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Leerstand in Laim: Wie um das Laimer Schlössl ein neuer Ortskern entstehen könnte
München-Laim gilt als beschauliches Wohnviertel im Westen der Stadt. Schön, aber ohne Anziehungskraft für Menschen aus anderen Stadtteilen. Auch den Laimer*innen fehlen identitätsstiftende Gastroangebote oder ein gemeinsamer Ortskern, an dem man sich aufhält und trifft. Ein Leerstand an der Agnes-Bernauer-Straße hat Potenzial – doch es ist kompliziert.
Warum ist das Thema Leerstände relevant?
Jeder kennt die verlassene Villa im Viertel, das stillgelegte Firmengebäude im Gewerbegebiet oder die Wohneinheit im Haus, wo scheinbar nie jemand da ist. Leerstand ist parteiübergreifend unerwünscht und in München zumindest kein großes Problem (nur circa 0,1% aller Wohnungen galten laut einer Statistik auf Statista in München 2022 als Leerstand). Doch gerade spektakuläre Leerstände wie zum Beispiel alte Industrieanlagen wecken Begehrlichkeiten und Fantasien.
Wenn Leerstände durch Zwischennutzungen belebt werden, erlangen sie oft sogar eine gewisse Popularität, bevor sie abgerissen oder dauerhaft umgenutzt werden. Man denke in München etwa an das alte Hertie Kaufhaus an der Tegernseer Landstraße, das als „Puerto Giesing“ 2010 kurzzeitig zum Kulturereignis wurde.
Auch in Laim gab es 2019 eine solche kulturelle Zwischennutzung in der Zschokkestraße. Unter dem Namen „Z Common Ground“ wurde ein ehemaliges Bürogebäude auf fünf Stockwerken temporär in eine kreative Spielwiese und einen Kunstclub verwandelt.
Foto: Zwischennutzung Z Common Ground in der Zschokkestraße – Fassadenansicht des damals leerstehenden Gebäudes (2019)
Besonders ärgerlich sind Leerstände, wenn sie aus Gründen der Gewinnmaximierung provoziert werden. Der Klassiker ist die Luxussanierung: Ein neuer Eigentümer versucht die alten Mieter*innen loszuwerden, um dann ein Gebäude entweder ganz abzureißen oder luxusanieren zu lassen. Ein Kleinkrieg, der sich Jahre bis Jahrzehnte hinziehen kann. In der Zwischenzeit bleiben viele Wohneinheiten leer, obwohl sie bewohnbar sind, während andere noch um ihre Wohnungen kämpfen. Ein lokales Beispiel ist das sogenannte „Künstlerhaus“ in der Thalkirchner Straße 80, wo seit Jahren ein großer Teil des Hauses inzwischen leer steht und verbleibende Mieter*innen drangsaliert werden, während eine Sanierung auch nur sporadisch vorangeht.
Wo ist Leerstand in Laim?
Beim Mucbook Hackathon zur Zukunft Laims im Frühjahr wurden Leerstände und deren mögliche (Zwischen-)Nutzung im Stadtteil diskutiert. Oftmals fiel bei dieser Veranstaltung das Stichwort „Alte Sparkasse“. Gemeint ist die ehemalige Sparkassenfiliale an der Ecke Gotthardstraße-Fürstenrieder Straße, die seit fünf Jahren leersteht. Kein Wunder, dass dieser Leerstand auffällt: Wenn man von der U5 am Laimer Platz hochkommt, stehen Passant*innen direkt davor.
Von außen sind noch Teile der Einrichtung zu erkennen. Ein altes Plakat hier, ein paar typische Möbel dort. Die Fläche im Erdgeschoss des Gewerbehauses wirkt inmitten des sonstigen Trubels sehr verlassen, weshalb Passant*innen ab und zu einen neugierigen Blick in die Glasfassaden werfen.
Unsere Recherchen ergaben, dass die R+V Versicherung Eigentümerin des Gebäudes ist. Dort wollte man den Leerstand des Erdgeschosses aber öffentlich nicht weiter kommentieren. Es heißt, man befinde sich derzeit in Verhandlungen zu einer zukünftigen Nutzung und zu Details könne man sich daher nicht äußern. Ob und wie schnell sich hier nun etwas tut, wird sich zeigen.
Zwei geschichtsträchtige Adressen
Im Grunde ist es erfreulich, dass in Laim wenig Leerstand herrscht. Weitere Adressen muss man schon suchen. In der Richelstraßen soll es ein paar Wohneinheiten geben, die leer stehen, aber alles „Privatsache“, wie Josef Mögele vom Bezirksausschuss sagt. Städtische Vermieter wie die Gewofag würden sich dagegen bemühen, dass ihre Immobilien immer genutzt oder rechtzeitig saniert werden. Viele andere Siedlungen sind noch jünger und gut in Schuss.
