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Fotostrecke: Die Geyerwally gestern und heute!
In der Geyerwally im südlichen Glockenbachviertel treffen sich Münchner Urgesteine, Künstler*innen, Viertelpublikum, Studierende sowie Besucher*innen der Stadt gleichermaßen. Einer von ihnen ist Fotograf und Stammgast Volker Derlath. Eine Würdigung der Kultkneipe in 15 Bildern.
Anna Stainer-Knittel hieß sie, die „echte“ Geierwally. 1841 wurde sie im Lechtal in Tirol geboren und 1859 studierte sie als erste Frau an der Münchner Akademie der bildenden Künste. Historischen Ruhm brachte ihr aber ein anderes biografisches Detail: Mit jungen 17 Jahren soll sie einmal an einer gefährlichen Stelle einer Felswand an einem Seil hängend einen Adlerhorst ausgenommen haben. (Zum Schutz junger Lämmer tötete man damals den Adlernachwuchs.)
Alle männlichen Dorfbewohner hatten sich erfolgreich gedrückt vor dem waghalsigen Manöver – im Jahr vorher war jemand fast verunglückt. Nur die „Wally“ besaß den Mumm. Und inspirierte damit zu Romanen sowie Bühnenstücken und der Oper „La Wally“. Sie wurde zum Mythos.
Über 150 Jahre später prangt in der Geyerstraße 17 in München ein Comic-Geier am Fenster der Kneipe „Geierwally“ – Anna “Wally” Stainer-Knittel hat posthum also auch noch ein Stück Münchner Boazngeschichte (mit-)begründet.
Inmitten der verlebten und verzierten Wände der Kneipe hat sich in den fast sieben Jahrzehnten ihres Bestehens sicher das eine oder andere Gespräch um sie gedreht. Alle MUCBOOK-Leser*innen haben jetzt jedenfalls Stoff für das nächste Tresengespräch.
Auf die Geyerwally und alle Mutigen!

Diese (Kneipen-)Weisheit stammt vom Maler und Poeten William Blake (*1757). Der englische Dichter soll unter anderem Jim Morrison und Pete Doherty inspiriert haben – beides keine Kostverächter bekanntermaßen.

Ein klassischer Kneipensport ist Schach ja nicht. Die beiden Gäste stört’s wenig. Immerhin zählt Bier auch nicht als Doping beim Schach.

Getränkekarte aktuell: Die Metaphorik der Spirituosenhersteller*innen kennt keine Grenzen!

Und hier im Hintergrund ist er: Suhler Fahrzeug- und Motorenöl – Kräuterschnapps und stolzes Erzeugnis der kreisfreien Stadt aus Thüringen. Weniger erbaulich: Die Wahlergebnisse aus dem Bundesland – damals schon (Foto aus 2020).

Wimmelbild à la Geyerwally: Von Pin Up bis Jesuskreuz ziert vieles mit Retrocharme die charmant-verlebten Wände.

Heroisch anmutendes russisches Kampagnen-Motiv aus den Zeiten von Michail Gorbatschow (von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion). Sag Nein (also „нет“ – gesprochen: „njet“) zu Alkohol! Alkoholismus ist seit Jahrzehnten ein Problem in Russland – die Kampagne von Gorbatschow Mitte der Achtziger Jahre zeigte zwar Erfolge, war aber so unbeliebt, dass sie eingestampft wurde.

Eingangsbereich der Geyerwally um 2009. Das Haus darüber steht seit 1986 leer. Immer wieder mal heißt es, es würde abgerissen. Aber bisher merkt man noch nichts…

Unisex Toiletten gibt’s in der Geyerwally schon länger (Aufnahme aus 2008).

Werbeschilder und Memorabilia aus dem 20. Jahrhundert prägen das Flair der Geyerwally. Kommentare und Sticker wie „Sexistische Kackscheiße“ aber auch. Kompromiss: Auch männliche halbnackte Schönheiten hängen seit kurzem in der Kneipe.

In guter Gesellschaft: Stammgast Karl Raminger wechselte schon mal hinter die Theke, wenn Not am Mann war. (Aufnahme um 2011)

Alte bayerische Festattraktion: Das publikumserheiternde Nagelklopfen (auch Wettnageln genannt). Hier leider regelwidrig ausgeführt mit der dicken Seite des Nagelhammers.

„Ohne dieses Bild wäre die Geyerwally kaum denkbar“, sagt der aktuelle Mit-Betreiber Max Heisler. Vor ihm und Daniel Habit führte das Ehepaar Strixner (Rainer und Christa) fünf Jahre das Lokal bis 2015. Vom Ehepaar Strixner stammt ein Großteil der aktuellen Wanddeko und Einrichtung. Insgesamt reicht die Geschichte der Kneipe bis 1957 zurück.

Wohlverdienter Ehrenplatz: Hermann Leopoldi war österreichischer Komponist, Kabarettist und Klavierhumorist und schrieb diese unsterbliche Zecher*innenhmyne.

Poesie am Örtchen. Auf wen diese lyrische Schöpfung zurückgeht, ist nicht eindeutig belegt. So heißt zum Beispiel Diana Schwaigers Autobiografie so. Aber man findet das Sprachbild vorher schon beim tschechischen Dichter Jan Skácel – der es vermutlich geschaffen hat:
„Die laubigen laubfrösche bitten laut
(der morgen stellt sich häufig taub und blind)
mit laub auf den stimmen mit zungen betaut
für alle die im herzen barfuß sind“
Auf dich, liebe Geyerwally!
Bilder: © Volker Derlath
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