Kultur, Nach(t)kritik

Live ist Pet-Shop-Boys-Fans schnurz

Annette Walter
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Wer bei einem Pet-Shop-Boys-Konzert auf dem Tollwood Neues oder gar Improvisiertes erwartet, hat das Prinzip der Pop-Jungs nicht verstanden.

Dirk Wagner kritisierte auf sueddeutsche.de die Berechenbarkeit des Auftritts und hat sich offenbar gehörig gelangweilt. Seit über einem Jahr touren die Pet Shop Boys jetzt mit der Pandemonium-Tour ihres letzten Albums “Yes” von 2009. Wer bei einem PSB-Konzert allerdings handgemachte Rockmusik oder einen Gitarristen erhofft, der tollkühne Faxen an seinem Instrument vollführt, dem ist nicht mehr zu helfen. Ob irgendjemand auf der Bühne bei “West end girls” live spielt, ist dem Pet Shop Boys-Fan schnurz.

Die Pet Shop Boys sind keine Band, sondern ein popkulturelles Konzept. Ihr Output ist elektronisch geschaffener Synthiepop – eingängige Melodien, die sie seit 1984 fließbandartig produzieren, womit sie eine eigene Kunstform geschaffen haben.

Vollendet wird das Konzept durch eine konsequente Distanzierung von feindlichen Genres (Rockmusik, Country), ein minimalistisch-ästhetisches Artwork, die konsequente selbstironische Attitüde sowie die totale Überspitzung und Persiflage der eigenen Performance.

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Man kann die Bühnenshow als Musical rezipieren, man kann sich von ihr euphorisieren lassen wie die Mehrheit der durchschnittlich 40-jährigen Fans und man kann sie natürlich auch hervorragend dämlich, weil uninspiriert und gefällig finden, weil man kein PSB-Fan ist. Letztere wird freuen, dass das 26 Jahre umfassende Oeuvre der Pet Shop Boys anstandslos als Fahrstuhlmusik durchgeht und in den Konsumtempeln dieser Republik gespielt wird.

Ließ man sich auf die Musik ein, so war das Konzert eine dramaturgisch perfekt durchstrukturierte musikalische Zelebrierung von Euphoriezuständen. Wobei man sich nie, nie, nie des Stilmittels der Improvisation bediente, weil dies im Pet Shop Boys-Universum unbekannt ist.

Die Setlist liest sich als Greatest-Hits-Compilation von 1984 (“West end girls”) über “Suburbia”, “What have I done to deserve this”, “Always on my mind”, “Being boring”, “Se a vida é (that’s the way life is)”, “New York City Boy”, “It’s a sin”, “Jealousy”, “Left to my own devices”, um nur eine Auswahl zu nennen, bis 2009 (“The way it used to be”, “Love etc.”) und beinhaltet zahlreiche B-Seiten des Pet Shop Boys-Werkes (“Do I have to?”, “Why don’t we live together”).

Der Fan der ersten Stunde dachte an seine Jugend in den Achtzigern, wurde ein bisschen sentimental, erinnerte sich an seinen ersten Kassettenmitschnitt von “Suburbia” und die erste selbstgekaufte Vinylsingle von “Rent” und trottete nach dem Auftritt mit einem Glücksgefühl aus der Arena.

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