Kultur

Es regnet im Staate Dänemark

Regina Karl
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Christian Stückls neuer Hamlet im Volkstheater will zu viel und kann zu wenig: Klassik und Gegenwart, Action und Existenzialismus. Eine Rezension.

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Nach Richard III. nun Hamlet: eine makabre Gartenparty ist Christian Stückls neuer Shakespeare am Volkstheater. Als wären sie alle frisch von einem Segeltörn am Starnberger See zurück, lässt er sein gewohnt junges und hippes Ensemble in Lacoste und Fred Perry auf die Bühne tanzen. Anlass des noblen Besäufnis: die Hochzeit von Claudius und Gertrud. Nur Hamlet hat keine Lust auf Feierei. Immerhin ist sein Vater eben erst gestorben und schon muss er seine Mutter in den Armen eines Neuen sehen, der zu allem übel auch noch der Bruder des toten Vaters ist. An dieses doppelte Spiel erinnert auch das Bühnenbild von Alu Walter, das irgendwo zwischen luxuriöser Gartenlaube und dunstiger Friedhofsgruft schwankt.

Was die nächsten drei Stunden folgt sind viele Ideen, jedoch kein Konzept. Die große Frage nach dem Vatergeist, der Hamlet erscheint und ihn mahnt seine Ermordung durch Claudius zu rächen, ist schnell gelöst: ein richtig fieser Zombie ist der untote Vater bei Stückl. Wenn der ausgemergelte Michael Tregor, lebende Legende des Residenztheaters, dann entsprechend krummbeinig, kalkweiß von Kopf bis Fuß und mit neongrünen Kontaktlinsen dem Kunstrasen emporsteigt, dauert es nicht lange, bis Hamlet sich seiner Berufung als Auftragskiller verschreibt. Schlagartig wird die Gartenparty zur Halloween-Szenerie, die fleißig in Kunstnebel eingehüllt wird. Gerüstet mit dem Excalibur seines Vaters bringt Hamlet en passant erst seinen Schwiegervater in spe Polonius zur Strecke und räumt dann noch seine einstigen Busenfreunde Rosenkranz und Güldenstern aus dem Weg, bis es zum großen Showdown zwischen ihm und dem Mörder seines Vaters kommt.

Das ganze natürlich immer überschüttet mit ordentlich Kunstblut und präzise durchchoreographierten Fechtkämpfen. Ein bisschen weniger Drehen an der großen Kurbel der Theatermaschine hätte es auch getan. Aber nein: Krönung des Ganzen ist die Regendusche, die im letzten Akt die Friedhofserde auf dem Bühnenboden in Matsch verwandelt und die feinen Anzüge der Damen und Herren zu Dänemark versaut – das Stichwort für Jean-Luc Bubert in gewohnt enthemmter Manier die Hüllen fallen zu lassen und sich im Schlamm zu wälzen. Schließlich muss Claudius ja irgendwann seine schmutzige Wäsche waschen.

Dabei ist Buberts Claudius noch eine der gelungensten Figuren des Abends. Als eitler lover boy der um Jahre älteren und um einiges verstockteren Gertrud (Ursula Burkhart) rotzt er seiner Gattin immer wieder Kommentare wie „Was soll´n der Scheiß!“ hin und spuckt Hamlet unablässig ein „Ich mag ihn nicht!“ hinterher – sprachliche Fremdkörper in der an diesem Abend sonst so wörtlich genommenen Schlegel-Übersetzung. Bemerkenswert auch das Spiel von Robin Sondermann als Horatio, der als stiller und letzen Endes überlegener Beobachter des blutigen Spektakels sonderlich distanziert an den Bühnenwänden lehnt. Polonius bleibt bei Stückl was er schon bei Shakespeare war: der arme altväterliche Trottel, der am Ende das Feld unfreiwillig freiwillig räumen muss. Bei Eckhard Preuß driftet die Rolle darüber hinaus in eine massiv tuntige Komik à la Hape Kerkeling ab. Leider nur frivoler Slapstick. Und Polonius Tochter? Die Suche nach einer geeignet Besetzung für die Schlüsselrolle der Ophelia wird wohl das ewige Dilemma des Theaterbetriebs bleiben. Bei Barbara Romaner ist alles was an dieser Figur strahlend ist ihr weißes Outfit. Ihre Liebe zu Hamlet bleibt infantil, ihr Wahn ist reines Kunsthandwerk.

Nach Hamlet wagt man hier fast nicht mehr zu fragen. Löblich sind die Versuche Friedrich Mückes dem Wahn seiner Figur gerecht zu werden. Er quäkt, grunzt und zuckt über die Bühne, doch findet er bis zum Ende nicht das richtige Format für seinen Hamlet. Anzulasten ist das nicht seinem Schauspiel sondern der Regie. Vielversprechend war Stückls Idee Hamlet zu seinem Alter Ego zu machen. So dürfen wir Mücke als prätentiösen wild gestikulierenden Vertreter der Regie-Theater-Ära bewundern, der ganz in intellektuellem Schwarz und mit Fliegerbrille vor dem Zettelwust seiner Mausefallen-Fassung kniet. Der Kniff, Hamlet zum eigentlich Fädenzieher des Schauspiels zu machen, der am Ende nicht sich sondern seine Gegenspieler als wahnsinnig, rachsüchtig und machtgierig entlarvt, bleibt bei Stückl jedoch leider nur Moment. Altbekannte Klassiker wie die Frage nach dem „Sein oder nicht sein“ verkommen an diesem Abend zu bloß auswendig gelerntem Textpalaver.

Shakespeares „Hamlet“ ist ein Angebot, das nach einer Positionierung verlangt. Stückl hat tief in die Trickkiste des „All the world´s a stage!“ gegriffen und dann zuviel auf einmal haben wollen.

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Fotos: Arno Declair

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