Kinogucken

Hysterischer Frühling

Thomas Empl

Am 2. Februar 2011 ließ der damalige ägyptische Präsident Husni Mubarak auf dem Tahrir-Platz eine Demonstration der Revolutionäre gewaltsam niederschlagen. Die Amateuraufnahmen, die zeigen, wie Reiter auf Pferden und Kamelen durch die fliehende Menge reiten, gingen um die Welt. Der Regisseur Yousry Nasrallah verwendet diese Bilder als Ausgangspunkt für seinen fiktionalen Film „Nach der Revolution“. Er vermischt Dokumentaraufnahmen mit Spielfilmszenen und will so das schwierige Los eines geteilten Landes und die unterschiedlichen Standpunkte zur Revolution aufzeigen.

Reiter

Und wirklich, die Aufnahmen, die jeder noch vor Kurzem aus den Nachrichten kennt, entwickeln eine Wucht, die einen mitreißen könnte. Nur reicht ein interessanter zeitgeschichtlicher Hintergrund schon für einen interessanten Film?

Vor diesem Hintergrund zeigt Nasrallah zwei Hauptfiguren. Die junge, wohlhabende, attraktive Reem setzt sich politisch für die Revolution und die Rechte der Frauen ein; und verliebt sich dann ausgerechnet in einen der Reiter, die auf dem Tahrir-Platz gegen die Demonstranten in den Kampf geschickt wurden: Den verheirateten Mahmoud, der mit seiner Familie in ärmlichen Verhältnissen lebt.

Warum das so plötzlich auf den ersten Blick passiert, wird nicht ganz klar, denn es herrscht wirklich kein bisschen Chemie zwischen den beiden Schauspielern. Schlimmer noch: Keinem von beidem schaut man danach gerne zu, wie er durch sein Leben geht. Stattdessen wird viel geschrien. Sehr viel. Reem entpuppt sich sogar als eine der cholerischsten Protagonistinnen der jüngeren Filmgeschichte. Mit weit aufgerissenen Augen schreit sie abwechselnd ihren Ex-Mann, ihre Freundinnen, ihre Affäre, die Ehefrau ihrer Affäre, Lehrerinnen, Schulkinder, Autofahrer und Kollegen an. Würde man ein Trinkspiel spielen und jedes Mal zum Glas greifen, wenn Reem jemanden niederbrüllt, man wäre nach 20 Minuten sturzbesoffen.

Ist diese moralische Institution, die allen die Welt erklärt, endlich mal ruhig, schreien sich halt die Eheleute an. Oder aneinander vorbei. Ja, es gibt kurze Momente, in denen aufblitzt, wie mächtig das Kino eigentlich bei der Aufarbeitung so naher Ereignisse sein kann. Doch sind all die Liebesdreiecke, Familienstreitereien und Schulhofprügeleien wirklich anstrengend anzusehen, wozu das ständige Kameragewackel, das wohl die Amateurvideos simulieren soll, auch noch beiträgt.

Wollte der Regisseur zeigen, dass eine Revolution eine chaotische Angelegenheit ist, dann ist ihm das gelungen. Was er mit der Geschichte, die in die reale Vergangenheit eingepflanzt wurde, noch dazu sagen wollte, geht leider in all der tösenden Hektik unter.

Noch-lächelt-sie

(“Nach der Revolution” läuft ab diesem Donnerstag, den 30.05., im Kino)

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