Bei Mögele laufen als Vorsitzender im Bezirksausschuss Laim viele Informationen zusammen. Seit Jahrzehnten wohnt er im Viertel. Mit ihm zusammen wollen wir zwei weitere Fälle diskutieren. Das Dornröschenschloss in der Neuburger Straße 8 – eine baufällige Villa – und das „Laimer Schlössl“ in der Agnes-Bernauer-Straße 112.
Verlassen und verwuchert – die düstere Schönheit in der Neuburger Straße
„Zutritt verboten! Lebensgefahr” heißt am Bauzaun in der Neuburger Straße 8. Man will es sofort glauben. Ein bisschen gruselig sieht die heruntergekommene Villa aus, sodass man nicht genau weiß, ob die Lebensgefahr von lockeren Dachziegeln oder vielmehr von Gespenstern im Haus droht. Die unverputzten Wände, die eingeschmissenen Fenster und die überwachsene Fassade gäben jedenfalls eine hervorragende Kulisse für einen Horrorfilm ab. „Dornröschenschloss” nennt man die düstere Schönheit im Viertel. Am umgeknickten Zaun zur anderen Seite des Gartens hin sieht man, dass es hin und wieder ungebetene Passant*innen auf dem Gelände geben muss. Jugendliche Mutproben, obdachlose Gäste? Wahrscheinlich beides.
Eher als Tragödie begreift Josef Mögele den Verfall der Villa mit dem großen Garten, die seit Jahren verlassen scheint. „Der Verfall tut mir weh“, sagte Mögele gegenüber der Abendzeitung in einem Artikel. Zwar steht seit Jahren ein Baucontainer am Gelände, doch auch der fällt zunehmend den vielen Kletterpflanzen anheim, die sich das bebaute Gelände geduldig einverleiben. Am Bau? Stillstand bis Verfall.
Vor Jahrzehnten war das Gelände zuletzt bewohnt, erinnert sich Mögele. Es hieß, ein alter Herr residierte in der Gründerzeitvilla bis in die späten 1980er oder frühen 1990er Jahre. Offiziell ist nichts bekannt zu den Eigentumsverhältnissen und neuen Plänen, auch wenn über mehrere Ecken überliefert ist, der neue Eigentümer wolle sanieren.
Warum die Villa seither unbewohnt ist und nicht in Stand gehalten wird, ist ungeklärt. Da sie innen – so viel ist bekannt – stark umgebaut ist und nicht unter Denkmalschutz steht, fehlen Gründe, damit die Öffentlichkeit oder Politik Auskünfte vom Amt bekommen würde. „Da müsste schon jemand von einem Ziegel getroffen werden und tot umfallen, damit Polizei und Bürger Informationen bekommen“, schätzt Mögele.
Böse Zungen behaupten, dass der neue Eigentümer oder eine Erbin den Verfall von Gebäudeteilen provoziert, sodass er oder sie dann aufgrund einer unmittelbaren Gefahrenlage abreißen und neu bauen kann. Vielleicht fehlt auch schlicht das Geld für eine Instandsetzung.
Um einen Abbruch abzuwenden, müsste man aber zeitnah Kernsanieren, bevor es zu spät ist. Und das kommt sicher nicht billig, wenn man sich den Zustand des eigentlich so schönen Gebäudes anschaut. Das Haus ließe sich in mehrere Appartements unterteilen – so die vorsichtige Einschätzung von Mögele – und somit ein Stück Laimer Geschichte erhalten.
Auf Agnes Bernauers Spuren: Stillstand seit Jahren im Laimer Schlössl
Weniger versteckt und direkt an der großen Hauptstraße ist das „Laimer Schlössl“ – nur knapp 200 Meter vom eben erwähnten „Dornröschenschloss“ entfernt. Ein geschichtsträchtiges Gebäude samt historischem Garten, das seit etwa fünf Jahren leer steht.
Hier soll im 15. Jahrhundert Agnes Bernauer gewohnt haben, die Geliebte und möglicherweise erste Frau des Thronfolgers und späteren Bayernherzogs Albrecht III., die bekanntlich von ihrem Schwiegervater in die Donau geworfen und getötet wurde.
In der jetzigen Form ist das Schloss etwa 300 Jahre alt. Bis vor einigen Jahren lebten hier drei Brüder im Haus, die dort Kunsthandwerke ausübten und auch Verkaufsräume unterhielten – zum Beispiel eine Schneiderei für Bühnenausstattung. Von Zeit zu Zeit fanden kleine Kammerkonzerte mit klassischer Musik statt. Mögele erinnert sich an die imposante Treppe und die anschließenden Balustraden im Obergeschoss, hinter denen man die Musik mit Blick auf den Eingangsbereich von oben verfolgte. Denkwürdige Veranstaltungen für das Publikum.
Die Vorbesitzer mussten das Gebäude jedoch vor einigen Jahren verkaufen, da sie im hohen Alter und ohne Berufseinkommen den kostspieligen Unterhalt des denkmalgeschützten Hauses nicht länger bezahlen konnten. Hier kam ein Investor ins Spiel, der ihnen das Haus abkaufte und seither offenbar nur über Anwälte öffentlich kommuniziert.
