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Handgemacht: les plus cool Handtaschen aus der Türkenstraße

Die Persönlichkeit einer Stadt wird geprägt von den Menschen die in ihr leben und arbeiten.
Unser München ist bunt und vielfältig, auch Dank der vielen Menschen, die hier ihrem kreativen Handwerk nachgehen und in ihren Läden, Ateliers und Showrooms präsentieren, was München macht.

Als ich “l’atelier” in der Türkenstraße betrete, befinde ich mich in genau so einem Laden, in dem man die kreative Energie förmlich spürt. Begrüßt werde ich nicht nur von der in Frankreich geborenen Künstlerin und Designerin Justine Nessi und ihren Taschenkreationen, die überall im Laden zu sehen sind, sondern auch von Anton, dem schwarzen Labrador (der auf eine weitere Hand die ihn streichelt gewartet zu haben scheint).

Mit “l’atelier” hat sie sich, so erzählt mir Justine Nessi, den Wunsch erfüllt, eine Werkstätte mit Schaufenster zu eröffnen, um den vorbeilaufenden Passanten und Ihren Kunden einen Einblick in Ihr Handwerk und somit Ihre Leidenschaft zu gewähren: das Kreieren von Taschen. Gemeinsam setzen wir uns auf die schmale Bank vor Ihrem Laden, die nach langen Abenden mit gutem Wein und interessanten Gesprächen aussieht. Sie erzählt mir von ihrem Werdegang, ihrem Studium der Architektur in Paris, ihrem Umzug nach Süddeutschland mit ihrem Mann und der Neuorientierung in ihrer Karriere nach der Geburt ihrer drei Kinder. Ihr habe schnell das Kreative gefehlt und nach ihrer Leidenschaft, dem Malen, kam eines Nachts die Lust, mit Leder zu arbeiten.

Als das Leben ihr dann ermöglichte, nach München zu kommen, beschloss sie ihr Handwerk, das sie nach ihrer Ausbildung in Italien lange eher im Privaten perfektioniert hat, in einem eigenen Laden zu praktizieren.

„Ich finde das Handwerk verbindet mit der realen Welt. Wie die Dinge gemacht werden und die Zeit, die in sie gesteckt wird. Am Ende ist das handwerkliche der richtige Luxus geworden“

“Es war immer meine Idee, diese Liebe zum Handwerk zu teilen und daher ein Laden mit Schaufenster, dass man meine Nähmaschine und mein Werkzeug sehen und verfolgen kann, wie eine Tasche entsteht. Ich lege sehr, sehr viel Wert auf Handwerk und finde es wirklich wertvoll. Leider verschwindet es immer mehr”.

MUCBOOK: Du hast betont, wie wichtig du den Prozess bei der Herstellung einer Tasche findest. Kannst du uns gedanklich durch die Entstehung einer Tasche führen?

Nessi: Das ist immer sehr verschieden. Meist beginnt es mit einer Idee und am Ende entsteht eine ganz andere Tasche. Was sehr gut ist, ist der Kontakt mit den Menschen die in den Laden kommen. Schlussendlich ist ein Objekt, das man entwickelt, egal ob Tasche, Tasse oder Teller, eine Mischung aus dem ästhetischen Stil, dem handwerklichen Aspekt und eben auch was die Leute wollen. Bei mir als kleine Produktion und unabhängige Künstlerin haben die Farben immer eine extrem große Rolle gespielt und ich habe die Freiheit, eben da ich eine kleine Produktion habe, mit besonderen Farben und Ledern zu arbeiten. Ich glaube, daher ist mein Handwerk und meine Marke etwas besonderes.

Durch Ihre kleine Produktion hat die Designerin die Freiheit, einzigartige Taschen zu kreieren. Große Modeketten können schlicht wegen der enormen Produktionsgröße keine außergewöhnlichen Materialien und Designs produzieren.

“Die kleinen Läden erhalten die Menschlichkeit und schenken dem Viertel Leben. Man kommt in Gespräche und ist nicht nur ein Geldbeutel” 

MUCBOOK: Das passt sehr gut zu der nächsten Thematik, die ich ansprechen möchte. München ist auf der einen Seite des Budgetspektrums stark geprägt von den globalen Modeketten auf der Kaufinger Straße und auf der anderen Seite von der Luxuswelt, die in München ebenfalls sehr präsent ist. Welche Bedeutung haben deiner Meinung nach kleine Läden und Ateliers, in denen kreative, unabhängige Künstler ihr Können präsentieren, für die Stadt?

