Kultur, Live

“Irgendwie war’s immer Hamburg” – Interview mit Spaceman Spiff

Anika Landsteiner

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Spaceman Spiff, das ist Hannes, der mittlerweile vollkommen zu Recht im Bus von fremden Menschen hinter großen Zeitschriften als “einer der wichtigsten Singer-/Songwriter Hamburgs” betitelt wird. Sein drittes Album “Endlich nichts” erscheint am 10. Januar 2014 beim Grand Hotel Van Cleef, danach geht es gleich auf Tour. Stop in München: 25. August, Ampere!

Ich habe vorab schon mal reingehört und muss darf sagen, dass das Album (erneut) ein bisschen so ist, wie nach Hause kommen. Die ein oder andere Liebe auf den ersten Blick versteckt sich zwischen den Songs, die man erstmal beschnuppern muss, bevor man sich in sie verguckt. Genauso rund und voller Poesie, wie seine vorangegangene Arbeit – das ist doch das schönste Kompliment, wenn ein Künstler seinen Wiedererkennungswert wahrt.

Und weil ich den lieben Hannes aus den Zeiten kenne, in denen er in der Fußgängerzone “Wonderwall” gespielt hat, war es dringend nötig, sich an Weihnachten im einzig offenen und herrlich-ländlichen Café unseres Heimatortes zu treffen. Wir haben mit unserem Interview und den Fotos ordentlich Staub von den älteren Herrschaften weggepustet.

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anidenkt.: So, Hannes. Wir sitzen hier in diesem grandiosen Oma-Café und haben uns wirklich seit sieben Jahren nicht gesehen! Wie geht es dir?

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: Sehr gut. Blendend!

Blendend, weil…?

Weil gerade der Stress, der mit einer Albumveröffentlichung zusammenhängt, abflacht und ich nun das machen kann, was man eigentlich als Musiker macht: Konzerte spielen. Und nicht die ganze Zeit Leute zu koordinieren und Telefonanrufe beantworten.

Dein neues Album heißt „Endlich nichts“. Eine spirituelle Einsicht?

Eine spirituelle Einsicht… hmm, nicht wirklich. Ich habe eigentlich nur eine Überschrift gesucht! Ich hatte mir ja eine kleine Auszeit genommen und mich viel damit beschäftigt, wie die Leute sich hierzulande stressen und unter Leistungsdruck leiden, obwohl wir doch Wohlstandsland Nummer Eins sind und es uns doch eigentlich gut gehen müsste. Dementsprechend befasst sich das Album damit, wie man sich nach Entschleunigung sehnt und wie man die erreicht.

Deine „kleine Auszeit“ hast du rund um die Welt verbracht, u.a. drei Monate in Neuseeland. Inwiefern hat diese Reise Einfluss auf das neue Album genommen?

Eigentlich gar nicht so viel. Ein paar der Lieder sind schon vorher entstanden, ein paar danach. Eigentlich bin ich nicht auf Reisen gegangen, um mich inspirieren zu lassen, sondern war wirklich gewillt darum, Pause zu machen. Ich hatte drei Jahre nur Musik gemacht, da dreht sich einfach sehr viel um einen selbst und ich musste mal wieder herausfinden, was eigentlich noch von mir übrig bleibt, wenn ich dieses „spaceman-spiff-Konstrukt“ wegnehme…

…und was ist übriggeblieben?

Da war noch jemand, tatsächlich! (lacht)
Ich hatte eine kleine Gitarre dabei für alle Notfälle, die ich das erste Vierteljahr nicht angefasst habe. Aber dann kam es über mich und ich habe in einer Woche vier Songs geschrieben.

Sind die auf dem Album?

Ja, drei davon. Ein Drittel sind Neuseelandlieder.

In „Teesatz“ kann man von deinem abgebrochenem Studium hören, habe ich das richtig herausgehört?

Es geht eigentlich gar nicht um mein abgebrochenes Studium. Ich kenne mehrere Leute, die ein oder zwei Studiengänge abgebrochen haben… ich denke, jeder kennt jemanden.

Ja! Trotzdem die Frage, weil du ja selbst dein Studium abgebrochen hast: Wann war der Punkt, an dem du beschlossen hast, professionell Musik zu machen?

Das ist eigentlich gar nicht mit dem Studienabbruch einhergegangen. Das war noch in Würzburg, als ich ganz viele Konzerte veranstaltet und in Clubs gearbeitet habe. Ich hatte eigentlich schon aufgegeben, von meiner eigenen Musik zu leben. Eigentlich habe ich das Studium abgebrochen, um nach Hamburg zu ziehen, weil die Szene von Konzertveranstaltern und Labels viel größer ist. Kurz davor ist – mehr oder weniger aus Versehen – mein erstes Album entstanden, weil ich mir viele Gedanken gemacht habe: was willst du machen, wo willst du eigentlich hin…? Das habe ich dann Song-mäßig ausgekotzt und das hat überraschend gut funktioniert in Hamburg. Internetblogs haben es gepostet und ich habe Konzerte gespielt. Ich dachte mir dann, naja, jetzt biste jung genug, um auf die Schnauze zu fallen, also probierst du es einfach mal. Es ist dazu gekommen, dass ich seit fünf Jahren von der Musik lebe. Hat mich auch selbst überrascht (lacht).