Bekannt ist, dass er sieben Wohneinheiten in das Schloss stecken wollte, was Denkmalschutz und Lokalbaukommission jedoch nicht genehmigten. „Es steckt viel Geschichte im Haus. Das Amt hat klipp und klar gesagt, was im Gebäude erhalten werden muss“, sagt Mögele. Auch der Garten ist denkmalgeschützt, sodass etwa das Thema Stellplätze ein Problem wäre bei so vielen Wohnungen. Drei bis vier Wohnungen wären realistisch, ohne den Charakter des Innenlebens unkenntlich zu machen, schätzt Mögele.
Seit Anfang 2023 liegt nun ein genehmigter Bauantrag zum Umbau vor. Ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Parteien, der weniger als die sieben Wohnungen vorsieht. Doch seitdem rührt sich nichts. Mögeles Vermutung: Der Investor wollte gewinnmaximierend vermieten oder verkaufen. Da sein ursprünglicher Bauantrag nicht genehmigt wurde, geht seine Rechnung nun aber nicht auf. Auch die Baukrise – stark gestiegene Material- und Baupreise bei stagnierenden Immobilienpreisen – könnte ihn kalt erwischt haben. Hat er sich am historischen „Prachtgrundstück“ verhoben?
Der BA-Vorsitzende wünscht sich, dass etwas passiert: „Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen, dann können wir etwas entwickeln“, sagt er. Auch am Laimer Schlössl nagt langsam die Zeit. Die Fassade beginnt zu bröckeln. Der Sichtschutz um den Bauzaun bekommt immer mehr Risse. Das Gras wuchert. Der Keller war wohl zeitweise überschwemmt.
Die Vision: Ein Platz für’s Viertel
Mögele wünscht sich, dass die Stadt das Gebäude kauft oder Teile anmietet, um öffentliche Nutzungen zu ermöglichen. Jetzt kommt Begeisterung in seine Stimme: „Machen wir ein Stadtcafé rein, einen schönen Garten außenrum und einen ordentlichen Übergang zum Interim in der Straße gegenüber. Dann hätten wir endlich einen Ortskern.“
Die Grünfläche neben dem genannten „Interim“ – eine vereinsgeführte Kleinkunstbühne – sei momentan nämlich der einzige öffentliche Ort, an dem draußen Veranstaltungen in Laim durchgeführt werden können. „Wir haben sonst keinen Platz, wo wir uns treffen können.“
Die Vision vom Ortskern Laim wäre in der Tat ein großer Wurf. In direkter Nachbarschaft befindet sich die historische St. Ulrichkirche mit einem großen Pfarrgebäude daneben, das man mit Wohlwollen der Kirche umnutzen könnte. Direkt angrenzend an das Grundstück vom Laimer Schlössl ist außerdem noch eine Siedlung mit kleinen Privathäusern, die vom bekannten Architekten und Stadtplaner Theodor Fischer geplant wurden. Eine richtige „Architektursensation“, sagt Mögele. Vom Garten des Schlössl aus sind sie gut sichtbar „Da kenne ich jeden einzelnen Besitzer und die würden bei sowas gleich mitspielen“, schätzt er. Fischer selbst hatte bis zu seinem Tod 1938 übrigens im Laimer Schlössl gewohnt.
Wie geht es weiter?
Nachdem die Stadt vor ein paar Jahren Interesse am Kauf signalisierte, gab es wohl ein Angebot, aber zu einem „illusorischen Preis“, so Mögele. Bei den derzeit so klammen Stadtkassen scheint dieser Weg zudem in weitere Ferne zu rücken.
Zwei, drei private Investoren und solvente Bürger*innen aus dem Viertel hätte er aber zur Hand, so Mögele. „Mit denen könnte man etwas Vernünftiges entwickeln.“ Auch zusammen mit dem aktuellen Eigentümer. Er schätzt, dass der Eigentümer den Leerstand nicht ewig halten kann. Der Denkmalschutz verlangt die Pflege und das kann bei einem unbewohnten Gebäude schnell zu laufenden Kosten ohne Ertrag führen. Auch etwaige Hypothekenzinsen laufen weiter. „Momentan will der Investor sein Konzept durchdrücken und lässt das Ding verrotten, aber ich glaube, keiner ist bereit zu zahlen, was er sich vorstellt“, so sein einstweiliges Fazit.
Wer kann die Beteiligten aus der Sackgasse führen? Mögeles Wunsch: Ein anderer Investor, der zusammen mit der Stadt und dem Bezirksausschuss eine politisch tragfähige Lösung entwickelt. Dazu müsse die Stadt Geld in die Hand nehmen. Aber er ist überzeugt von dieser Chance: „Es ist ein Denkmal für Laim – da müssen wir etwas tun!“
Bilder: ©Mucbook/Florian Kraus
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