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Forever Young: Eine Zeitreise in die Achtziger mit Alphaville

MUCBOOK Redaktion

Ein Gastbeitrag der MUCBOOK-Leserin Katharina Neumann

Das Publikum ist bunt. Vermutlich senken wir den Altersdurchschnitt ein wenig. 50-jährige Männer mit gegelten, blondierten Spitzen, Metalband- Shirts unter Lederjacken, karierte Kurzarmhemden, zu schmale, rechteckige Brillen mit dünnem Gestell. Der Hipster ist auch da. Rotes Beanie, die Ohren natürlich nicht bedeckt, enge Jeans und Adidas Retrosneaker – High Tops, is klar. Vermutlich hat aber auch er die 30 schon hinter sich gelassen. Einige Besucher lösen Mini Playback Show-Déjà-Vus in mir aus. Ich sehe, wie sich die Schiebetür öffnet, und Monika die Treppen im Nebel herunter hopst: Frecher Fransenschnitt, weiße Stiefel mit kleinem Absatz, Kurzarmhemd aus der Herrenabteilung in den high-waist Bund der Momjeans gestopft (Moonwashed natürlich). Manche Outfits heute Abend wie eben beschrieben, Monika aber Ende 40. Jede 20-Jährige wäre neidisch auf ihr Outfit. Ich irgendwie auch.

Nein, ich bin auf keiner bunten 80er-Jahre-Party gelandet. Ich bin beim Alphaville-Konzert im Technikum. Woran mich der Song Forever Young erinnert, war die Frage eines Gewinnspiels, bei dem man Karten für das Konzert gewinnen konnte. An die Abschlussballszene in Napoleon Dynamite: da steht er ohne Date vor der Tanzfläche und es läuft Forever Young. Als Alphaville 1984 ihr Debütalbum Forever Young veröffentlichten, gab es mich noch gar nicht. Ich war kein frisch verliebter Teenie auf meinem Abschlussball. Trotzdem verbinde ich Erinnerungen mit dem Song. Er lief auf Schuldiscos, Unipartys, mittlerweile auf Hochzeiten – immer dann, wenn die 80er-Playlist aufgelegt und es Zeit wird, zu gehen. Die Karten habe ich tatsächlich gewonnen, zwei Stück. Ich werde zumindest nicht allein hier stehen, wenn das Lied läuft. Was mich hier heute Abend sonst erwartet? Ich weiß es nicht. Ein Blick durchs Publikum lässt vermuten, dass einige der anwesenden Besucher auf eine kleine Zeitreise hoffen.

Nur noch einer übrig

Von der Originalbesetzung ist einzig Marian Gold geblieben. Er kommt schnippend und klatschend auf die Bühne. Das kann ja was werden. Begleitet wird er von einer vierköpfigen Band: Gitarrist, Drummer, Bassistin und Keyboarder. „All die Jahre vorbei und mein Make-Up verblasst.“ Er singt eine deutsche Version von Romeo. Im Hintergrund laufen alte Aufnahmen der damals noch sehr jungen Musiker. Davor der schnippende 64-Jährige. Was für ein Bild, aber vor allem: was für ein grandioses Opening. Ich glaube, das wird richtig gut hier!

Es folgt Dance with Me und ab da tanze ich durch das Konzert.

Die Besucher um mich herum nämlich auch. Bei Flame und Jerusalem singen alle leidenschaftlich mit. Zu Nevermore wird es laut, dramatisch und düster. Von der Leinwand im Hintergrund starrt mich eine grinsende Horrormaske an, alle rasten aus. Allen voran der Keyboarder. Ich bin seit dem ersten Song sein Fan. Er tanzt ununterbrochen, spielt insgesamt auf vier verschiedenen Geräten, auf einem davon sogar in der Luft. Es leben die 80er und Synthesizer. Dieses Konzert macht richtig Spaß. 

Dann spielen sie alle zehn Songs vom Forever Young Album. Alle! Sogar in der fast richtigen Reihenfolge. Genial. Die Hits erkennt man eindeutig an der Anzahl der zum Filmen gezückten Handys. Ein Phänomen, das ich bisher nur von Konzerten kannte, deren Besucher überwiegend Teenager waren. Bei Big in Japan sehe ich die Bühne also nur noch durch kleine Bildschirme. Einer meiner absoluten Lieblingssongs, den ich tatsächlich schon seit 20 Jahren kenne – wenn auch erst nur die Coverversion der Guano Apes von 2009. Als 14-jähriger Teenager braucht man Musik, zu der man den pubertären Pickelfrust rausschreien kann. Ich bin froh, dass ich das Original dann doch für mich entdeckt habe.

Bei Forever Young fällt mir vor allem das breite Grinsen auf den Gesichtern um mich herum auf. Jeder singt mit, einige stehen Arm in Arm nebeneinander und schwingen langsam im Takt hin und her. Ich frage mich an was sie sich wohl gerade erinnern. Erste große Liebe? Abschlussball? Lieder zu schreiben, die es schaffen Erinnerungen für immer festzuhalten und vor allem wachzurufen. Immer wieder faszinierend und der Grund, warum ich Konzerte liebe.

Zwei Zugaben zum Abschluss, dann ist das Konzert vorbei. Zwei großartige Stunden Synthie-Pop. Sehr zu empfehlen. Seit heute Morgen läuft bei mir eine neue Spotify Playlist: Zurück in die 80er.


Beitragsbild: © Katharina Neumann

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