Kinogucken, Leben

Filmfest München: “As I Lay Dying”

Jonas Bock
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Ein hübscher Kerl ist er schon, als Schauspieler in Hollywood rauschend erfolgreich, er durfte sogar schon die Show zu den Oscar-Verleihungen moderieren, ach ja und letztens schoss er mal so ganz unverblümt einen Erfolgsroman aus der Hüfte. Die Karriere von James Franco neidlos zu betrachten, fällt (hoffentlich nicht nur mir) verdammt schwer.

Nun macht der scheinbare Tausendsassa auch noch in Filme. Genauer gesagt schauspielerte er und führte Regie bei der Verfilmung von “As I Lay Dying”, dem Roman von William Faulkner, der allgemein als unverfilmbar gilt. Ob sich der Goldjunge da mal nicht einen Bruch gehoben hat…

Sie atmet schwer, ihre Haut ist bleich und alt, die milchigen Augen blicken isoliert im Raum umher, eigentlich hat sie sich schon von dieser Welt so gut wie abgelöst : Addie Bundren liegt im Sterben in dieser stickigen Hütte im amerikanischen Süden der tief-depressiven 30er Jahre. Medizinische Mittel und Wege waren zu dieser Zeit kaum vorhanden – vor allem für eine arme Bauernsfamilie in diesem abgelegenen Fleckchen Erde. Also lässt man geschehen, was eben geschehen muss.

Die Ausgangssituation des Filmes ist geschaffen. Nun ist es an den Kindern von Addie Bundren zu handeln, die den Leichnam ihre Mutter zum Begräbnis in ihre Heimatstadt überführen müssen, doch eigentlich ihre eigenen Probleme haben.

Hätte man Lust auf Bösartigkeiten, könnte man sagen: Die Handlung setzt sich aus der Lösung der für uns heute relativ profanen Probleme zusammen – der Überquerung eines Flusses, der Behandlung eines gebrochenen Fußes, der Bewältigung finanzieller Engpässe… Nichts, womit man sich als Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts noch identifizieren könnte, oder?

Ganz und gar nicht, denn Franco presst mittels Bild- und Geräuschkulisse dem Zuschauer die Handlung so unmittelbar und blutvoll ins Gesicht, dass jeder einzelne zum hitzigen Mitfiebern gezwungen ist. (Achtung Spoiler!) Wenn zum Beispiel ein Fuß unter Whiskey, Blut und Gebrüll amputiert wird, fällt es schwer, ganz entspannt lediglich die Augenbrauen zu heben. Ich selber habe mich mit sperrangelweit geoöffnetem Mund erwischt. (Puh, Spoiler vorbei.)

Als unglaublich erfrischendes Gegenstück zu diesen naturalistischen Darstellungen benutzt James Franco eine experimentelle Schnitttechnik, in der er im Splitscreen eine Szene von zwei verschiedenen Blickwinkeln zeigt. Die eben erwähnten Sounds und visuellen Eindrücke wirken dadurch meist um ein vielfaches stärker, auch wenn sich der Regisseur an wenigen Stellen durchaus vergriffen hat. Doch der herzzerreissende Schrei der Mutter auf der einen Seite des Fensters und das ohrenbetäubende Prasseln des Regens auf der anderen Seite hätten wohl ohne diese Splitscreen-Methode niemals seine atemstockende Wirkung erhalten.

Hier und da zeigen sich Schwächen im Film, doch in der Summe gelingt Francos Spagat zwischen Unmittelbarkeit und Experiment. Ein amerikanischer Klassiker auf der absoluten Höhe der Zeit.

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