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Klimaneutrales Theater? Als erste Spielstätte in der Stadt veröffentlicht das Pathos eine Klimabilanz
Inhaltlich sind Themen wie Klimawandel und Umweltschutz längst in der Kulturwelt angekommen. Kein Wunder, denn Bühnen und Filme bilden immer auch das ab, was die Gesellschaft bewegt. Oder sie denken mutig voraus. Aber wie sieht es hinter den Kulissen aus? Handelt die Branche vernünftig und hat sie ihren eigenen Fußabdruck im Blick?
Diese Frage lässt sich selbstredend nicht pauschal beantworten. Doch vielerorts beginnen Kommunen und Kulturbetriebe, ihren CO2-Ausstoß zu messen – und im besten Fall Maßnahmen zu ergreifen. In München macht das Pathos Theater – eine Spielstätte der freien Theaterszene – den Anfang. Als erstes Theater hat es seine persönliche Klimabilanz für das Jahr 2022 erstellt und veröffentlicht (hier als PDF zur Ansicht und zum Download).
Dazu wollten wir mehr wissen. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte des Pathos, Dr. Dana Pflüger, stand uns Rede und Antwort!
Hallo Frau Pflügler, wie kam euch die Idee, euren CO2-Fußabdruck zu überwachen?
Eine Klimabilanz ist allgemein üblich und absolut notwendig als erster Schritt um rauszufinden, wo im eigenen Betrieb tatsächlich emissionstechnisch die “big player” sind und welche Bereiche vielleicht auch sehr wenig Bedeutung haben. Man benötigt sie insofern, damit man priorisieren kann, an welchen Stellschrauben man als erstes drehen sollte.
Die konkrete Idee kam durch eine Arbeitsgruppe im Netzwerk Freier Theater, die von dem Transformationsmanager Lutz Hofmann geleitet wurde.
Gibt es Vorbilder in der Theater- oder Kulturwelt für die Maßnahmen, die ihr jetzt ergreift?
Tatsächlich arbeiten gerade die Bayerische Staatsoper, die Münchner Kammerspiele und das Residenztheater unseres Wissens nach an einer Klimabilanz, aber wir sind das erste Theater in München, das eine fertige Klimabilanz vorlegt, worauf wir nicht wenig stolz sind.
Eine konkrete Inspiration war die Klimabilanz des Theaters Regensburg, die in diesem Bereich Maßstäbe setzt.
Ihr unterscheidet zwischen „Inhouse“-Faktoren und erweiterten Faktoren, die etwa von Besucher*innen verursacht werden. Bei den Inhouse-Faktoren wiegen die Emissionen durch Anreise und Unterkunft der Mitwirkenden mit Abstand am schwersten. Spricht das dafür, vermehrt auf regionale Produktionen und Schauspieler*innen zu setzen?
Den Begriff „Inhouse“ würden wir nicht verwenden, da wir ihn in Bezug auf unseren Betrieb als irreführend empfinden. Die meisten unserer Produktionen werden ja nicht von uns als PATHOS-Team gemacht, sondern von externen Künstler*innen, die uns als Aufführungsort nutzen. Sinnvoller wäre unserer Meinung nach in drei Gruppen zu gliedern
-
- a) unserem Haus als Infrastruktur (mit den Mitarbeitenden, deren Arbeitswegen, unseren Scope 1-Emissionen) mit nur 6%
- b) den externen Produktionen (mit deren Mobilität und Material) mit ca. 77% und
- c) den Besucher*innen mit ca. 17% der Emissionen.
Für die externen Produktionen würde es sicherlich emissionstechnisch etwas bringen, wenn man keine (internationalen) Gastspiele mehr zeigen würde. Unsere Bestrebungen gehen aber derzeit nicht dahin, weniger davon zu zeigen, sondern eine bessere Kooperation mit anderen Gastspielorten in Deutschland anzustreben, sodass jede Fernreise gleich mehreren Gastspielorten und -vorstellungen zu Gute kommt. Abgesehen von den wenige Gastspielen, besteht unser Programm jetzt schon ganz überwiegend aus Produktionen von Künstler*innen aus München.
Bei den externen Faktoren ist laut dem Bericht die An- und Abreise der Besucher*innen am relevantesten. Ist das ein Argument für mehr Online-Formate?
Nein, das ist für uns kein Argument für mehr Online-Formate. 85% unseres Publikums kommen aus dem S-Bahn-Bereich von München (drei Viertel wohnen sogar weniger als 10km entfernt vom PATHOS), wir sind in diesem Punkt schon sehr stark regional verankert. Ebenfalls drei Viertel unseres Publikums kommen entweder mit dem ÖPNV oder mit dem Fahrrad – wir vermuten, dass das im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen schwer zu toppen ist. Mangels Klimabilanzen an anderen Häusern in München können wir hier derzeit tatsächlich nur vermuten.
