Aktuell, Nachhaltigkeit
Gas-Umbau im Kohleblock: Vierfache CO2-Emissionen?
- Natürlich mit Öffis! Bergtouren ab München mit Bus & Bahn – 3 Tipps für Anfänger & 2 Touren - 17. Oktober 2024
- Nachhaltiger leben mit Hund: 10 Alltagstipps - 25. Juni 2024
- Gas-Umbau im Kohleblock: Vierfache CO2-Emissionen? - 5. Februar 2024
Der Block zwei im Heizkraftwerk Nord soll von Kohle- auf Gasbetrieb umgestellt werden. Das soll klimaschonender und gleichzeitig nötig für die Versorgungssicherheit sein. Helmut Paschlau vom Netzwerk Saubere Energie München argumentiert, die aktuellen Vorhaben könnten fatale Klimafolgen verursachen.
ein Gastbeitrag von Helmut Paschlau
Wie kann das sein, dass der Stadtrat den Umbau des bisherigen Kohleblocks im Heizkraftwerk Nord auf „dauerhaften Erdgasbetrieb“ für Sommer 2024 beschließt – ohne zu berücksichtigen, welche Treibhausgasemissionen das zur Folge haben kann? Ohne – wie es Pflicht wäre – vorher eine „Klimaneutralitätsprüfung“ durchzuführen, ohne den hierfür zuständigen Klimarat (mit unseren zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen) einzubeziehen, ohne die schriftlichen Bedenken der Gemeinde Unterföhring vor Ort ernsthaft zu beantworten, ohne bei der Genehmigungsbehörde einen Genehmigungs-Änderungsantrag zu stellen?
Erst die fachkundigen Engagierten der Zivilgesellschaft haben nachgewiesen, dass der bisherige Stadtratsbeschluss ohne Begrenzung der Laufzeit und der Fahrweise des neuen Erdgaskraftwerks bis zu einer Vervierfachung der CO2-Emissionen ermöglicht. Das geht aus Zahlen der Stadtwerke selbst hervor.
„Raus aus der Steinkohle bis 2022“, so lautete der rechtskräftige Bürgerentscheid der Münchner:innen 2017. Doch im Heizkraftwerk zwei wird noch heute Steinkohle verbrannt. Weil der Block zwei aufgrund Bescheids der Bundesnetzagentur für die Netzstabilität Südbayerns „systemrelevant“ ist (nicht für die Wärme- oder Stromversorgung Münchens). Dies voraussichtlich, bis die Überland-Stromleitungen aus dem hohen Norden nach Bayern wohl 2027/28 fertiggestellt sind. Dann kann Block zwei auch im rechtlichen Sinne stillgelegt werden – egal ob er Kohle oder Gas verfeuert.
Volle Auslastung nicht nötig
Doch solange wollten die Verantwortlichen von Stadtrat und SWM nicht warten, zu groß war der politische Druck, nach dem Kohle-Aus-Bürgerentscheid nichts zu tun: Deshalb beschloss der Stadtrat 2019 zum einen aus Klimaschutzgründen die Kohleverbrennung in ihrer Leistung auf 38 Prozent zu begrenzen, im Winter mehr, im Sommer Null, in Frühjahr und Herbst deutlich reduziert. Und siehe da: 38 Prozent reichen offensichtlich aus, weder sind die Lichter ausgegangen in München, noch haben die Fernwärmekunden gefroren. Und zum anderen sollte per Stadtratsbeschluss – was vorher jahrelang als „technisch unmöglich“ dargestellt wurde – nun doch realisiert werden: Umbau des Kohle- in Erdgasbetrieb, was – bei gleicher Leistung und gleicher Laufzeit bis Ende Systemrelevanz – Reduzierung der Treibhausgasemissionen um etwa ein Drittel zur Folge hätte. Klasse!
Weil dauerhafter Erdgasbetrieb aber 1991 weder genehmigt noch der Kohlekessel hierfür konzipiert und gebaut ist, mussten 2020/21 erst Erdgas-Versuche gemacht werden Die Versuchsergebnisse sind nicht veröffentlicht, Sicherheitsbedenken des TÜV-Süd bis heute nicht ausgeräumt. Ja, heute ist Gas-Nutzung in bestimmten Betriebszuständen erforderlich Aber dauerhafter Erdgasbetrieb: Das kann der bisherige Kohle-Block nicht. Deshalb soll er nun für zehn Millionen Euro oder mehr umgebaut werden. Dass der Umbau Gas-in-Kohle ab Mai/Juni 2024 dann, wie die SWM sagen, innerhalb der bisherigen Genehmigung erfolgen könne, – so als habe es die neue Technik schon vor 30 Jahren gegeben – diese Aussage der SWM ist nicht nachprüfbar: Weder der Genehmigungsbehörde, noch der Nachbargemeinde Unterföhring, dem Stadtrat oder der Öffentlichkeit liegen entsprechende Unterlagen und Pläne vor. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen haben sich deshalb offiziell an die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde gewandt, hier gegebenenfalls rechtlich einzugreifen.