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Sag mal, warum eigentlich Hamburg und nicht Berlin?

Inzwischen ist es nicht mehr so, aber vor Berlin hatte ich immer Angst (lacht). Es war mir immer zu groß. Der erste Schritt war dann, dass ich einmal mit der Ringbahn außen herumgefahren bin. Damit hatte die Stadt ihre Grenzen gehabt, da war ich schon mal wesentlich beruhigter. Das zweite einschneidende Erlebnis war dann, als ich auf dem Weg nach Potsdam in der S-Bahn ein Mädchen kennengelernt habe und wir irgendwie ins Gespräch gekommen sind. Vier Tage später habe ich sie zufällig auf der Straße in Friedrichshain getroffen und da dachte ich mir: Wenn so was in Berlin geht, dann kann’s ja nicht so schlimm sein!
Jetzt habe ich mein Album in Kreuzberg aufgenommen und in Neukölln gepennt und war in dem Bereich unterwegs. Seitdem kann ich mir sogar vorstellen, dass ich vielleicht irgendwann dort mal leben kann. Wobei Hamburg schon immer eine Traumstadt war. Irgendwie war’s immer Hamburg.

Mein Lieblingslied ist „Hamburg“! Das habe ich viel gehört, als ich selbst dort war. Der Song zeigt die Schattenseiten von neuen Anfängen. Jetzt bist du wieder zurück im Norden – was hat sich im Bezug zu damals verändert?

Damals bin ich alleine dort hingezogen, habe fast niemanden gekannt und da ich weder studiert noch in einem Beruf war, bin ich auch nicht automatisch in ein Umfeld gekommen. Das war harter Tobak. Jetzt setze ich mich natürlich ins gemachte Nest, weil ich schon mal drei Jahre dort gewohnt habe und viele Freunde dort habe. Als ich wieder zurückgezogen bin, hatte ich auch nicht das Gefühl, ich sei zwei Jahre weg gewesen, sondern nur ein paar Monate.

Wie gehst du eigentlich mit Schreibblockaden um?

Ich ignoriere sie einfach. Ich kann mich gar nicht hinsetzen und sagen „jetzt schreibe ich ein Lied!“. Ich muss warten, bis das von alleine passiert. Wenn ich mich hinsetze und arbeiten will, habe ich grundsätzlich Schreibblockaden. Deswegen weiche ich ihnen aus und sage okay, da ist eine Wand, dann gehe ich eben einen Schritt rückwärts. Die Situation muss passen und es muss irgendetwas in mir herumwühlen, weil ich sonst sehr schnell das Gefühl habe, der Song ist belanglos. Das ist auch der Grund, wieso ich eigentlich keine fröhlichen Lieder habe – man stellt sich ja nicht hin und sagt: Wieso bin ich denn so fröhlich? (lacht)

Ich finde, dass deine Songs voller kleiner Lebenswahrheiten sind. Woher all die Weisheit?

(lange Pause). Also manchmal frage ich mich das ja selber. Wenn ich ein Lied geschrieben habe oder einen alten Song anhöre, kann ich mir manchmal gar nicht vorstellen, dass ich mir das ausgedacht habe. Es ist schon vorgekommen – ich hoffe, das klingt jetzt nicht nach Eigenlob – dass ich mir drei Jahre nach einem Lied es mir wieder angehört habe und mir dachte: Oh. Der Satz ist ja gar nicht schlecht. Aber eben mit Abstand. Ich habe manchmal das Gefühl, gar nicht viel Einfluss darauf zu haben, was dabei herauskommt. Höchstens in gewisse Bahnen zu lenken.

Last but not least: Der erste Song auf „Endlich nichts“ trägt den Titel „Vorwärts ist keine Richtung“. Ist das so?

Warum “Vorwärts keine Richtung ist”, will – und kann – ich dir eigentlich gar nicht so genau sagen. Ich habe mir schon was dabei gedacht, aber am Ende ist ja das Schöne, wenn sich jeder selbst herausholen kann, was er will oder braucht.

Und da musst du jetzt noch schnell durch… Bier oder Wein?

Wein.

Fernweh oder Heimweh?

Fernweh.

Rock oder Pop?

Rock.

Schweinebraten oder Fischbrötchen?

Boa, das ist schwierig! Wenn ich in Hamburg bin Schweinebraten, wenn ich zu Hause bin Fischbrötchen!

Jennifer Lawrence oder Anne Hathaway?

Ich habe gerade kein Bild von Jennifer Lawrence. Hathaway hat doch dieses „I dreamed a dream“ gesungen, oder? Es ist zwar völlig überzogen und überkitschig, aber es hat mich total gekriegt. Also Anne Hathaway.

Danke Hannes für die tollen Worte und viel Erfolg für das neue Album und die Tour.
Alle Infos unter: www.spaceman-spiff.de

Mehr von anidenkt unter: www.anidenkt.de

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