Nach(t)kritik

Genie des Wahnsinns

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Ein Abend hinter Kunstblut, Masken, Schweiß und Bier.

Samstag, 18 Uhr, im Backstage München. In 2 Stunden geht er los, der Rock´n´Roll Wrestling Bash. Carlos Martinez, Mastermind hinter der wohl trashigsten Satireshow, die man sich vorstellen kann, findet die Zeit für ein kurzes Interview.

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Was ist der Bash? Wie kommt man auf eine solche Idee? Wie entstehen Figuren wie Boris the Butcher, der menschenfressende Metzger, Nazikriegsverbrecher Hans Georg von Schweinler oder Pedro Poo, der hält, was sein Name verspricht?
Der Rock´n´Roll Wrestling Bash ist eine Mischung aus Mexican Wrestling (Lucha Libre), Livemusik, Soap und Satire – und zwar auf alles und jeden. Kämpfer aus fremden Galaxien tragen im Ring ihre seit Urzeiten dauernden Fehden aus. Unter den Masken der Kämpfer stecken mittlerweile tatsächlich trainierte Wrestler, die hier allerdings auch die Kunst beherrschen müssen, so auszusehen als wären sie es nicht. Namen dürfen hier leider nicht erwähnt werden, da genau dies das Mysterium der Show ausmacht. Wer sich allerdings ein bisschen in der Szene auskennt, hat die meisten Namen schnell herausgefunden…

Carlos Martinez, der Erfinder des Wrestling Bashs, nahm sich die Zeit, vor der Show Frage und Antwort zu stehen und so einen Blick hinter diese außergewöhnliche Form der Unterhaltung zu gewähren. Was Anfang der 2000er eigentlich eher zufällig entstand um schnell Geld zu beschaffen für ein eigenes Plattenlabel zu starten, läuft nun mit wachsendem Erfolg im 10. Jahr. Wie reagiert Herr Martinez auf die Kritik, er ziehe das Wrestling durch den Dreck?
„Gar nicht. Früher habe ich mich aufgeregt darüber. Wir wurden richtig gedisst. Es war nie meine Intension das Wrestling in den Schmutz zu ziehen. Davon abgesehen haben wir uns immer am Lucha Libre orientiert. Aber wie gesagt, früher habe ich mich aufgeregt, mittlerweile sind wir allerdings mit so etablierten Namen ausgestattet und die sportliche die Qualität ist so hoch, dass wir uns da wegen solcher Kritik nicht mehr den Kopf zerbrechen. Wir bieten den Leuten eine gute Show. Wer in seiner eigenen kleinen Welt bleiben will, der soll da bleiben. Es kommen immer mehr richtige Wrestlingfans zu der Show, da sind für uns keine Fragen mehr offen.“

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Punkt. Wrestling ist Entertainment. Der Rock´n´Roll Wrestling Bash ist das Ganze noch einmal verfeinert mit Musik, halbnackten Tänzerinnen, Charakteren, die mit Blut um sich spritzen. „Dadurch, dass wir nicht den klassischen Weg gehen, ziehen wir Leute zu den Shows, die vorher vielleicht nichts mit Wrestling am Hut hatten. Und wenn die am Ende sagen, wie geil der Kerl vom Seil gesprungen ist und sich dafür interessieren, tut das letztendlich doch dem Business gut.“ Immer mehr stellt sich bei dem Interview die Frage „Genie oder Wahnsinn?“ Wer eine solche – mit Verlaub – dreckige, trashige und  versaute Show mit absolut widerlichen Charakteren aus dem Hut zaubert, der muss schon ein bisschen wahnsinnig sein – oder ein kreatives Genie. Oder beides. Bei Carlos dreht sich 24/7 alles um die Show. Ein Abschalten gibt es nicht mehr. Er bietet stattdessen den Leuten während der Show die Möglichkeit abzuschalten, lädt sie in seine Welt ein um den Alltag für ein paar Stunden zu vergessen. An diesem einen Abend kann man all seine Sorgen vergessen, sich über alles und jeden lustig machen und kaputtlachen. „Der Rock´n´Roll Wrestling Bash ist daher mein Abenteuerspielplatz, auf dem ich mich kreativ austoben kann wie ein Geistesgestörter.“ Während seine Mutter immer an den quirligen Kölner geglaubt hat, war seine restliche Familie anfangs eher skeptisch. Erst als der Erfolg kam, waren auch sie überzeugt.
Langsam geht dieses von Leidenschaft geprägte Interview zu Ende, die Wrestler begeben sich unter die wortwörtliche Maske und die Bands spielen sich warm. In Kürze fängt die Show an.

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Last one dying und From Constant Visions heizen den Leuten ein bevor El Brujo und sein Gorchestra die Bühne entern und Showmaster Dirty Old Man den ersten Kampf ankündigt.

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Die Zuschauer stehen um den Ring, schlagen mit den Händen auf die Matte. Man fühlt das Adrenalin, den Bass. Man riecht den Schweiß. Headcrusher kommt durch den Vorhang, gefolgt von seinem wesentlich zierlicherem Gegner Fireball, der durch die Luft fliegt als kenne er keine Schwerkraft.

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Es folgen noch weitere Matches und Schlachten, in denen Boris the Butcher mit Kunstblut und Fleisch um sich wirft, Pedro Poo seinen Gegner mit Exkrementen jagd und El Brujo seinen Titel in einem Tag Team Match verteidigt. Keine Show für Tussis, Pussys, Zimperliesen und Schickimickies… Denn der Zuschauer kriegt auch ordentlich was ab, darf keine Berührungsängste kennen.

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Und so verlässt man die Show zufrieden, mit einem Hochgefühl, vollgepumpt mit Adrenalin, aber möglicherweise auch überschüttet mit Bier, getroffen von Blut und Schweiß und auch mit dem dementsprechendem Geruch… Der Wahnsinn hat für diesen Abend ein Ende… und zieht weiter in die nächste Stadt…

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Fotos: Katrin Moritz

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