Und das ist ja das Schöne an diesem Buch: dass es so voller Wahrheit steckt, obwohl Mohammed Hanif nur ein paar Fünkchen davon hinein gepackt hat.

Mohammed Hanif liest am 25. November um 19 Uhr im Rahmen der 50. Münchner Bücherschau im BlackBox/Gasteig (Rosenheimer Straße 5). Die Karten kosten 10 Euro (ermäßigt acht).

(Diese Rezension von Katrin Schuster, der Macherin des Literaturkalenders literatur-muenchen.de, erschien in der Novemberausgabe des Münchner Literaturmagazins KLAPPENTEXT. Ein KLAPPENTEXT-Abonnement ist kostenlos.)

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