Oder sollte man die Möglichkeit für ein kompensierendes „klimaneutrales“ Ticket anbieten – ähnlich wie bei Flug- und Busreisen etwa?
Das ist eine sehr gute Idee – wir werden intern darüber beraten, ob wir das einführen können!
Welche Handlungen leitet ihr konkret aus dem ersten Bericht ab?
Wir waren insbesondere ziemlich erstaunt über das Ergebnis – was sehr dafür spricht, wie wichtig es ist, als ersten Schritt eine Klimabilanz zu machen. Wir hatten erwartet, dass in unserem direkten Einflussbereich (Strom, Wärme, etc.) viel mehr Handlungsspielraum für weitere Maßnahmen ist. Nun haben wir gesehen, dass wir da mit unserem Lichtblick-Strom, der Holzpellet-Heizung und der sehr umweltfreundlichen Mobilität der Mitarbeitenden kaum noch was optimieren können, sondern unseren Blick auf die externen Produktionen richten müssen.
Derzeit überlegen wir, ob und wie wir die Produktionen eventuell unterstützen beziehungsweise beraten können, emissionsärmer zu arbeiten sowie ob wir vor Ort bei uns im Hof selbst Kompensationen betreiben können, bspw. durch eine noch stärkere Begrünung. Einen Monat nach Veröffentlichung des Berichts sind wir noch mitten in den Beratungen und melden uns gerne, wenn wir von Maßnahmen berichten können.
Ihr habt unter anderem Nachgespräche zu jeder externen Produktion eingeführt. Dort reflektiert ihr zusammen mit externen Produktionsteams deren Klimabilanz. Seid ihr dabei auch auf abweisende oder genervte Reaktionen gestoßen?
Das Feedback zu diesen Nachgesprächen ist durchweg sehr positiv. Viele freuen sich sehr, dass ihr eigenen Anstregungen durch die Nachgespräche endlich wahrgenommen werden. Dass wir der Klimabilanz in den Nachgesprächen eine so große Relevanz geben, führt aber auch dazu, dass die Produktionen oftmals überhaupt erst merken, wo sie eigentlich überall Emissionen verursacht haben (machmal achtet man da ja nicht so drauf) und was sie nächstes Mal evtl. anders machen können. Auch wenn dies ein schwer messbarer Erfolg ist, gehen wir davon aus, dass die Gespräche eine große emissionsmindernde Wirkung haben, einfach weil darin ernsthaft und ganz konkret aufgezeigt wird, durch welche Handlungen Emissionen in welcher Größenordnung entstehen.
Wie kompensiert ihr eure Emissionen im Allgemeinen?
Bisher kompensieren wir unsere Emissionen nicht.
Haben die von euch gefassten Klimaziele auch Auswirkungen auf die kreativen Prozesse und Entscheidungen? Blöd gesagt: Was ist wichtiger, Kunstfreiheit oder Klimaneutralität?
An einer möglichst bald realisierten Klimaneutralität aller Gesellschaftsbereiche unseres Lebens führt kein Weg vorbei. Je früher man aber anfängt, diesen Prozess aktiv und mit Feingefühl zu steuern, desto besser lassen sich Klimaneutralität und Kunstfreiheit harmonisch in Einklang bringen. Derzeit sind wir eine der ersten, die schon so weit sind, eine Klimabilanz zu haben und daher sind wir guter Hoffnung, dass wir diese Dichotomie gar nicht erst aufmachen müssen.
Ihr wollt in Zukunft eine Solaranlage im Hof installieren. Könnte das für den eigenen Strombedarf reichen?
Die Solaranlage läuft bereits seit März! Da wir im Rahmen der genehmigungsfreien Bagatellgrenze nur eine sogenannte „Steckersolaranlage“ mit 600W Leistung installieren konnten, die ja recht klein ist, gehen wir davon aus, dass wir 5-10% unseres Strombedarfs damit decken können. Wir sind sehr gespannt, wie die tatsächliche Leistung am Ende des Jahres gewesen sein wird.
In den nächsten Jahren soll aber auf dem Dach des PATHOS eine große Solaranlage seitens der Vermieterin gebaut werden, hierfür muss aber zunächst das Dach ertüchtigt werden. Leider haben wir auf die Zeitplanung für diese Arbeiten keinen Einfluss.
Foto: © Pathos; Team vor dem Pathos Gebäude
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