Nessi: Im Bezug auf die gängigen Marken ist München nicht anders als andere Großstädte in Deutschland und das ist schade, weil so im Prinzip alle Städte total gleich aussehen. Ich finde das ein bisschen langweilig und auch vom Preis schwierig, geschweige denn von der Fairness der Produktion. Ich finde tatsächlich, dass zum Beispiel in der Maxvorstadt und im Glockenbachviertel die kleinen Läden die Menschlichkeit erhalten und dem Viertel Leben schenken. Man kommt in Gespräche und ist nicht nur ein Geldbeutel.

“Ich wünsche München sehr, dass es sich in dieser Hinsicht noch weiter entwickelt.”

MUCBOOK: Viele Menschen, die den Mut haben, sich selbstständig zu machen und einen kleinen Laden zu eröffnen, stehen dann vor dem allseits bekannten Problem der extrem hohen Mietpreise in München. Mucbook hat bereits über diese Thematik berichtet und ist ebenfalls auf die Problematik hinter dem Konzept der Pop-Up Stores eingegangen. Was sind deine Gedanken und Gefühle zu diesem Thema?

Nessi: Leider sind die Mieten extrem hoch, das ist für kleine Marken sehr kompliziert und man kämpft schon. Es ist ja leider nicht so, dass man einen Laden aufmacht und hops kommen die Kunden. Man braucht Zeit, um auf sich aufmerksam zu machen und diese Zeit hat man meistens nicht. Kleine Läden haben ja auch nicht die Mittel und Möglichkeiten, viel in Marketing zu investieren. Auch Pop-Up Stores sind eher schwierig, man hat kaum Zeit und für Marken, die aufwendig und teuer Produziertes verkaufen, ist ein Pop-Up Store keine optimale Lösung. Ich habe Riesenglück eine Vermieterin zu haben, die etwas Besonderes wollte und eben keinen Pop-Up Store oder Café.

“Eine schöne Tasche ist immer eine Sammlung aus schönen Details” 

Umgeben von so vielen Taschenkreationen komme ich nicht darum herum zu fragen, wo Justine Nessi die Inspiration hernimmt. Sie antwortet, dass sie ihre Inspirationen oft auf Münchens Straßen und auf Flohmärkten findet. Oftmals seien es kleine Details einer Tasche die sie entdeckt und faszinierend findet. Diese Details entwickele Sie in neuem Konzept weiter und kombiniert so verschiedene Elemente.

MUCBOOK: Du hast vorhin die Fairness der Produktion angesprochen. Ethische Produktion gewinnt immer mehr an Bedeutung für Konsumenten und Produzenten. Legst du ebenfalls Wert darauf, bei deiner Produktion ethisch zu handeln?

Nessi: Ja, ich habe das Glück bei einer Gerberei im Elsass einzukaufen, die extrem schönes und fair produziertes Leder verkauft. Viele kleinere Produktionen haben das Problem, dass Großhändler meist nur an große Unternehmen verkaufen wollen.

“Man muss Glück haben und viel ausprobieren, bis man eine gute Lösung findet. Es ist nicht leicht, aber man muss einfach kämpfen”

MUCBOOK: Dann kann man ja nur hoffen, dass noch viele kreative Menschen den Mut aufbringen, einen Laden in München zu eröffnen. Zu guter letzt: Du als Pariserin kommst ja aus einer Stadt, die als kultureller Mittelpunkt Europas gesehen wird und es gibt unzählige Artikel darüber, was Paris als Stadt ausmacht. Was macht denn für dich München aus?

Nessi: Für mich ist München eine Stadt mit einer unheimlich hohen Lebensqualität, eine der höchsten die ich kenne. Es ist so entspannt hier, trotz der Größe. München hat so ein hohes kulturelles Niveau. Ich weiß gar nicht, ob sich die Münchner dessen eigentlich bewusst sind.

“Ich glaube, für mich müsste es in München noch mehr Platz für kleine, individuelle und kreative Sachen geben, so etwas bringt einer Stadt einfach Persönlichkeit und man merkt auch, dass in den Teilen der Stadt, in denen das hier möglich ist, eine besondere Energie herrscht. Ansonsten ist es hier schon ziemlich perfekt.” 

Vielen lieben Dank an dieser Stelle an Justine Nessi für das Interview.

 

Falls du Justine Nessis Atelier besuchen möchtest oder mehr Informationen suchst, findest du Sie hier:

Justine Nessi – L´Atelier – Türkenstrasse 76 – 80799 München


Fotos: © Lisa Drössel