Kultur

“Geld, Gewalt, und die alltägliche Dummheit”.

Thomas Steierer

oben-ohne

Der Münchner Kabarettist Christian Springer, bekannt als grantelnder Kassenwart von Schloss Neuschwanstein „Fonsi“, moderiert mit Michael Altinger das BR-Kabarettformat „Schlachthof“.
Im Interview spricht der 49-Jährige, im vergangenen Jahr mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet, über „Oben ohne“, sein erstes Bühnenprogramm seit über 10 Jahren ohne „Fonsi“ (14. und 15. Mai sowie 27. Juni in der Lach-und Schießgesellschaft), seine Nockherberg-Erfahrungen und sein ehrenamtliches Syrien-Engagement.

Worum dreht sich „Oben ohne“, Ihr erstes Programm seit längerem ohne die Bühnenfigur „Fonsi“?

Der Titel des neuen Programms „Oben ohne“ ist in mehrfacher Hinsicht wörtlich zu nehmen. Wer jetzt aber hofft, ich mache mich obenrum frei, ist falsch gewickelt, es geht nicht um FKK.

Sondern?

Ich trete „oben ohne“ auf, also ohne Fonsi- Mütze auf, die kommt nämlich in die Dauerreinigung, Das Programm wird politischer als bisher. Wie unser Leben auch. Es geht um Geld, Gewalt, und die alltägliche Dummheit.

Dreht sich Ihr neues Programm auch um Bayern?

Ich gehe in „Oben ohne“ auch der Frage nach, was wäre, wenn die bayerische Geschichte ganz anders verlaufen wäre. Bayern lebt von Mythen. Was wäre Bayern ohne König Ludwig II., Oktoberfest, Wildschütz Jennerwein?

Inwiefern ist der Programmtitel politisch wörtlich zu nehmen?

„Oben ohne“ geht auch auf den Kampf mit der Obrigkeit ein, mit denen „da oben“, wo wir „unten“ immer weniger zu sagen haben und unsere Meinung kaum berücksichtigt wird. Angesichts des Trends, dass ein Skandal vom nächsten abgelöst wird, weiß man schon nicht mehr, ob diese Skandale und Skandälchen absichtlich gesät werden, damit wir das größere Ganze vergessen.
Gleichzeitig habe ich mein neues Programm auch mit Quatsch und Schmarn unterfüttert, so dass „Oben ohne“ ein unterhaltsamer Abend wird -vor allen Dingen auch für mich.

Sie haben sich vom populären „Fonsi“verabschiedet, den Sie vor 15 Jahren zum Leben erweckt haben. Warum?

Der „Fonsi“ ist 1999 auf dem Oktoberfest entstanden, er hat mich toll begleitet und ich mag ihn auch sehr. Seit einiger Zeit ist der Springer im „Fonsi“ stärker geworden ist. Sehr viel, was ich zuletzt als „Fonsi“ auf der Bühne gemacht habe, hätte auch vom Springer kommen können.

Fühlen Sie sich gewissermaßen entblößt „“Oben ohne“?

Jetzt lege ich die Uniform der Kunstfigur ab, die für einen Künstler ja auch immer ein Schutz ist. Und vor allem: Ich kann doch nicht immer auf der Bühne stehen und von den anderen verlangen, dass sie sich ändern und selbst immer gleich bleiben.
Seit einem Jahr stehe ich mit Michael Altinger als Gastgeber des BR-Kabarettformats „Schlachthof“ bereits ohne „Fonsi“ auf der Bühne. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, dies auch im Rahmen eines neuen Soloprogramms auszuprobieren.

Wie ist das neue Programm entstanden?

Das meiste ist zu Hause am Schreibtisch entstanden, bevor ich den Text dann auf Vorpremieren ausprobiert habe. Das Programm ist zum Zeitpunkt der Vorpremieren keineswegs fertig, das dortige Publikum entwickelt das endgültige Programm mit.
Denn vieles entsteht erst live.

Der „Fonsi“ war im TV regelmäßig präsent, Sie sind es als Gastgeber im monatlichen BR-Format „Schlachthof“. Welche Rolle in Ihrem Wirken spielt Fernsehpräsenz?

In der heutigen Zeit kommt kein erfolgreicher Kabarettist mehr an Präsenz in Fernsehen, Radio und Internet vorbei. Das ist auch in Ordnung.
Man muss etwas anders arbeiten im Fernsehen, man hat weniger Zeit. Auf der Bühne kann ich auch mal zehn Sekunden nichts sagen und nur schauen, das können die Leute lustig oder spannend finden.
So mancher Fernsehredakteur würde in dieser Situation wohl einen Herzanfall bekommen.

Und auf der Bühne?

Bühne hat eine andere Dynamik. Auf der Bühne hingegen kann man die Leute live mitnehmen, von den lauten, schnellen wieder in die langsamen, leisen Momente schwenken.

Nach Bayerischem Kabarettpreis sowie Münchner Kabarettpreis im vergangenen Jahr: Gab und gibt es auch mal Gegenwind?

Zweifel, den eingeschlagenen kabarettistischen Weg weiterzuverfolgen, hatte ich ehrlich gesagt nie. Sicherlich gibt es immer mal wieder verheerende Kritiken. Aber wenn man sich nach vielen Bühnenjahren von so etwas aus der Ruhe bringen lassen würde, dann hätte man auf der Bühne nichts verloren.