Der Umbau des Kohleblocks auf Erdgas mit anschließend bis zu hunderprozentiger Gas-Fahrweise kann ohne Lastbegrenzung auf 38% wie derzeit bei Kohle und mit von den SWM geplanter Betriebslaufzeit zunächst bis 2035 – also über das Ende der Systemrelevanz 2027/8 hinaus – bis zu einer Vervierfachung der CO2-Emissionen gegenüber Kohle führen.
Block zwei wird nicht gebraucht
Die SWM behaupten, Block 2 werde im Winter für Wärmeerzeugung gebraucht. Fakt ist aber, dass der TÜV-Süd in einem von der Stadt beauftragten Gutachten 2019 festgestellt hat, dass der Block 2 für die Stromversorgung Münchens irrelevant ist und für die Wärmeversorgung nur im Notfallerforderlich ist – und zwar nur dann, wenn die Temperaturen mehrere Tage -16oC messen und zugleich das gesamte HKW Süd ausfällt. Das ist noch nie vorgekommen. Für den Regelbetrieb sind ausreichend andere fossile oder Geothermie-Wärmeanlagen in Betrieb – auch im Winter. Block zwei wird für die Wärmeerzeugung nicht gebraucht. Deshalb könnte der Block zwei auf Gas umgebaut und dann in „Warm-Standby-Betrieb“ gehalten und müsste nur in Notfällen hochgefahren werden. Die Kosten hierfür würde gar der Stromnetzbetreiber zu tragen haben, nicht die Münchner Kund:innen. Warum will der Stadtrat aber das von ihm selbst beauftragte TÜV-Gutachten nicht zur Kenntnis nehmen? Etwa, weil es den SWM nicht „schmeckt“?
Die Stadtwerke beabsichtigen indes neben Gas- doch auch noch Kohle-Verbrennung möglich zu machen – trotz eines Bürgerentscheides zur vorzeitigen Abschaltung des Blocks 2017 und ohne Stadtratsbeschluss. Ansonsten wiegeln sie ab, bezeichnen sich als „Gestalter der Energiewende“ und sagen, sie nähmen den Klima-Bürgerentscheid von 2017 „sehr ernst“. Sie versprechen, sie würden die Fahrweise des Erdgasblocks niedrig halten wollen. Doch was heißt das konkret? Es ist eine schwammige Formulierung.
Wenn bei Kohle eine Begrenzung auf 38 Prozent Auslastung reicht, warum dann nicht auch eine gleiche Begrenzung bei Erdgas per Stadtratsbeschluss? Oder noch besser eine Verpflichtung zum sogenannten Warm-Standby für Engpässe? Wenn – rechtlich und faktisch – die Kohleverbrennung 2027/28 enden kann, warum soll die Gasverbrennung bis 2035 ermöglicht werden?
Trotz des vom Stadtradt verhängten Klimanotstands und trotz der anvisierten Klimaneutralität der städtischen Verwaltung bis 2030, scheinen finanzielle Gewinne der SWM wichtiger als Klimaschutz.
Eine deutliche Begrenzung des neuen Erdgas-Kraftwerks durch Stadtrat, steht derzeit nicht auf der Tagesordnung. Dagegen wehren wir uns mit aller Kraft – öffentlich, politisch, wenn nötig auch rechtlich. Wir fordern alle Engagierten auf: Bitte aktiv Mithelfen beim Klimaschutz!
Helmut Paschlau, 71, engagiert sich im Netzwerk Saubere Energie und Fossil Free München für eine nachhaltige, klimagerechte Gesellschaft. Er war von 2014 bis 2020 Vorstand der Umweltakademie in der Energiekommission der Stadt München. Der studierte Klimaökologe verantwortete als kaufmännischer Projektleiter auch eine Zeit lang den Bau des Heizkraftwerks Nord.
Foto: Klara Berz