Wie ordnen Sie die beiden Preise im vergangenen Jahr ein?

Dies freut mich unglaublich. Gleichzeitig habe ich viele Bühnenjahre auch ohne Preise gut hinter mich gebracht.

Anlässlich des Nockherberg-Derbleckens Mitte März, im Vorfeld hat sich kurzfristig der als Seehofer-Double vorgesehene Wolfgang Krebs zurückgezogen: Wie stehen Sie im Nachhinein zum Nockherberg-Aus mit Christian Lerchenberg als dessen Co-Autor im Jahr 2010?

Der Nockherberg wäre nicht der Nockherberg, wenn es nicht Wochen vor der Veranstaltung Skandal-Überschriften in der Münchner Presse gäbe. Davon lebt der Nockherberg, da muss etwas los sein, da muss es im Ensemble krachen.

Sie selbst waren diverse Male am Nockherberg aktiv.

Persönlich und beruflich habe ich viele Erinnerungen an der Nockherberg, wo ich als Kind vor 1200 Leuten Zitter gespielt und als Jugendlicher Franz-Josef Strauss bei einer CSU-Veranstaltung mit zwei Eiern beworfen habe und dann verhaftet worden bin.
Obwohl die Eier ihr Ziel verfehlt haben, hat mich Strauss damals persönlich angezeigt wegen Körperverletzung.

Nachdem Sie seinerzeit mit Hausverbot belegt worden sind, sind Sie einige Jahre später beruflich zurückgekehrt.

Ich bin im Jahr 2000 als Co-Autor für das Singspiel engagiert worden und bin zudem als Erzengel in Minirock und Dauerwellenperücke auf der Bühne gestanden -das war großartig. Die Arbeit als Co-Autor von Michael Lerchenberg als Fastenprediger „Bruder Barnabas“ schließlich mussten wir nach drei Jahren 2010 beenden -übrigens nicht auf Druck der Brauerei, sondern seitens Politikern im Publikum.

Nach über 30 Jahren im Kabarett: Was war und ist Ihre Motivation?

Dies hat sich im Lauf der Jahre verändert, weil ich mich als Person verändert habe. Ich glaube, dass ich ernsthafter geworden bin. Ich rede auf der Bühne mehr über mich und die echten Belange. Ich sage: Ich habe auch keine Lösung, aber so ist es – auf unterhaltsame Weise vorgetragen. Ich bin ja kein Nachrichtensprecher.

Sie sind auch außerhalb des Kabaretts aktiv, engagieren sich in Krisenregionen wie Syrien.

Ich habe einen Verein gegründet, „Orienthelfer e.V.“, wir helfen syrischen Flüchtlingen und werden auch von den „Sternstunden“ des BR unterstützt. Wir sind mit fünfzehn Leuten ein kleiner Verein, aber jeder bringt sich nach seinen Kräften ein.

Wie ist die Situation momentan in Syrien?

Nach drei Jahren Bürgerkrieg in Syrien herrscht dort eine humanitäre Katastrophe. 10 Millionen Menschen sind auf der Flucht, ohne jeglichen Besitz.
Ich war 30-mal in Syrien bevor dieser Krieg ausgebrochen ist, ich kenne die Region sehr gut. Es ist äußerst schmerzlich, diese Katastrophe mitanschauen zu müssen. Dass Leute die ich gekannt habe, umkommen, Kinder aufs grausamste verstümmelt sind.

Was haben Sie zuletzt an Hilfsmaßnahmen organisiert?

Gerade haben wir sieben auch seitens der hiesigen freiwilligen Feuerwehren gespendete Feuerwehrfahrzeuge in die zweitgrößte Stadt in Syrien, Aleppo, gebracht, die ständig bombadiert wird und nur zwei intakte Löschfahrzeuge hatte.

Ist dieses Engagement Ihrerseits, bei dem Sie praktisch Menschen helfen, quasi auch ein Aktivwerden versus den Wirkungsgrenzen im in Theorie verharrenden Kabarett?

Jeder Kabarettist, der glaubt mit zweimal 45 Minuten an einem Abend die Welt zu verändern, der hat meiner Meinung nach den Beruf verfehlt. Es wird nicht klappen und mit einer anderen Erwartungshaltung wird man zwangsläufig frustriert werden.

Was ist Ihr Anspruch anstatt Weltrettung?

Ich wollte nie mit Kabarett die Welt retten. Aber wenn man die Leute für bestimmte Themen begeistern und Interesse wecken kann, aber auch wenn während dem Kabarettbesuch für einen Abend ist mal das Handy ausgeschaltet ist und man einmal nicht vor dem Fernseher hockt -dann ist damit schon viel gewonnen.

Vor ihrem 50. Geburtstag am Silvester 2014: Haben Sie Ziele, Wünsche, Träume für die Zukunft?

Dass das Blutbad in Syrien aufhört, wäre schon ein Herzenswunsch -aber das ist wahrlich leider nicht in meiner Gewalt -da bleibt nur die Hoffnung.
Ich bin römisch-katholisch, lebe aber buddhistischer als ich sein will -und zwar im hier und jetzt.
Jetzt hoffe ich auf eine schöne Premiere von „Oben ohne“, dass das neue Programm dem Publikum gefällt. Dafür haue ich mich richtig rein!

Foto: Günter Schmied.

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